Politik | Transit-Streit

Brüssel soll der weise Richter sein

Verkehrsminister Salvini will endlich das Klageschreiben wegen der Tiroler Fahrverbote abschicken. In der Zwischenzeit hatten seine Tiroler Kollegen eine ähnliche Idee.
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Foto: Seehauserfoto
  • Brüssel wird in Sachen Transitverkehr am Brenner nicht mehr nun von dem italienischen Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) mit einem wenig erfreuten Schreiben konfrontiert, sondern auch von dem Tiroler Landeshautpmann Anton Mattle (VP) und Verkehrslandesrat René Zumtobel (SP). Die Tiroler Kollegen dürften sich also die Strategie Salvinis ganz einfach abgeschaut haben. 

    Während die italienische Regierung wegen der Tiroler Lkw-Fahrverbote noch am Feinschliff der Klage gegen Österreich arbeitet, appellieren Mattle und Zumtobel in einem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die eigenen Ziele der EU zur Verlagerung des Güterverkehrs auf Schiene und zum Klimaschutz einzuhalten. 

  • Der Brief aus Rom

    Matteo Salvini: „Die Regierung arbeitet an der Formalisierung des rechtlichen Dossiers.“ Foto: Seehauserfoto

    Wie berichtet will Salvini die EU-Kommission mit einem Klagebrief dazu drängen, die Maßnahmen gegen den Straßengüterverkehr wie das Nachtfahrverbot oder das sektorale Fahrverbot zu kippen. „Die Regierung arbeitet an der Formalisierung des rechtlichen Dossiers. Das Ziel ist es, den Prozess in den ersten Wochen des Jahres 2024 abzuschließen“, erklärt Salvini gegenüber der Tiroler Tageszeitung.

    Eigentlich hätte der Klagebrief Salvinis bereits nach der Zustimmung des Ministerrats in Rom Mitte Oktober abgeschickt werden können. Ob der Brief bei Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia) feststeckt, wie gut informierte Kreise behaupten, oder ob Salvini sich die Klage für den Wahlkampf der EU-Wahlen im Juni 2024 aufsparen will, ist unklar. 

  • Dem Verkehrsminister geht es vor allem um die wirtschaftlichen Schäden für Italien in Millionenhöhe. Das bestätigte im Frühling dieses Jahres auch eine Studie der Handelskammer Bozen. Demnach betrage der jährliche Schaden für Italiens Wirtschaft über 250 Millionen Euro. 

  • Der Interessenskonflikt

    Das Bundesland Tirol will die Belastung des Transitverkehrs aber nicht länger hinnehmen. Im Brief an von der Leyen betonen Mattle und Zumtobel, dass die EU wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen müsse, um die Bevölkerung entlang des Brennerkorridors zu entlasten – beispielsweise durch die tatkräftige Unterstützung Tirols bei der Umsetzung der buchbaren Lkw-Autobahn mit einem Slot-System. 

    Mit dem Slot-System beschäftigt sich derzeit auch eine Arbeitsgruppe, an der Südtirol, Bayern und Tirol beteiligt sind. Der Endbericht wird für die erste Hälfte des neuen Jahres 2024 erwartet. Im Anschluss soll das Ergebnis der Arbeitsgruppe in die Fortführung der „Kufsteiner Erklärung“ fließen und von dem Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle, dem Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder unterzeichnet werden. 

  • Der Brief aus Tirol

    Verkehrslandesrat und Landeshauptmann von Tirol: René Zumtobel und Anton Mattle (v.l.) wenden sich in einem Brief an die EU-Kommissionspräsidentin, um auf die Verkehrsbelastung für die Bevölkerung am Brennerkorridor hinzuweisen. Foto: Facebook

    Der Tiroler Landeshauptmann und sein Verkehrslandesrat weisen in dem Schreiben an die EU-Kommissionspräsidentin daraufhin, dass das Wirtschaftswachstum von einem steigenden Verkehrsaufkommen entkoppelt werden müsse. Dafür sei ein „struktureller Wandel“ nötig, der die Schiene konkurrenzfähig mache und intelligente Verkehrssysteme forciere. 

    Etwa verhindere die EU-Wegekostenrichtlinie einen 50-prozentigen Mautaufschlag in sensiblen Alpenregionen wie dem Brennerkorridor, da es dafür die Zustimmung der Nachbarländer Deutschland und Italien brauche – damit bleibe das Vorhaben nicht umsetzbar. Tirol unterstütze den „Green Deal“ der EU und die Entwicklung Richtung emissionsfreier Mobilität, aber es dürfe „die infrastrukturelle Kapazitätsgrenze nicht außer Acht gelassen werden“, heißt es in dem Brief.