„Was möchte man zeigen?“
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Am 20. April ist es soweit und Paolo Grossis Regiedebüt „Pinocchio nel Ventre della Balena“ wird um 20.30 Uhr auf der Studiobühne des Stadttheaters seine Premiere feiern. Das Stück wurde frei nach Carlo Collodis Vorlage geschrieben, die heuer ihr 140. Jubiläum feiert. Der bislang als Schauspieler mit seinen Kolleginnen und Kollegen vom Teatro La Ribalta eher auf als vor der Bühne anzutreffende Grossi ist jedoch nicht der einzige Debütant des Abends, der andere darf in die Rolle des Gepetto schlüpfen. Karl Dalinger - Vizepräsident des Vereins - spielt mit seinem Sohn, der zu den Stammspielern des Theaters zählt.
Wir haben Vater und Sohn auf der Bühne des alten Grieser Stadttheaters, zwischen Walfischknochen angetroffenen und mit beiden über die Leidenschaft Schauspiel gesprochen.
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SALTO: Mathias und Karl Dalinger, als Vater und Sohn spielt Ihr gemeinsam in „Pinocchio nel Ventre della Balena“ von Paolo Grossi Gepetto und die Titelfigur. In welcher Form seid Ihr dem Märchen das erste Mal begegnet?
Karl Dalinger: Pinocchio kennt man auch in deutscher Sprache. Ich persönlich habe in der Zwischenzeit viel zu dem Thema gelesen, es gibt ja eine regelrechte Pinocchiologie und auch viele Literaturwissenschaftler, die sich mit dem Werk befassen. Auch deutsch wurde über Pinocchio geschrieben, etwa von Dieter Richter, der viel und für mich aufschlussreich über das Thema geschrieben hat. Das hat mir auch geholfen, die ganze Geschichte wieder frisch im Kopf zu haben. Außerdem sind wir als Gruppe nach Mailand gefahren, ins ADI Design Museum, wo in „Carissimo Pinocchio“ rund 30 Grafiker und 30 Designer Werke anlässlich des 140. Jubiläums des Buches zeigen.
Mathias, wie bereiten Sie sich auf Ihren Auftritt vor? Welches ist Ihre Vorbereitung?
Mathias Dalinger: Wir haben das Buch zusammen gelesen und dann tue ich das, was der Regisseur mir sagt. Paolo ist zu mir gekommen und hat mich gefragt: „Willst du Pinocchio machen?“ Und ich als Mitarbeiter muss natürlich Ja sagen.
Wie war für Sie die Vorstellung, mit dem Vater zu spielen? Haben Sie dazu auch deshalb Ja sagen müssen weil Sie ein Mitarbeiter des Teatro La Ribalta sind?
Mathias: Ich hätte am Anfang eigentlich Nein gesagt, aber man hat mich überzeugt, dass er das auch kann, auch wenn er am Anfang viel falsch verstanden hat…
Karl: Mathias war anfangs sehr skeptisch gegenüber meiner Beteiligung, nicht nur wegen familiärer Aspekte sondern auch wegen meiner Fähigkeiten. Die anderen Schauspieler sind Profis und ich bin vorher nie auf einer Theaterbühne gestanden.
Wie war es für Sie, als Laie da reinzukommen? Hilft es da, dass man dem Theater schon länger nahesteht?
Karl: Das Theater ist eine Sozialgenossenschaft und wir sind da als Eltern und Betreuer sehr stark präsent. Außerdem bin ich stellvertretender Vorsitzender, aber mit der künstlerischen Arbeit habe ich nichts zu tun, helfe nur organisatorisch aus. Deswegen ist eine große Vertrautheit mit den Mitgliedern schon da auch wenn ich mir das künstlerisch nicht vorstellen hätte können. Dann kam Paolo und hat den Vorschlag gemacht.
„Aber da geht es nicht um Kompromisse, weil das Theater kein Ort der Demokratie ist.“
Was hat Sie von diesem überzeugt?
Karl: Was mich gereizt hat ist nicht mehr die Geschichte des Stücks sondern Gepetto, der den Pinocchio selbst macht und dann kommt ein Pinocchio mit Behinderung dabei heraus. Dieses Drama hatte mich interessiert, aber es ist das Stück mittlerweile ein anderes geworden. Paolo ist der Regisseur, was für mich anstrengend ist.
