Chronik | Guest Cards

Es lebe die RittenCard

Die Vorteile der RittenCard scheinen schier endlos. Aber warum gelten sie nur für Touristen und nicht auch für uns Einheimische?
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
  • Sollten Sie irgendwann in den Genuss kommen auf dem wunderschönen Ritten in einem Beherbergungsbetrieb zu nächtigen und sollte dieser Betrieb ein Partnerbetrieb des Tourismusverbandes sein, wird man Ihnen zusammen mit dem Zimmerschlüssel eine kleine Karte in die Hand drücken. Bunt und unscheinbar, in plastifiziertem Karton verarbeitet wirkt sie recht einfach, aber diese Karte hat es in sich.

    Die Vorteile, welche aus der RittenCard entstehen, scheinen schier endlos! Von der uneingeschränkten Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel in ganz Südtirol, über freie Eintritte ins öffentliche Schwimmbad, ins Eisstadion, oder in rund 90 Museen, Schlösser und Sammlungen, bis zu einer unentgeltlichen Fahrt mit der Bergbahn Rittner Horn und von zahlreichen weiteren Ermäßigungen und Befreiungen kann der Besitzer dieser magischen Card tagtäglich profitieren.

    Das klingt traumhaft! Und das Alles inbegriffen im Zimmerpreis der Partnerbetriebe? Also, den Touristen bei uns geht es gut!

    Jetzt mal ganz ehrlich: Waren Sie jemals im Urlaub an einem Ort, an dem es so etwas gab? Ich bisher leider noch nicht! Vielleicht bin ich zu wenig gereist, oder in die falschen Länder. Auf jeden Fall hat so etwas Seltenheitswert.

    Natürlich macht es Sinn Touristen mit solchen Angeboten zu uns zu locken, der Effekt der Ritten Card ist unübersehbar, davon zeugen die vollen Betten in den neu aus/gebauten Prachthotels der Gemeinde und die Heerscharen von Besuchern, die den schönen Ritten fluten. Zum Glück lassen die meisten von Ihnen ihre Autos dank der Ritten Card stehen und fahren mit dem Bahnl (Rittner Zugele). Stellen Sie sich vor, alle Touristen wären mit dem Auto unterwegs. Unvorstellbar bei dieser Anzahl. Das Bahnl fällt als Infrastruktur zur Touristensaison dann praktisch aus, ebenso sind die Wartezeiten an der Umlaufbahn nach Bozen zu gewissen Uhrzeiten in beide Richtungen horrend. An eine “Vorzugsspur” für Einheimische oder zumindest für Pendler hat leider niemand gedacht.

    Aber, man kann nicht leugnen, dass die öffentlichen Infrastrukturen sehr gut ausgelastet werden und dadurch viel Verkehr eingespart wird.

    Allein schon aus diesem Grund kann man der Ritten Card ihre Berechtigung nicht absprechen. Wie käme man auch dazu?

    Da wäre dann aber noch diese eine Sache. Nämlich, dass der gemeine Rittner Bürger keine Ritten Card besitzt, dafür aber einen Südtirol Pass. Für den er aber bezahlen muss, sogar schon 20€ für die bloße Aktivierung. (Warum muss die RittenCard nicht aktiviert werden?) Entgegen der Annahme der meisten Touristen, dass die Rittner ebenfalls ein Anrecht auf das tolle Gratisangebot haben, müssen dessen Bewohner standesgemäß für die Benutzung aller Infrastrukturen bezahlen. So wie es sich gehört.

    Und der Südtirol Pass gilt auch nur für die öffentlichen Verkehrsmittel. Wie enttäuschend, keine gratis Museen und Schwimmbäder. Nicht einmal eine gratis Bergfahrt ist drin. Stattdessen bezahlt man für eine Fahrt mit der öffentlichen Umlaufbahn von Oberbozen nach Bozen satte 4,23€. Nur wenn man regelmäßig fährt, werden die Fahrten proportional billiger (ab 1000 absolvierten km; für eine Fahrt werden 35 km gutgeschrieben, danach verringern sich die Kosten exponentiell zu den gefahrenen Kilometern).

