Umwelt | Pestizide

Malser Nervenkrieg

Morddrohungen, Verwüstungen und nun eine Klage: Warum es in Mals laut dem Frontmann der Pestizid-Volksbefragung Johannes Unterpertinger nun auch um die Demokratie geht.

Eigentlich hat Johannes Fragner-Unterpertinger gedacht, bereits alles Erdenkliche hinter sich zu haben. Morddrohungen, die Schändung des Familiengrabes, die Verwüstung des Familiengartens: Der Apotheker von Mals und Sprecher des Promotorenkomitees für eine Volksbefragung zahlt einen hohen Preis für seine klare Positionierung in der emotionsgeladenen Diskussionen über den Pestizideinsatz im Oberen Vinschgau. Kurz vor dem Start der Volksbefragung am 22. August folgte am vergangenen Freitag jedoch die nächste Attacke im Malser Nervenkrieg: Eine Klage vor dem Landesgericht Bozen, deren Klageschrift dem Apotheker ebenso wie der Gemeinde und der Gemeinde-Kommission für die Volksabstimmung zugestellt wurde.

Der Gegenstand? Das bevorstehende Referendum, gegen das laut Unterpertinger in der Klageschrift auf vielen Seiten Argumente und bewertende  Aussagen vorgebracht werden. Auf welchem Straftatbestand die Anklage beruht, bleibt zumindest dem Sprecher des Promotorenkomitees unklar. Genauso wie die Tatsache, wieso zumindest einige der rund hundert BürgerInnen, die darin als Kläger angeführt sind, aus allen Wolken gefallen sind, als sie der Apotheker auf die Klage angesprochen hatte: „Sie hatten keine Ahnung dass ihre Unterschrift für eine Klage verwendet wurde, sondern dachten, dass es dabei nur um eine Unterschriftensammlung geht“, erzählt Fragner-Unterpertinger.

Zehnjähriger Kampf

Ein weiteres Stück für das umfangreiche Archiv, das der Malser seit mittlerweile zehn Jahren über seinen Kampf gegen den Pestizideinsatz führt. Ein Kampf, der sich mit der schrittweisen Ausbreitung des Obstanbaus im Oberen Vinschgau intensivierte – und spätestens seit dem 31. März 2012 eskaliert ist. Damals, erzählt Johannes Fragner-Unterpertinger, hatten Vertreter des lokalen Bauernbunds, des Beratungsringes und der Laimburg ein Treffen mit den Pestizid-Gegnern platzen lassen. „Man hat sich geweigert, überhaupt mit uns zu reden.“ Für den Sprecher des Promotorenkomitees war das der Wendepunkt, der schließlich zur nun bevorstehenden Volksabstimmung führen sollte. „Damals kamen auch die Urteile zu Malsosco heraus und wir haben verstanden, dass wir mit Flehen und Reden nicht mehr vom Fleck kommen.“

Eine Antwort, die auch Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler zu hören bekam, als er dem Promotorenkomitee noch vor wenigen Wochen versprach, ein neues Gesetz zum Pestizideinsatz zu machen wenn im Gegenzug das Referendum abgeblasen würde. Zu spät sei dieses Versprechen gekommen, nach all den Jahren des Kampfes  gegen die Schädigung von Gesundheit und Umwelt, die laut dem Promotorenkomitee der Malser Volksbefragung durch die kilometerweite Abdrift der chemisch-synthetischen Pestizide und Insektizid entsteht. Was nun für Johannes Fragner-Unterpertinger mehr als alles andere zählt, ist das Ergebnis der Befragung. „Wenn die Mehrheit der Bevölkerung sagt, ich kann damit leben, dass bei einigen der verwendeten Spritzmittel der wissenschaftliche Verdacht besteht, dass sie gesundheitsschädlich, hormonstörend und erbgutschädigend sind, dann bin ich Demokrat und die Sache ist erledigt“, sagt er. Bis dahin, könne er jedoch nicht schlafen, wenn er nicht sein Möglichstes zur Verhinderung einer solchen Gesundheitsschädigung unternehme.

"Wir widerstehen"

Wie heftig die Obstbau-Lobby darauf reagiert, verwundert selbst einen Menschen, der, wie Unterpertinger von sich selbst sagt, „vor nichts und niemanden Angst zu haben“. Solidarität mit dem kämpferischen Apotheker zeigen angesichts der jüngsten Vorfälle auch die Landesgrünen oder  Kammerabgeordneter Florian Kronbichler: „Die Vorgangsweise hat System: den Kopf der Bewegung kriminalisieren, mit Schadenersatzdrohungen mürbe machen, die Basis verunsichern, schließlich die Initiative zum Abblasen reifschießen“, postete er am Wochenende auf Facebook, wo er den „Nervenkrieg“ in Mals klar verurteilte.

Zumindest bislang ist bei Johannes Fragner-Unterpertinger  noch kein Anzeichen von Mürbheit zu erkennen: „Die Boykotteure der Volksabstimmung, die zum Teil in Mals und zum Teil in gewissen Landhäusern und Verbandszentralen sitzen, sollen wissen: Wir widerstehen“, lautete seine Reaktion auf die Klage Ende vergangener Woche. Klar ist für ihn, dass sein jahrlanger Kampf nun eine neue Dimension bekommen hat. „Hier geht es längst nicht mehr nur um Pestizide, hier geht es mittlerweile auch um demokratische Gepflogenheiten.“