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Stegers Anbiederung

SVP-Obmann Dieter Steger tut alles, um jede regierungskritische Stellungnahme zu verhindern. Julia Unterberger und Manfred Schullian sollen auf Linie gebracht werden.
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Foto: Seehauserfoto
  • Wenn sich am kommenden Montag um 18 Uhr der SVP-Parteiausschuss trifft, dann steht nicht nur die Wahl des neuen politischen SVP-Landessekretärs Harald Stauder auf der Tagesordnung, sondern auch ein politisch brisantes Thema. „Diskussion Verfassungsreform Rom (ev. Beschlussfassung)“, heißt es in der offiziellen Einladung zur Sitzung.
    Der Tagesordnungspunkt, von SVP-Obmann Dieter Steger eingebracht, soll die Linie der Partei in der derzeit in der Kammer und Senat behandelten Verfassungsreform festlegen.
    Vor allem aber ist es der Versuch, jene SVP-internen Stimmen zum Schweigen zu bringen, die sich kritisch gegen Melonis Umbau des italienischen Staatsgefüges aussprechen. 
    Namentlich: Der Kammerabgeordnete Manfred Schullian und die Senatorin Julia Unterberger.

  • Aktion Gleichschritt

    Dieter Steger will in der SVP eine klare Linie durchsetzen. Weil Giorgia Meloni die Wiederherstellung der Kompetenzen und den Ausbau der Südtirol-Autonomie versprochen hat, soll die Partei ohne Abstriche die Verfassungsreform durch das Parlament winken. Eine opportunistische Haltung, die aber durchaus im DNA der Volkspartei liegt.
    Doch der amtierende SVP-Obmann geht noch weiter. Denn Dieter Steger tut alles, um jedes politische Störgeräusch in Rom gegen die Regierungsmehrheit im Keim zu ersticken. Als amtierender Kammerabgeordneter kann er dabei auf die Unterstützung der SVP-Abgeordneten Renate Gebhard und des SVP-Senators Meinhard Durnwalder zählen. Das Trio marschiert im Gleichschritt.

  • SVP-Parteiausschuss: Soll am Montag Stegers Kuschelkurs absegnen. Foto: Seehauserfoto
  • Wie sehr diese politische Haltung aber inzwischen nicht nur beim SVP-Obmann in reine Anbiederung an die rechte Regierungsmehrheit umgeschlagen hat, wird aus den Vorgängen der vergangenen Wochen deutlich. Um den Kuschelkurs mit den Brüdern Italiens nicht zu gefährden, geht Dieter Steger so weit, dass er die eigenen Parlamentarier zurückpfeift, im Regen stehen lässt, öffentlich abkanzelt und desavouiert. Ein harter Vorwurf, der sich aber anhand der Fakten nachzeichnen lässt.

    Um den Kuschelkurs mit den Brüder Italiens nicht zu gefährden, geht Dieter Steger so weit, dass er die eigenen Parlamentarier zurückpfeift, im Regen stehen lässt, öffentlich abkanzelt und desavouiert.

  • Zweifel an Julia

    So hat sich vorvergangene Woche im Senat eine Episode ereignet, die man gelinde gesagt als skandalös bezeichnen kann. 
    Die Meraner SVP-Senatorin Julia Unterberger kritisierte in ihrer Wortmeldung im Senat die in der Verfassungsreform enthaltene Bestimmung zur Abschaffung der Senatoren auf Lebenszeit. Während ihrer Rede lässt sich der FdI-Senator Francesco „Franco“ Zaffini zu dem chauvinistischen Zwischenruf „Lerne zuerst Italienisch, bevor du redest“ hinreißen. Es ist ein Affront für jeden Südtiroler und jede Südtirolerin.

  • SVP-Senatorin Julia Unterberger: Zielscheibe des SVP-Obmannes. Foto: julia unterberger
  • Es ist der Kammerabgeordnete Manfred Schullian, der als Erster in einer Aussendung auf die Ungeheuerlichkeit dieses Zwischenrufes reagiert. Während öffentlich Dutzende Senatoren nicht nur aus der Opposition, sondern auch aus der Mehrheit Julia Unterberger ihre Solidarität aussprechen, tut Dieter Steger hingegen etwas zuminest bislang Unvorstellbares. 
    Der Parteiobmann versucht, jede Polemik zu verhindern. Sowohl in Nachrichten an Unterberger und Schullian als auch in der SVP-internen Kommunikation stellt Dieter Steger in Frage, ob es diesen Zwischenruf überhaupt gegeben habe. „Warten wir auf das offizielle Protokoll“, so seine Losung - dabei weiß Steger genau, dass Zwischenrufe in den Sitzungsprotokollen nicht vermerkt werden.
    Bis heute hat sich der SVP-Obmann nicht öffentlich zu diesem Vorfall geäußert oder sich hinter seine Senatorin gestellt. Es war Landeshauptmann Arno Kompatscher, der über seinen Stellvertreter Marco Galateo eine sofortige Entschuldigung Zaffinis einforderte, die dieser dann am vorvergangenen Wochenende dann auch halbherzig abgeliefert hat.
    Dass ein Obmann hingegen die Aussagen seiner eigene Parlamentskollegin anzweifelt und sie demonstrativ im Regen stehen lässt, hat es unterm Edelweiß noch nie gegeben.