    4,23€ x 2 macht 8,46€. Dafür fahre ich mit meinem Toyota Yaris locker nach Bozen und wieder hoch, bringe an die 900 Kg Umweltbelastung den Berg runter und wieder rauf! Zum Glück bin ich umweltbewusst und verzichte auf mein Auto, aber finanziellen Anreiz hätte ich keinen. Vielleicht funktioniert das mit dem Umweltbewusstsein aber auch nur bei Touristen...

    Nun wird man sich natürlich fragen, wer das denn alles bezahlt.

    Ganz einfach. Für jede ausgegebene RittenCard - ob diese benutzt wird oder nicht, macht keinen Unterschied - werden 0,50€ + Mwst. in einen Fond einbezahlt. Dieses Geld (334.854 Übernachtungen im Jahr x 0,50+ Mwst.) wird dann an die STA überwiesen, diese wiederum leitet es an den Landeshaushalt weiter.

    Sie werden sich fragen, ob dieses Geld denn ausreicht um die angefallenen Kosten der durch Touristen benutzten öffentlichen Verkehrsmittel zu begleichen, allerdings gibt es darauf keine Antwort.

    Wenn eine RittenCard abgestempelt wird, generiert sie keinen Wert, das Abstempeln nutzt einzig als Verteilungsschlüssel des Pauschalbetrages. Wahrscheinlich verkauft das Land die Dienstleistungen der öffentlichen Verkehrsmittel weit unter Wert und würde der reale Preis für jede Fahrt berechnet werden, würde bedeutend mehr Geld in den Landeshaushalt fließen. Aber das sind reine Mutmaßungen, denn der reale Wert in €, den die Touristen an Dienstleistungen durch die RittenCard oder alle anderen Südtirol Guest Cards produzieren, wird nicht errechnet. Interessiert keine Sau. Deshalb muss der Südtiroler beim Entwerten seines Südtirol Passes die Endstation eingeben, die RittenCard piept und das war´s. Das heißt aber auch, dass der Rittner 4,23€ für eine einfache Fahrt nach Bozen bezahlt, während der Höchstpreis der touristischen Fahrt 0,50€+ Mwst. oder ein Bruchteil davon ist, je nach dem ob der Tourist am selben Tag auch noch mit anderen Verkehrsmitteln fährt, oder nicht. Denn dann werden die 0,50€+ Mwst. auf diese proportional aufgeteilt.

    Die Dienstleistungen der Bergbahn Rittner Horn, der Schwimmbäder, des Eisrings, der Museen und Sammlungen werden hingegen mit der Ortstaxe beglichen. 2,50€ pro Übernachtung garantieren den Touristen eine kostenfreie Bergfahrt, freie Eintritte und viel Spaß. Auch dieser Betrag wird auf den Zimmerpreis aufgerechnet. Zusätzliche Kosten werden durch weitere Preiserhöhungen von den Betrieben getragen.

    Für die Bergfahrt auf die Schwarzseespitze zahlt der Rittner Bürger den tatsächlichen Preis, also 11,50€, eine RittenCard erzielt einen Höchstpreis von ca. 6,00€, der proportional weniger wird, wenn die Touristen auch ins Schwimmbad oder ins Museum gehen, denn dann wird der eingezahlte Gesamtbetrag zwischen den touristischen Infrastrukturen aufgeteilt.

    Natürlich kann man hinterfragen, warum die Touristen in Südtirol so wenig für die mit Steuergeldern gebauten Infrastrukturen bezahlen müssen. Eigentlich hört man ja immer wieder Begriffe wie Overtourism, oder Ausverkauf der Heimat. Durch das Südtirol Guest Card- System werden sicherlich mehr Touristen angelockt als vertrieben, vor allem auch weniger gut gestellte Touristen, welche das Gratisangebot sicherlich gutheißen. Wollte die Politik eigentlich nicht die zahlungskräftigeren Touristen anlocken?

    Aber primär muss die Frage unbedingt lauten: Warum gehen die Südtiroler leer aus? Und warum bezahlen sie unterm Strich mehr als Touristen? Und weshalb gibt es diese tollen Angebote nur für Touristen? Wäre es nicht an der Zeit sich Gedanken darüber zu machen, die Südtiroler Bevölkerung unentgeltlich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu lassen, wie es beispielsweise bereits in Luxemburg und Estland der Fall ist und ab September auch in Spanien so sein wird?

    Würde man dem Ritten oder auch ganz Südtirol einen Slogan geben müssen, fällt mir spontan dazu ein: Tourist first. Ganz nach Donald Trump.