Jogger
Foto: Clem Onojeghuo/Unsplash
Gesellschaft | kalašnikov&valeriana

Bewegung ist gesund

Niemand kommt antisexistisch auf die Welt. Aber alle können es werden.
  • Die Kommentare auf eines meiner letzten kalašnikov&valeriana sind geradezu der Spiegel einer Gesellschaft, die laut World Economic Forum mindestens 132 Jahre von einer tatsächlichen Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau entfernt ist.

    Zusammengefasst heißt es da: Liebe Frauen, kämpft um eure Rechte, aber erst nachdem ihr eure Pflichten erfüllt habt und ohne dabei unser Leben zu verkomplizieren. Übersetzt: Wenn ihr genug Kinder in die Welt gesetzt habt, euren Ehemann und den Haushalt versorgt habt, eurer Bürger-Pflicht (gelten nicht gegenderte Pflichten auch für Bürgerinnen?) nachgekommen seid, die gesellschaftlichen Ansprüche an Aussehen und Verhalten erfüllt – dann, ja dann dürft ihr auch Rechte einfordern. Allerdings zu unseren Bedingungen, vor allem darf bspw. euer Recht, sprachlich genannt zu werden, nicht unser Recht auf idiotensicheres Lesen verletzen, oder euer Recht auf ein Leben frei von Gewalt, nicht unser Recht auf Gefühlsausdruck evtl. auch mit Körperverletzung einschränken. Fehlt gerade noch die Aufforderung, das alles süß lächelnd hinzukriegen!

    Dieser Rahmen liest sich für mich nicht gerade nach besonders viel Spielraum. Außerdem stelle ich fest, dass die besonders lauten und häufigen Kommentierer durch das Netz nach privilegierten Männern riechen, die ihre Privilegien nicht mal ansatzweise hinterfragen, geschweige denn ins Spiel bringen, sondern die mit großer Leichtigkeit ins Mansplaining verfallen: Sie wissen ganz genau, wo es langgeht, vom Verteidiger der reinen Sprache im Namen des generischen Maskulinums bis hin zum Lehrmeister von Recht und Pflicht.

    Eine Eigenschaft des Privilegs ist es, dass es für jene, die darüber verfügen, meist unsichtbar ist. Das mag vielleicht ein Grund sein dafür, dass so viele Männer die Beweggründe von Feminist:innen nicht nachvollziehen können. Dass patriarchale Unterdrückung nicht erkannt wird, macht sie aber nicht weniger real für jene, die sie erleben. Und es nimmt jene, die sie ausüben, nicht aus der Verantwortung. Sich mit diesen Privilegien auseinanderzusetzen, die eigenen Prinzipien kritisch zu betrachten, das alles ist nicht leicht in einer Gesellschaft, in der wir unsere Selbstbestimmung eintauschen mit sozialer Sicherheit. Das ist in meinen Augen ein teurer Preis, den es sich nicht zu zahlen lohnt. Nicht von ungefähr haben Frauen und Menschen aus der LGBTQIA+ Community das zuerst entdeckt. Nun ist es aber auch an den Männern, sich in Bewegung zu setzen. Die gute Nachricht ist: Bewegung ist gesund und kann auch Spaß machen.

    Also, liebe Männer, bewegt euch! 
    Niemand kommt antisexistisch auf die Welt. Aber alle können es werden.