Seid Ihr beide einigermaßen zufrieden mit den Entwicklungen des Stücks oder ist man eine Woche vor Premiere einfach kompromissbereiter?
Mathias: Regisseure haben die Aufgabe das Stück soweit zu bringen, dass es zur Uraufführung kommt. Auch die anderen Produktionen sind gut gegangen. Wir schaffen das und haben am Ende Publikum. Das klappt, auch wenn wir es am Ende in der Gruppe stressiger haben.
Karl: Weil Sie zuvor von Kompromissen gesprochen haben, möchte ich betonen, dass es nicht Kompromisse im Sinn von verschiedenen Ansichten gegeben hat. Paolo hat schon von Anfang an seine Vorstellung mitgebracht. Natürlich ist es auch ein Spiel zwischen der Geschichte von Gepetto und Pinocchio und unserer eigenen Geschichte. Aber da geht es nicht um Kompromisse, weil das Theater kein Ort der Demokratie ist. Da mitzureden, das ist von Seiten der Schauspieler schwierig…
Mathias: Aber bei einigen Sachen kann man schon ein bisschen mitreden.
Wo ist es besonders wichtig mitzureden wenn man kann?
Karl: Eine Schwierigkeit für uns ist natürlich, dass wir von unseren Emotionen viel preisgeben. Pinocchio und unsere Geschichte sind nicht gleich zu setzen, aber es ist schon eine Herausforderung. Man fragt sich: Was möchte man zeigen, auch negative Gefühle und Schwierigkeiten die man hat?
Der Schritt erstmals auf eine Bühne zu treten ist für viele ein Moment, der das Selbstvertrauen stärkt. War das bei Euch ähnlich, hat das Schauspiel Euch Selbstvertrauen gegeben?
Karl: Ich glaube, das fehlt mir. (lacht)
Mathias: Ich bin mir selber nicht ganz sicher. Ich weiß nicht genau was, aber etwas gibt mir das Schauspielern sicher. Was, das weiß ich selber nicht.
Karl: Aber es hilft auf jeden Fall. Das hat man auch bei den anderen Schauspielerinnen und Schauspielern gesehen, alle sind sie aufgeblüht. Einige von ihnen sind nie allein gewesen und nie ohne Eltern irgendwohin und jetzt fahren sie von Klausen, Brixen oder Meran hierher und sind sehr pünktlich auch wenn sie umsteigen müssen. Sie sind alle enorm gewachsen in Sachen Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein sowie Autonomie.
„Ich bin auch rebellisch, aber auf meine Art, nicht auf die Art von Pinocchio.“
Das Teatro La Ribalta - Kunst der Vielfalt ist eine zweisprachige Organisation. Wie begründet sich für Euch, dass man sagt, genau wenn Ihr die Hauptrollen übernehmt, wird auf Italienisch gespielt?
Karl: Die Zweisprachigkeit ist beim Teatro La Ribalta auch dadurch gegeben, dass man deutschsprachige und italienischsprachige Mitglieder hat. Die Sprache mit der man arbeitet ist dann, weil einige Mitglieder kein Deutsch können, Italienisch. Mathias und Melanie haben sich von vornherein bereiterklärt auch auf Italienisch zu spielen. Aber einigen der Schauspieler traut man das nicht zu, obwohl sie im Theater in kurzer Zeit viel lernen. Deutsch aber weniger, weil es auch weniger verwendet wird.
Bei Pinocchio habe ich mir - und ich denke auch Mathias - gesagt, das ist ein italienisches Stück, warum sollten wir das auf Deutsch spielen? Meine Vision wäre, dass man zweisprachige Stücke produziert. Dafür müsste man ein Publikum finden, wobei die Ribalta auch so schon einen starken Anteil an deutschsprachigem Publikum hat.
Geht es auf der Bühne nicht mehr so sehr um die Sprache, da andere Dinge wichtiger sind? Was ist für Euch das Wichtigste an „Pinocchio“?
