Politik | Frauenhass

„Weil sie Frauen sind“

Italien ringt um strengere Gesetze gegen Frauenhass. Femizide nehmen zu, digitale Hetze boomt. Mit einem neuen Gesetzentwurf will Julia Unterberger die Lücke schließen.
Julia Unterberger
Foto: SVP
  • Der italienische Senat hat gestern (7. Mai) eine Frage diskutiert, die über nationale Grenzen hinaus Bedeutung hat: Wie lässt sich geschlechtsspezifischer Hass – besonders im Internet – wirksam bekämpfen? Anlass war eine Anfrage von Senatorin Julia Unterberger. Die Vorsitzende der Autonomiegruppe forderte angesichts alarmierender Entwicklungen eine gesetzliche Verschärfung. In ihrer Rede machte Unterberger die Dramatik deutlich: Allein in den ersten Monaten des Jahres 2025 wurden in Italien bereits 13 Femizide verübt – Frauen, die von (Ex-)Partnern ermordet wurden. Trotz zahlreicher Maßnahmen bleibe Gewalt gegen Frauen ein erschreckend virulentes Phänomen. Noch bedenklicher sei das gesellschaftliche Klima, das solche Taten begünstige. „Diese Notlage wird begleitet von wachsendem Hass auf Frauen, insbesondere im digitalen Raum“, so Unterberger mit Verweis auf die italienische Hate-Speech-Beobachtungsstelle laut der sich 2024 rund 50 Prozent der untersuchten Hassinhalte gegen Frauen richtete. 

  • Hass im Netz: Bestimmte soziale Räume propagieren die Überlegenheit des Mannes und sind ein gefährlicher Nährboden für Radikalisierung und Gewalt. Foto: Comitato provinciale comunicazioni

    Auffällig: Nach Femiziden nimmt die Zahl solcher Inhalte spürbar zu. Besonders problematisch sind dabei soziale Räume im Internet wie die sogenannten „Manosphäre“ und „Incel“-Foren, in denen Frauen pauschal abgewertet und für persönliche Krisen verantwortlich gemacht werden. „Diese Räume propagieren die Überlegenheit des Mannes und sind ein gefährlicher Nährboden für Radikalisierung und Gewalt“, warnte Unterberger. Juristische Schwierigkeiten bestehen bislang darin, dass bestehende Paragrafen gegen Verleumdung oder Bedrohung nicht greifen, wenn sich Hass gegen Frauen als Gruppe richtet, sprich: Wird eine Einzelperson angegriffen, sind Gegenmaßnahmen möglich, erfolgt ein genereller Angriff Frauen gegenüber, hingegen nicht.

    Unterbergers Gesetzentwurf zielt darauf ab, diese Lücke zu schließen: Die Artikel 604-bis und 604-ter des Strafgesetzbuchs, die derzeit rassistische und religiöse Diskriminierung erfassen, sollen um das Merkmal Geschlecht ergänzt werden. Unterberger verwies zudem auf die EU-Richtlinie 1385, die bis 2027 umgesetzt werden muss. Sie verpflichtet Mitgliedstaaten, strafrechtliche Sanktionen bei Hass und Gewaltaufrufen aufgrund des Geschlechts einzuführen. Während Länder wie Deutschland, Spanien und Frankreich bereits vorangegangen sind, hinkt Italien hinterher.

  • Femizid als eigener Straftatbestand: Gesetzesentwurf in Arbeit

    Ministerpräsidentin Giorgia Meloni stellte in ihrer Antwort klar: Der Schutz von Frauen sei für ihre Regierung prioritär. Sie verwies auf erhöhte Mittel für Frauenhäuser, erleichterte Wiedereinstiegsprogramme für Betroffene und verstärkte Aufklärung in Schulen. Zudem betonte sie die Bedeutung des Gesetzentwurfs 1433, der derzeit im Parlament liegt. Dieser soll Femizid erstmals als eigenen Straftatbestand verankern: „Wir tun das nicht, weil ein Männerleben weniger zählt, sondern weil zu viele Frauen sterben, nur weil sie Frauen sind.“ 

  • Giorgia Meloni: In ihrer Antwort stellte die Ministerpräsidentin klar, dass der Schutz der Frauen für ihre Regierung prioritäre Bedeutung habe. Foto: CARLO LANNUTTI
  • Mit der rechtlichen Anerkennung von Femizid als „Akt der Diskriminierung und des Hasses gegen Frauen“ soll nicht nur das Strafmaß verschärft, sondern auch ein gesellschaftlicher Wandel angestoßen werden. Meloni zeigte sich offen für Erweiterungen des Entwurfs, mahnte aber zur Vorsicht bei sogenannten „Meinungsdelikten“: „Die Grenze ist oft unscharf. Wir müssen genau abwägen, wie weit der Staat in die Meinungsfreiheit eingreifen darf.“ Gleichzeitig signalisierte sie Gesprächsbereitschaft: „Wir sind bereit, im Geist der Einigkeit an einem Gesetzesrahmen zu arbeiten, der Italien zum Vorreiter beim Schutz von Frauen macht.“

  • „Unverbindlich und enttäuschend“

    Senatorin Julia Unterberger: Hätte sich mehr von der Regierung Meloni erwartet. Foto: SVP

    Unterberger reagiert zurückhaltend auf Melonis Ausführungen. Gegenüber SALTO betonte sie, sie habe sich ein klareres Bekenntnis gewünscht. Ihr Gesetzentwurf, der geschlechtsspezifischen Hass – vor allem im Netz – unter Strafe stellen soll, wird von der gesamten Opposition (72 Senatorinnen und Senatoren) unterstützt. Die bisherigen Regierungsmaßnahmen seien zwar positiv, so Unterberger, doch fehle ein zentrales Element: ein Straftatbestand gegen die Verbreitung von Hass und Gewaltaufrufen gegenüber Frauen in digitalen Räumen. Während es für rassistische und religiöse Hassrede bereits gesetzliche Grundlagen gibt (etwa die Lex Mancino), bleibt die sexistische Dimension bislang ungeregelt. Ihre parlamentarische Anfrage zielte darauf ab, ob die Regierung bereit sei, diese Lücke zu schließen. Die Antwort der Ministerpräsidentin fiel jedoch vage aus: „Unverbindlich und enttäuschend“, fasste Unterberger zusammen.