Paolo Sartori
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Gesellschaft | Fritto Misto

Ave Quästor, abbandonati te salutant!

Sartori geht: Das Timing könnte besser nicht sein.
  • Als hätte Südtirol in diesen Tagen nicht schon genug emotional zu knabbern (Trikolore-Gate in aller Munde), trifft uns heute eine Nachricht, mit der man nun wirklich nicht gerechnet hat: Quästor Paolo Sartori wird uns verlassen, und das ruckizucki. Mit 1. Juni schon tritt er in Brescia an, sein Nachfolger ist bereits bestellt, aber dessen Namen wollen wir noch gar nicht wissen in diesem abrupten Abschiedsschock, den Sartori wie ein echter Player über uns gebracht hat. Man soll gehen, wenn es am schönsten ist, wenn sie dich am meisten lieben: Diese Weisheit weiß der Quästor im Unterschied zu einigen Lokalpolitikern zu seinem Vorteil zu beherzigen. 

    Vor etwas mehr als einem Jahr ist er angetreten und hat kundigen Blickes gleich tief in unsere hasenfüßigen Herzen geschaut: „La gente comune vuol vedere la polizia, vuol vedere le macchine della polizia, vuol vedere i lampeggianti accesi. Vuole innanzitutto sentirsi sicura, che ci sia qualcuno che si preoccupa di ciò.” Und: “Una volta vi era una certa corrispondenza tra percezione della sicurezza e sicurezza reale, adesso il divario è sempre più ampio. La popolazione è sempre più anziana: più si diventa anziani, più ci si sente insicuri. Si ha paura pure di vedere il postino che suona il campanello.” Viel Lärm um nichts also, keine brandschatzenden Terrorgangs, die es galt, in Schach zu halten; vielmehr erkannte er: Hier tut es not, die vom Wandel der Welt verschreckten Bürger und Bürgerinnen sanft an der Hand zu nehmen und in kuscheligem Wohlgefühl zu wiegen: Psch psch, alles ist gut, Paolo macht das. Paolo macht das Blaulicht an.

     

    Psch psch, alles ist gut, Paolo macht das. Paolo macht das Blaulicht an.

  • Wie Manna ließ er fortan Sartor‘sche Beruhigungspillen vom Himmel regnen: Die avvisi orali stiegen um 950 (!) % (von 14 im Jahr 2023 auf 147 2024), die vorher weitgehend unbekannten, dann schnell berüchtigten fogli di via obbligatori (Aufenthaltsverbote) um über 300 % (von 45 2023 auf 187 2024). Zunutze machte sich der Quästor dabei Anti-Terror- und Anti-Mafia-Gesetze, die aber weder gegen Terroristen noch gegen Mafiosi, sondern hauptsächlich gegen die öffentliche Ordnung störende extracomunitari oder Anarcho-Protestierer Anwendung fanden. 

    Gestört hat das wenige. Täglich gab es ein in den wunderbarsten Regenbogenfarben verfasstes Evangelium aus dem Polizeikommissariat darüber, welche Straftaten und Ärgernisse schon wieder sofort geahndet beziehungsweise präventiv im Keim erstickt worden waren, und das Land atmete auf. Dass es dabei auch mal den Obdachlosen trifft, der auf dem Gehsteig sein Breatl isst: Kollateralschaden. Dafür ging‘s bei den Pässen wieder schneller! An der Sinnhaftig- und Verhältnismäßigkeit der Aktionen zu zweifeln und am Lack zu kratzen, sich gar über die tägliche Frohe Botschaft aus der Quästur lustig zu machen, war weder genehm, es kam auch kaum jemandem in den Sinn. Dass es irgendwann (klar zu verurteilende) Morddrohungen gab gegen den Mann, der Bozen so schön einlullte in das ersehnte Sicherheitsgefühl, passt auch in die Heilsgeschichte: Wo ein Messias, da seine Feinde. Man verehrte ihn nur noch mehr.

     

    Man wird ihn vermissen, allen voran Ulli Mair, die mit ihm zumindest gedanklich ein dynamisches Duo der Verbrechensbekämpfung bildete.

     

    Nachweinen werden ihm viele jetzt, das Timing ist perfekt: Bevor sich die Kraft der fogli abnutzen und die Stadt als doch im Grunde recht fades Pflaster herausstellen kann, nimmt Sartori den Hut und geht als harter Durchgreifer. Vielleicht waren aber auch die mit eiserner Hand überwachten Maturabälle dann doch eine zu banale Station im Interpol/Terrorismus-CV. Man wird ihn vermissen, allen voran Ulli Mair, die mit ihm zumindest gedanklich ein dynamisches Duo der Verbrechensbekämpfung bildete. Allerdings lässt ein Post auf ihrer Insta-Seite drauf schließen, dass sie längst bereit ist, auch inszenatorisch in seine Fußstapfen zu treten: Als gestrenge Erzeugerin, Verwalterin und Bewahrerin unseres so sorgsam gehegten Sicherheitsgefühls.