Karl: Ganz sicher sind andere Dinge wichtiger. Es ist ein Stück in dem viele ästhetisch schöne Momente entstehen. Ein wenig bin ich zurückhaltend, weil man ja nicht zu viel von sich preisgeben will. Das habe ich mit der Hilfe von Paolo schon ein Stück weit geschafft. Mir gefallen eine Reihe von Dingen an Pinocchio, nur die Grundaussage gefällt mir nicht: Pinocchio, der rebellische Hampelmann, muss, damit er Kind und Mensch werden darf, brav sein und die Regeln akzeptieren. Das ist da drin.
Mathias: Mir gefällt dieses Motto von Pinocchio auch nicht, muss ich ehrlich gesagt, sagen. Ich bin auch rebellisch, aber auf meine Art, nicht auf die Art von Pinocchio. Er ist am Ende dann doch zu unbrav.
In diesem Punkt hat der Pinocchio-Stoff eine vielleicht für das Teatro La Ribalta etwas schiefe „Botschaft“, denn es geht auch um Veränderung und die Frage ob sich Pinocchio überhaupt ändern soll. Habt Ihr darauf eine andere Sicht gefunden?
Karl: Im Schluss sehe ich eine Parallele dazu, dass Mathias jetzt langsam reif ist. Weglaufen kann er nicht, aber autonomer will er werden. Wir sind darüber schon länger in Diskussion, dass er ohne Eltern wohnen will. Teatro La Ribalta hat da oft sehr geholfen, eine gewisse Loslösung von den Eltern mit auf den Weg zu bringen.
Mathias: Ja und dann muss man noch mit seinem eigenen Vater auf der Bühne stehen…
Karl: …das war für ihn ein Problem. Das verstehe ich auch, abgesehen davon, dass er kein Vertrauen in meine schauspielerischen Fähigkeiten hatte.
Mathias: Das geht mittlerweile auch besser. Zusätzlich bin ich gespannt zu sehen, wie die Premiere wird. Weil wenn ich das jetzt ein paar Jahre spielen muss, ist das auch ein bisschen viel. Wenn man erst einmal in einem Stück für eine Rolle besetzt ist, kommt man da nicht mehr so leicht heraus, außer jemand packt es körperlich nicht mehr. Einige der Stücke führe ich schon seit vielen Jahren auf.
Karl: „Superabile“ ist mindestens 180 Mal gespielt worden, das hoffen wir bei Pinocchio nicht.
Mathias: Es kann auch sein, dass es so lang weitergeht, aber nicht mit mir.
„So lange man körperlich noch einigermaßen kann, muss man immer weiter, weiter, weiter…“
Zum Abschluss hätte ich Sie, Mathias, gerne nach Ihrem persönlichen Rezept für Mut gefragt. Haben Sie Ratschläge zu mehr Mut?
Mathias: Fürs Schauspielen braucht es was im Kopf und mutig muss man auch sein. Zumindest ein wenig, da auch viele gute Schauspieler ausgeschieden sind, weil es ihnen zu anstrengend wird oder sie keine Lust mehr haben.
Welches war Ihre Lieblingsrolle, wenn Pinocchio wegen der Besetzung schwierig ist?
Mathias: Mein Lieblingsstück ist „Importe dell’anima“.
Karl: Nicht alle schaffen das. Einige mussten es lassen. Wenn sich Menschen mit Behinderung beim Thema Euthanasie selbst spielen, dann ist das schon stark. Das ist eine Herausforderung.
Mathias: Ich bin neugierig genug, auch wenn die Geschichte schwer ist. Man muss es nur körperlich schaffen. So lange man körperlich noch einigermaßen kann. muss man immer weiter, weiter, weiter… Aber der Verein ist immer da und man muss weiter machen um die Stücke zu verkaufen.
Karl: (lacht) Nicht nur darum geht es beim Teatro La Ribalta, da geht es schon um mehr.
Die letzten Worte sind die…
Die letzten Worte sind die besten ... & wichtigsten: "Teatro La Ribalta, ... da geht es schon um mehr."
Complimenti an Antonio, Karl, Matthias und die vielen anderen, die so viele Samen zu Leben erwecken ... noch dazu Samen, die sonst wohl niemals aufgegangen wären.