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Politik | Klimaschutz

Darf Südtirol die CO2-Senken anrechnen?

Der Klimaplan 2040 will die Senkenleistung von Torf aufwerten und seinen Abbau verbieten. Weit bedeutender wäre die CO2-Senkenleistung der Wälder. Darf dies zusammen mit Torf und Mooren als Kompensation der hier erzeugten Treibhausgase angerechnet werden?
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Wikipedia / Christian Fischer
  • Als Kohlenstoffsenke (auch CO2-Senke) gilt ein natürliches Reservoir, das vorübergehend mehr Kohlenstoff aufnimmt und speichert, als es abgibt. Erst in jüngster Zeit sind Senken klimapolitisch relevant geworden, weil sie das menschengemachte CO2 aus der Atmosphäre absorbieren und die Erderhitzung etwas verlangsamen. Neben der wichtigsten Wenke, den Meeren, werden aber bisher wichtige Kohlenstoffsenken wie Wälder und Moore zunehmend zerstört (z.B. der Amazonas-Regenwald), während gleichzeitig Waldbrände und auftauender Permafrost in der Taiga gespeichertes CO2 in Massen frei geben. In Summe stellt der Sektor Landnutzung aktuell eine Nettosenke von 6,0 Gt CO2 dar, die vor allem auf die CO2-Absorption der Wälder zurückzuführen ist (vgl. Georg Niedrist, Emissionen der Südtiroler Landwirtschaft und Szenarien zur Erreichung der Klimaneutralität, EURAC 2022, 107).

    Die in Südtirol vorhandenen CO2-Senken sind ziemlich überschaubar: lebende Biomasse (vor allem Wald), der Humus der Böden und Moore. Letztere bedecken weltweit 3% der Erdoberfläche, binden im Torf ein Drittel des gesamten terrestrischen Kohlenstoffs und rund das Doppelte des in Wäldern gespeicherten Kohlenstoffs (vgl. Stefan Zerbe, Kein Platz für Torfabbau bei echtem Klimaschutz, in: Klimaland Südtirol? 2022, 74). Ein einziger Hektar Moor speichert schon 1000 Tonnen Kohlenstoff. Die Wiedervernässung von Mooren auf großer Fläche wäre enorm wichtig für den Klimaschutz. Allein in Südtirol sind nur mehr wenige Moore und Feuchtgebiete übriggeblieben, bis vor Kurzem ist im Unterland sogar noch Torf abgebaut worden.

    Wie im übrigen Alpenraum wäre in Südtirol als terrestrische Senke für Kohlenstoff Wald noch reichlich vorhanden, die fast die Hälfte der Landesfläche einnimmt. In den borealen Nadelholzwäldern, also unseren Hochwäldern, steckt die Hälfte des CO2 im unterirdischen Pilzgeflecht. Allerdings nimmt die Speicherleistung des Waldes ab, sowohl wegen Übernutzung, also Holzeinschlag, als auch wegen dem Klimawandel selbst, man denke an Stürme wie Vaia, die 6000 ha Wald flachgelegt haben, und den Borkenkäferbefall. Beim typischen alpinen Nadelwald wird die CO2-Speicherung im Vergleich mit den CO2-Emissionen des Alpenraums als gering eingestuft (unter 10%).

    Nun nimmt zwar die Waldfläche in Südtirol tendenziell zu, wie aus dem Landesforstbericht 2022 hervorgeht, aber zwischen Waldschäden und Rodungen ist nicht gesichert, ob auch die Senkenleistung der Wälder zunimmt. Aufforstungen wären angesagt, z.B. von aufgelassenen Almen, am besten von versiegelten Flächen. Allein in Südtirol wird im Zuge von Grün-Grün-Umwidmungen, von Bautätigkeit, der Neuanlage von Speicherbecken und Pistenerweiterungen immer noch viel Wald gerodet. Dies ist umso bedenklicher als auch die großen CO2-Senken des tropischen Regenwaldes laufend dezimiert werden, wozu die Fleischproduktion der Industrieländer (einschließlich Südtirol) wesentlich beiträgt.

    Im Klimaplan Südtirol 2040 ist den CO2-Senken ein Aktionsfeld gewidmet (5.13 Klimaplan Südtirol 2040). Dieses erschöpft sich in der Einstellung des Abbaus von Torf. Es finden sich keine Maßnahmen zum Aufbau neuer Senken, zum Bodenschutz, zum rigorosen Schutz des Waldes. Dabei vergehen 100-150 Jahre, bis ein Wald wieder voll aufgebaut ist, etwa in den Vaia-geschädigten Gebieten. Der Wiederaufbau der Speicherkapazität braucht noch länger. Je mehr Holz man in den Wäldern lässt oder zumindest verbaut statt zu verbrennen, desto mehr CO2 bleibt gespeichert. Konsequenter Klimaschutz und großflächige Rodungen passen weder in den Alpen noch im tropischen Regenwald zusammen.

    Wie steht es nun mit der sog. „Anrechenbarkeit“ der CO2-Senken? Darf ein Land oder eine Region seine CO2-Emissionen mit einer nachgewiesenen Senkenleistung seines Gebiets kompensieren? Laut Kyoto-Protokoll von 1997 war es möglich, sich CO2-Senken anrechnen zu lassen, sofern sie nachweislich auf menschliche Eingriffe nach 1990 zurückzuführen waren. Außerdem durften Kompensationsleistungen in Drittstaaten in bestimmtem Umfang dazugekauft werden (internationaler Handel mit Emissionszertifikaten) wie z.B. die Aufforstung von Wald im Ausland. Diese Art von Operation ist stark missbrauchsgefährdet. 

    Angesichts der Schwierigkeit, tatsächlich von Menschen neu geschaffene Senken von natürlichen Senken zu unterscheiden, wurde dann für jedes Land eine maximal anrechenbare Senkenleistung aus der Waldbewirtschaftung festgelegt. Der natürlich gewachsene Wald darf nicht als CO2-Senke angerechnet werden, weil es ihn schon gab und der Anstieg des CO2 in der Atmosphäre trotz dieser bestehenden Senken weitergeht. Auch der sich in Südtirol aufgrund höherer Temperaturen nach oben ausdehnende Wald ist paradoxerweise ein „Verdienst“ des Klimawandels, nicht des Menschen, darf also nicht angerechnet werden. Somit geht es nur um zusätzliche CO2-Senken, also wiedervernässte Moore, neu aufgeforstete Flächen, Bodenverbesserung durch andere Landnutzung von Kulturgrund. In diesem Sinn wäre es für den Klimaschutz wichtiger, auf weitere Rodungen zu verzichten, die Versiegelung tatsächlich zurückzuschrauben und mehr Pflanzen anzubauen, die viel CO2 binden.

    CO2-Senken bilden langfristig keinen nachhaltigen Klimaschutz: in alten Wäldern nimmt die Senkenleistung ab; Stürme, Waldbrände und Borkenkäfer setzen viel CO2 frei, dann wird Wald sogar zur CO2-Quelle. Die Option Senken gibt uns lediglich etwas mehr Zeit, bis mit Energiesparmaßnahmen, erneuerbarer Energie und einer Abkehr vom mit fossiler Energie befeuerten Wirtschaftswachstum die CO2-Emissionen substanziell reduziert werden können. Der naturräumlich gegebene Wald ist ein Allgemeingut, kein Ersatz für echte Reduktion der Treibhausgasemissionen.

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