Armer Poet, reiche Fantasie?
-
„Was kann literarische Abrechnung mit der ungerechten Wirklichkeit sein? Was und wie schreiben und denken gegenwärtige Schriftstellerinnen und Wissenschaftler dazu?“, solche und ähnliche Fragestellungen - wie auch der Begriff Gerechtigkeit - sollen von Donnerstag, bis Samstag am Schallerhof in Lana im Vordergrund stehen, wenn von Donnerstag 29. August bis Samstag 31. August die jährlichen Literaturtage stattfinden. Doch nicht nur über den alten, angestammten Platz darf man sich freuen, sondern auch über diverse neue Gäste aus Wissenschaft und Literatur: „Fragen ist immer erlaubt“ ist der Titel der Eröffnungsrede der Österreichischen Autorin Marlene Streeruwitz und es soll erlaubt bleiben. Zu Gast werden auch der Soziologe Klaus Dörre und die Historiker Andreas Peters und Hans Heiss sein. Radka Denemarkovà und Magdalena Schrefel, sowie Ingo Schulze sind geladene Autorinnen und mit Übersetzungen und Moderation werden Ernest Wichner und Stefano Zangrando beauftragt. Abrundender Abschluss ist im Kafka Jahr um dessen hundertsten Todestag eine Lektüre von Erzählungen des literarisch um Gerechtigkeit bemühten Meraner Kurgastes, die der Schauspieler Ulrich Matthes übernimmt.
„Der Kampf um das freundlichfriedliche Demokratische muss uns jene Autonomie verschaffen, aus der heraus wir sagen können, wir hätten selbst gelebt und waren nicht gelebt worden.“, meint die durchaus streitbare und gegenüber des Corona-Managements der Österreichischen Regierung ausgesprochen kritische Essayistin und Schriftstellerin, die derzeit für Frieden im Russischen Angriffskrieg plädiert.Nach der Eröffnungsrede am Vorabend um 20 Uhr laden die Literaturtage am Freitag zu einem üppigeren Tag: Zwei Lesungen mit Gespräch und ein Referat stehen am Programm. Letzteres hält Klaus Dörre - Hans Heiss moderiert - und steht unter dem Motto: „Demobilisierte Klassengemeinschaft?“. Dörre fragt, angesichts europäischer und globaler politischer Trends, wie es sein kann, dass bei zunehmender Ungleichheit sich immer mehr Arbeiter:innen vom rechten Rand politisch repräsentiert sehen. Beginn um 18 Uhr. Eine Stunde zuvor präsentiert Magdalena Schrefel ihren 2022 bei Surkamp erschienen Roman „Brauchbare Menschen“, dessen Figuren Arbeiter:innen im Spätkapitalistischen System sind, von der Sexarbeit bis in die Fleischfabrik (Moderation: Ernest Wichner). Tag zwei beschließt Ingo Schulze, der „Zu Gast im Westen. Aufzeichnungen aus dem Ruhrgebiet“ in den Süden mitbringt und ab 20 Uhr präsentiert. Bei dem 2024 bei Wallstein erschienen Buch handelt es sich um das Ergebnis einer Zeit als Gast im Westen, von Oktober 2022 bis März 2023, in der Schulze einer einfachen Devise folgte: „Wenn mich jemand einlud, bin ich hingegangen.“ Eine weit weniger durchdachte Riege an Orten, Sujets und Personen findet so ihren Eingang in literarisches Schreiben, wo sie geordnet und collagiert wird.
Den dritten und letzten Tag beginnen die Literaturtage Lana mit 10.30 Uhr vergleichsweise früh. Der literarische Samstag beginnt dann mit einem zwölfminütigen Kurzfilm von 1993: In Marcel Łozińskis „89 mm od Europy“ spielt der Regisseur mit den Inkompatibilitäten und Unterschieden zwischen Ost und West, wo weder Zelluloid noch Bahnschienen eine einheitliche Breite haben. Nach den Bahn- und Filmspuren begibt sich Andreas Petersen in seiner Buchvorstellung (Moderation: Ernest Wichner) auf die Spuren des Unbewussten. „Der Osten und das Unbewusste. Wie Freud im Kollektiv verschwand“, heuer bei Klett-Cotta verlegt, folgt, über die anfängliche Förderung der Tiefenpsychologie in der Sowjetunion, durch die Tabuisierung des Unbewussten bis 1989, hinein in die Gegenwart und zu den Spätfolgen.
Schlag 12 Uhr steht dann eine Reise an, die, aus europäischer Sicht noch weiter in den Osten, nach China führt: Radka Denemarkova liest aus „Stunden aus Blei“ (Hoffmann & Campe Verlag, 2022) und spricht mit Christine Vescoli zu ihrem Werk über das Land, das sie nicht mehr betreten darf. Europäer auf der Suche nach sich selbst treffen im Roman in Hongkong auf Dissidenten auf der Suche nach Gerechtigkeit.
Wem das noch nicht gereicht hat, der mag am Abend noch einmal wiederkommen, wenn die Kafka Lesung von Ulrich Matthes, ab 20 Uhr, hoffentlich den „gerechten“ Schlusspunkt setzt.
"Armer Poet, reiche…
"Armer Poet, reiche Phantasie?"
Im Allgemeinen sind es nicht Jene, die mit oft fiesen Machenschaften eine dicke Scheibe ab zu schneiden im Stande sind, "in der Literatur + Kunst für künftige Generationen Verwertbares schaffen!"