US Wahl 24
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Politik | Fritto misto

Make Assholes Great Again

Südtiroler Rechte bejubeln Trumps Wahlsieg: Ein Contest der Peinlichkeiten.
  • Man hatte den ausgespuckten Kaffee am vergangenen Mittwochmorgen noch gar nicht aufgewischt, da folgte schon die nächste Unappetitlichkeit: Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass Trump wieder ins Weiße Haus einzieht, mussten Exponenten der Südtiroler Rechten noch die Ekelkirsche auf der Torte des Grauens liefern. Euphorisch, ausgelassen, ja im besten Falle naiv beklatschten die üblichen Verdächtigen den Triumph des Orangen: Anna Scarafoni von den Fratelli freute sich am Morgen nach den US-Wahlen auf Facebook über einen „magnifico risveglio“. 

  • Anna Scarafoni: Die Landtagsabgeordnete von FdI freute sich am Morgen nach den US-Wahlen auf Facebook über einen „magnifico risveglio“. Foto: Südtirol Blinddates

    Freiheitlichen-Obmann Roland Stauder, in der jüngeren Vergangenheit bereits öfter mit übersprudelnden Wortmeldungen zum Siegeszug der europäischen Rechtspopulisten auffällig geworden (den Erfolg des Rassemblement National nannte er eine „Sternstunde der Demokratie“), ließ sich zu der Gaga-Aussage hinreißen, er setze „große Hoffnungen in die Fähigkeit und Entschlossenheit des neuen Präsidenten, internationale Krisen zu beenden“. Fähigkeit? Ich meine, wir reden von Trump: Einem Mann, der sein Klo mit vertraulichen Dokumenten verstopft hat. Im Landtag fühlte sich an jenem Mittwoch Bernhard Zimmerhofer von der Südtiroler Freiheit apropos gar nichts bemüßigt, die Anwesenden über seinen Gemütszustand zu informieren: Er habe eine lange Wahlnacht hinter sich, verlautbarte er mit gewichtiger Miene; ganz so, als hätte er höchstpersönlich den Einzug ins Weiße Haus geschafft (nun ja gar keine so abwegige Vorstellung mehr): Trumps Sieg sei eine „Chance für Europa“. Den Vogel verlässlich abgeschossen hat aber wieder einmal Otto Mahlknecht von den Freiheitlichen: Mit rotem MAGA-Käppi bewehrt, comme il faut für einen eingefleischten Trumpianer, reckte er auf Instagram glückselig den Daumen hoch und ließ wissen, das sei ein „sensationeller, großartiger Sieg, vor allem für die Demokratie“. 

     

  • Donald Trump: Vor Kurzem erneut zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Foto: upi
  • Nun kann man mir freilich Kleinlichkeit und Missgunst vorwerfen: Nur weil ich mit Trump nicht happy bin, milde ausgedrückt, darf sich kein anderer über seinen Erfolg freuen? Nur weil ich mit seiner Politik nicht d’accord gehe, freundlich formuliert, werden Politiker*innen abgewatscht, die da weniger Bedenken haben? Nun, so einfach ist es nicht. Hier geht es um mehr als eine bloße Geschmackssache. Halten wir fest: Mit Trump kehrt ein Individuum ins Zentrum der Macht zurück, dessen Vergehen keine lässlichen Jugendsünden sind. Wegen der Verschleierung von Schweigegeldzahlungen an eine Porno-Darstellerin wurde er verurteilt, andere Strafverfahren laufen noch (und er wird alles daran legen, sie jetzt einstellen zu lassen): Wegen seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol, (5 Tote, zahlreiche Verletzte), den er wohl als Staatsstreich angelegt hatte, weil er unrechtmäßig eine große Anzahl an geheimen Dokumenten an sich genommen hat, weil er 2020 versucht hat, das Wahlergebnis in Georgia mit nicht fundierten Betrugsvorwürfen zu kippen. Daneben haben wir noch Trumps zivilrechtliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs, zahlreiche Vorwürfe der Vergewaltigung und der sexuellen Übergriffe, die Verurteilung seines Immobilienkonzerns wegen Steuerbetrugs, seine menschenverachtenden Aussagen und Androhungen gegenüber Frauen, Immigranten, der LGBTQ-Community, Menschen mit Beeinträchtigung, Journalisten, etc., seine zutiefst anti-demokratische Haltung und autoritären Tendenzen, seine gefährliche Nähe zu Diktatoren, sein dubioses Techtelmechtel mit Tech-Milliardär Elon Musk und und und. Kein Wunder, dass Vertreter des rechten Spektrums, die ihren moralischen Kompass noch bei der Hand haben, nicht darüber jubeln, dass diese Figur zurück ist, sondern auffallend still bleiben – und gut daran tun: Schließlich ist seine Biografie mit den von ihnen traditionell vertretenen christlichen Werten von Familie, Rechtschaffenheit, Redlichkeit nicht vereinbar. Dass Patrioten sich über den Erfolg von Patrioten freuen, ist nachvollziehbar. Dass dies aber ganz ohne einen Hauch von Kritik an einem mehr als nur zweifelhaften Protagonisten passiert, ist unverzeihlich. Die Schadenfreude über die Niederlage für die als so bedrohlich empfundene „Woke- und Cancel-Culture“ ist offenbar größer als die Bereitschaft zur Einsicht, welch dramatische Folgen Trumps Sieg für die Menschenrechte, die Umwelt, das Zusammenleben haben wird – nicht nur in den Vereinigten Staaten. Eine Kurzsichtigkeit und Naivität, mit der man eigentlich nicht auch noch hausieren gehen sollte.