Knoll
Foto: Seehauserfoto
Gesellschaft | Medien

Svens Doppelmoral

Sven Knoll droht SALTO mit Klage. Die absurde Geschichte macht deutlich, wie manche Politiker vor dem Athesia-Konzern kriechen und gegen die „Kleinen“ austeilen.
  • Am Mittwochnachmittag meldet sich Sven Knoll telefonisch in der SALTO-Redaktion. Der Landtagsabgeordnete hat eine klare Botschaft: „Entweder der Artikel wird innerhalb einer Stunde herausgenommen oder ich klage“, sagt er freundlich, aber bestimmt. 
    In der Redaktion muss man erst einmal klären, um welchen Artikel es sich überhaupt handelt, der da dem Kopf der Südtiroler Freiheit so bitter aufstößt. Nach wenigen Minuten wissen wir mehr. Denn am selben Nachmittag hat eine SALTO-Leserin einen Community-Beitrag mit dem Titel „Svens Schokoküsse mit Beigeschmack“ online gestellt. 
    Im Vorspann des nicht-redaktionellen Beitrages wird der Inhalt so zusammengefasst: 

    „Der Landtagsabgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit Sven Knoll präsentiert sich zu Fasching mit Afro-Perücke, Schokoküssen und Umhängeschild "Negerküsse für Meran". Das Foto wird in der "Dolomiten" ohne kritische Aufarbeitung veröffentlicht.“

    In einem Telefongespräch mit dem Autor dieser Zeilen wiederholt Sven Knoll wenig später sein Ultimatum. „Ich lasse mir das nicht gefallen und wollte Euch nur vorwarnen, das Ganze vorab zu lösen“, meint Knoll. 

     

    „Man tut alles, um ja nicht die Gunst des großen Medienkonzerns Athesia zu verlieren. Das geht bis hin zur Selbstverleugnung.“

     

    Es ist eigentlich eine Geschichte, die zum Lachen wäre. Doch in Wirklichkeit ist es zum Weinen. Kommt an dieser absurden Episode am Aschermittwoch des Jahres 2024 doch ein System zum Vorschein, das Politiker selbst der Opposition in diesem Land völlig ungeniert praktizieren. Man tut alles, um ja nicht die Gunst des großen Medienkonzerns Athesia zu verlieren. Das geht bis hin zur Selbstverleugnung. Vom großen Platzhirschen lässt man sich alles gefallen, aber bei den kleinen Medien spielt man dann den starken Mann.
    Sven Knolls Vorgehen in diesem Fall macht augenscheinlich, wie dieses System funktioniert. 

  • Das Foto

    Am Faschingsdienstag erscheint in den Dolomiten traditionell eine Faschingsseite. Auch in diesem Jahr. Unter dem Titel „In den Mund gelegt“ findet man darauf acht Fotos, auf denen Politiker oder Personen des öffentlichen Lebens zu sehen sind, denen in Sprechblasen witzige oder wenig lustige Aussagen in den Mund geschoben werden.

  • Dolomiten-Faschingsseite: Nur bei einem fehlt die Sprechblase. Foto: Dolomiten
  • Nur bei einem Foto fehlen diese Sprechblasen. Dort ist Sven Knoll mit eingeschwärztem Gesicht, Afro-Frisur und einem Tablett mit Schokoküssen zu sehen. Der Politiker trägt zudem ein Schild um den Hals, auf dem „Negerküsse für Meran“ steht. 
    Im Dolomiten-Text heißt es zum Foto:

    „From Sven with love: Nachdem die geharnischten Pressemitteilungen gegen Ausländer-Gewalt in Meran nicht wirklich etwas gebracht haben, ändert Sven Knoll nun Strategie und versucht´s im Guten – mit picksüßen Negerküssen“.

    Im Bildhinweis steht „privat“.
    Kein Wort davon, dass es eine Fotomontage ist.
    Und man muss schon mehrmals schauen, um sie als solche zu erkennen.

  • Der Beitrag

    Die SALTO-Userin hat das Foto – wie viele andere – für echt gehalten. Deshalb hat sie sich in einem Beitrag auch über diese Aktion äußerst empört gezeigt. Dabei bekommt nicht nur Sven Knoll sein Fett ab, sondern auch das Ebner-Tagblatt.
    Die junge Boznerin schreibt:

    „Der Unsinnige Donnerstag sollte kein Freifahrtschein für die Verbreitung rassistischer und xenophober Werte sein, und die Politik sollte sich ernsthaft und konkret mit den Herausforderungen in unserem Land auseinandersetzen. Während Sven Knoll in seinem unsinnigen Faschingsauftritt die Grenzen des Anstands verschwimmen lässt, scheint die "Dolomiten" auf einen kritischen Kommentar zu verzichten. Ein Unsinniger Donnerstag ohne kritische Reflexion? Das ist nicht nur unsinnig, sondern auch bedenklich.“

    Sven Knoll aber sieht diese Meinungsäußerung als diffamierend an. 
    Wäre das Foto echt und der Patriot hätte sich wirklich so verkleidet, hätte er selbst seinen Ruf beschädigt. Denn "blackfacing" wird heute in weiten Teilen der Gesellschaft als Reproduktion rassistischer Stereotype und jedenfalls als nicht akzeptabel betrachtet. 
    Vor diesem Hintergrund ist es aber falsch, Knoll vorzuwerfen, er habe rassistischen Stereotype bedient. Das ist der Grund, warum wir den Community-Beitrag letzlich auch gelöscht haben.
    Knolls Reaktion und Klagedrohung hinterlassen aber weit mehr als nur eine faden Beigeschmack. 
    Denn es waren nicht SALTO und der Community-Beitrag, die Knolls Ruf möglicherweise beschädigt haben. Sondern jene, die dieses Foto veröffentlicht haben. 
    Aber das scheint den Politiker nicht zu stören. Denn gegen die nicht gekennzeichnete Dolomiten-Fotomontage hat der Politiker offiziell nichts einzuwenden. Im Telefongespräch mit dem Autor meint er nur: „Warum soll ich die Dolomiten klagen?“.

  • Dolomiten-Fotomontage: Dagegen hat Sven Knoll nichts einzuwenden. Foto: Dolomiten
  • Gegen SALTO und die Community-Userin will der Sieger der Landtagswahlen 2023 dagegen mit juristischen Mitteln vorgehen. 
    Wie gesagt: In Absprache mit der Autorin haben wir beschlossen, den Beitrag offline zu stellen. Nicht aus Angst. Denn es wäre ein mehr als interessanter Prozess geworden, bei dem auch die Frage erörtert worden wäre, ob man Fotomontagen (und erst recht ehrenrührige Fotomontagen) veröffentlichen kann, ohne sie als solche kenntlich zu machen. In einem Verfahren wäre damit das Ebner-Blatt wohl auf jeden Fall in die Bredouille geraten. 

     

    „Bei den Großen und Mächtigen kriechen und gegen die Kleinen schießen. Das gehört anscheinend zur groß gepriesenen Südtiroler Freiheit.“

     

    Sven Knoll hat mit seinem Verhalten und der Klagedrohung gegen SALTO aber die eigene Doppelmoral offenbart.
    Bei den Großen und Mächtigen kriechen und gegen die Kleinen schießen.
    Das gehört anscheinend zur groß gepriesenen Südtiroler Freiheit.