  • Obszönes Spektakel

    Jetzt aber folgt Akt 2 dieser unglaublichen Geschichte.
    Am Mittwoch kommt es in der Abgeordnetenkammer während der Behandlung des von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eingebrachten Gesetzentwurfes zur sogenannten differenzierten Autonomie zu einem Tumult. 
    Nach verbalen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition und dem Absingen der italienischen Nationalhymne oder der Widerstandshymne Bella ciao,machen einige Abgeordnete der Mehrheit demonstrativ das Zeichen der nazi-faschistischen Schlägertruppe X Mas.

  • Der Tumult in der Kammer
    (c) Camera dei deputati

  • Als der 5-Sterne-Abgeordnete Leonardo Donno dem Minister für regionale Angelegenheiten und Autonomien, Roberto Calderoli, ein italienische Flagge übergeben will, wird er von mehreren Parlamentariern der Regierungsmehrheit angegriffen und zu Boden gestoßen. Es kommt zu Schlägen und Tritten. Der 38-jährige Donno muss schließlich im Rollstuhl aus der Aula gebracht und verarztet werden.
    Am Mittwochabend versenden der SVP-Kammerabgeordnete Manfred Schullian und die SVP-Senatorin Julia Unterberger eine gemeinsame Presseaussendung. In den wenigen Zeilen heißt es unmissverständlich: 

    Es ist ein obszönes Spektakel, wenn einige Mitglieder der Mehrheit zuerst das Zeichen der X Mas machen und dann einen Oppositionsabgeordneten körperlich angreifen. Das alles ist inakzeptabel und eine schreckliche Visitenkarte für Italien am Vorabend des G7-Gipfels.“

  • Linke Provokation

    Klare Worte, die aber auf das Missfallen des SVP-Obmannes treffen. Nach Informationen von SALTO versucht Dieter Steger per SMS den Vorsitzenden der gemischten Fraktion in der Kammer, Manfred Schullian, unmittelbar nach dieser Stellungnahme zurückzupfeifen. „Dir ist schon klar, dass der Minister bedroht wurde“, erklärt Dieter Steger in seiner Nachricht.
    Das Narrativ der SVP-Obmannes: Das Ganze sei eine „linke Provokation“, auf die die SVP sich nicht einlassen soll.
    Genau diese These wird zwei Tage später dann auch in den Dolomiten groß wiedergegeben. In dem Artikel mit dem Titel „Ärger in der SVP über Parteinahme“ wird darüber berichtet, dass in der SVP wegen der Stellungnahme des Duos Unterberger/Schullian der Haussegen „wieder schief hänge“.

  • SVP-Kammerabgeordnete Renate Gebhard: Zeugin gegen den eigenen Fraktionsvorsitzenden. Foto: Othmar Seehauser
  • Dieter Steger und Renate Gebhard erklären dem Tagblatt der Südtiroler den wahren Sachverhalt so: „Die einen haben provoziert und die anderen haben sich provozieren lassen. Und sind sich gegenseitig nicht schuldig geblieben.“
    Der Artikel ist aber auch mit einem Vorwurf garniert, der einem Frontalangriff auf die beiden SVP-Parlamentarier gleichkommt: „Dabei waren Unterberger und Schullian gar nicht anwesend, als die Fäuste flogen“.
    Renate Gebhard und Dieter Steger hingegen hätten das Schauspiel live miterlebt. Demnach können nur sie wirklich beurteilen, was passiert ist.
    Klarer kann man die eigenen Parteikollegen wohl kaum öffentlich abwatschen.

  • Linie aufdrücken

    Der Sinn und der Hintergrund der Übung sind klar. Dieter Steger will jede Kritik zur Verfassungsreform im Keim ersticken. Seine Angst: Diese Gangart könnte jenen Kuschelkurs in Richtung Meloni gefährden, den der SVP-Obmann und seine Getreuen nicht nur in Sachen Verfassungsreform in Rom zugesagt haben
    Die öffentliche Inszenierung und die klare Distanzierung von den Kritikern in den eigenen Reihen sollen das Terrain für die Absegnung dieses Kurses am Montag im SVP-Parteiausschuss vorbereiten. Doch das wird nicht so einfach sein.

  • SVP-Abgeordneter Manfred Schullian: „Die Degradierung des Staatspräsidenten zum Notar kann von uns auf keinen Fall gutgeheißen werden.“
  • Dass die Reform eine Umstellung des Staates bedeutet und die Gleichgewichte durcheinanderbringt, dürfte wohl allen klar sein“, sagt Manfred Schullian zu SALTO. Der Kalterer Kammerabgeordnete kann mit Teilen dieser Reform leben. Mit anderen aber nicht. „Die Degradierung des Staatspräsidenten zum Notar kann von uns auf keinen Fall gutgeheißen werden“, kritisiert Schullian das Regierungsvorhaben.

    Es ist der Versuch, jene SVP-internen Stimmen zum Schweigen zu bringen, die sich kritisch gegen Melonis Umbau des italienischen Staatsgefüges aussprechen.

    Ebenso kritisch ist Julia Unterberger. „Mir ist klar, dass es auf der Sitzung der Parteileitung darum geht, mir und Manfred diese Linie aufzudrücken“. Die Meraner SVP-Senatorin will aber auf der Sitzung ihre Argumente vorbringen. Dabei weiß das Duo auch, dass viele unterm Edelweiss ähnlich denken. 
    Denn die Kritik am SVP-Obmann und seiner Gangart nimmt SVP-intern täglich zu. 
    Auch deshalb dürfte es kein Zufall sein, dass in der Einladung zur Sitzung am Montag  folgender Zusatz zum Tagesordnungspunkt Verfassungsreform steht: „(ev. Beschlussfassung“).