Partnerschaften müssen warten
In der Gemeinderatssitzung von Kaltern am Montag, 18. August 2014, gab es neben der Abstimmung über den Ausschluss von Robert Sinn aus dem Gemeindeausschuss ein weiteres brisantes Thema. Die Kalterer Dorfliste will die „unione civile“ in Kaltern einzuführen. Es geht um ein Register im Meldeamt der Gemeinde, worin sich homosexuelle Paare ohne Trauschein als "de facto" eintragen können sollen. salto.bz hat mit Harald Weis von der Dorfliste gesprochen.
Warum hat die Dorfliste diesen Antrag gestellt?
In der heutigen Gesellschaft tendieren die Menschen immer mehr dazu, eine Partnerschaft ohne Ehe zu führen. Viele wollen oder aber dürfen nicht heiraten. In den meisten EU-Ländern gibt es für gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit der eingetragenen Partnerschaft. Dazu gehören alle EU-Gründungsstaaten, außer Italien. Deshalb „verpartnern“ sich viele außerhalb des Landes und klagen vor Gericht – mit Erfolg! In den meisten Fällen wird den Paaren Recht gegeben.
Welche Möglichkeiten gibt es für gleichgeschlechtliche Paare in Italien?
In Italien übernehmen die Gerichte immer mehr die Aufgaben des Parlaments. Laut italienischem Melderecht kann man auf dem Familienbogen angeben, ob man verheiratet, verwandt oder „legati da vincoli affettivi“ sprich „gefühlsmäßig verbunden“ ist und zwar geschlechtsunabhängig. In vielen Gemeinden gibt es ein neues Melderegister, welches diese Bestimmung anführt. In Rom, Mailand und anderen großen Städten Italiens gibt es die „unioni civili“, nicht so in Südtirol. Ein gemeinsamer Meldebogen hat vor allem symbolischen Charakter, die Beziehungen wären aber auch erstmals von einem Amt bestätigt. Es fällt in die Zuständigkeit der Gemeinden, Partnerschaften anzuerkennen.
Welches Ergebnis erhofft sich die Dorfliste?
Der Antrag wurde von uns hier in Kaltern vor 14 Tagen eingereicht, am Montag hätte darüber abgestimmt. Wir haben aber mit der Vertagung gerechnet. Statt einer Abstimmung wurde entschieden, dass eine Arbeitsgruppe gebildet werden soll. Es heißt ja nicht umsonst: „Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann bilde einen Arbeitskreis“. Spätestens im Oktober sollte es nun zu einer Entscheidung kommen. Entscheidend aber wird die Mehrheit der Anwesenden sein, ob es dann gelingen wird.
Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann bilde einen Arbeitskreis.
Wieso stellt die Dorfliste gerade jetzt diesen Antrag?
Schon 2001 gab es einen ähnlichen Antrag der Dorfliste. Ein freiwilliges Register mit reinem Symbolcharakter sollte eingeführt werden, wie es das heute in Bozen bereits gibt. Den Stein erneut ins Rollen gebracht hat ein Antrag zweier Italiener, die im Dezember 2012 in New York geheiratet hatten. Im April 2014 wurde ihre Ehe vom Zivilgericht in Grosseto anerkannt und somit ein Präzedenzfall geschaffen. Die Gemeinde musste die Ehe daraufhin ins Eheregister eintragen. In Italien gibt es die verschiedensten Formen der Partnerschaft, aber nichts ist geregelt. Prozesse müssen die betroffenen Paare mit ihrem eigenen Geld führen. Kaltern könnte als gutes Beispiel vorangehen.
Die Bürgermeisterin Gertrud Benin Bernard verwies bei der Gemeinderatssitzung auf die Entscheidung des Ausschusses, eine Arbeitsgruppe einrichten zu wollen. Man müsse sich zuerst in das Thema einarbeiten, um die Entscheidungsgrundlage zu schaffen, den Antrag annehmen oder ablehnen zu können. Die Dorfliste konnte eine Einigung erreichen, nach der die Arbeitsgruppe innerhalb spätestens Jänner 2015 einen Vorschlag ausgearbeitet haben muss.
Ich finde die Initiative gut
Ich finde die Initiative gut und wertvoll. Sie u. a. auch Symbol-wert. Ich finde es nicht schlimm, dass sich der Gemeindeausschuss erst einarbeiten und mit der Materie auseinandersetzen will - ich glaube die Auseinandersetzung ist sogar notwendig.
Eine Bemerkung zum Foto: genau wie "Stol" habt auch ihr ein Foto von einem Männer-paar gewählt. Eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft kann aber genau so auf zwei Frauen zutreffen!