Politik | Energie

Verschenkte Millionen

Die SEL muss der ENEL den Strom zu Produktionskosten verkaufen. Die Grünen haben jetzt nachgerechnet. Allein 2013 entgehen dem Land damit Einnahmen von 75 Millionen Euro.

Fragt man jene, die die Verträge unterzeichnet haben und die Berater, die Millionen-Honorare dafür bekommen haben, so sind es die besten Verträge, die jemals geschlossen wurden. Südtirols Opposition sieht das bekanntlich anders. Der grüne Landtagsabgeordnete Riccardo Dello Sbarba hat zusammen mit der Wirtschaftsberaterin Renate Holzeisen die zwischen 2008 und 2010 geschlossenen Verträge zwischen der SEL und der ENEL genau analysiert. Sein Resümee ist vernichtend: „Man hat vor allem den Südtiroler Steuerzahler ordentlich über den Tisch gezogen“.
Schaut man sich diese Verträge genauer an, so wird nicht nur Dello Sbarbas Kritik verständlich, sondern es wird auch klar, warum Land und SEL alles getan haben, dass diese Abmachungen nicht öffentlich werden und die Grünen die Einsicht in die Verträge vor Gericht erstreiten mussten.

Fragwürdige Praxis

2009 gründen SEL und ENEL gemeinsam die „SE Hydropower GmbH“, die zehn Südtiroler Großkraftwerke übernimmt. Das Unternehmen gehört zu 60 Prozent der SEL und zu 40 Prozent dem italienischen Stromriesen ENEL. In einem Zusatzvertrag mit dem Titel „Contratto di fornitura di energia elettrica off-take” wird vereinbart, dass der gesamte produzierte Strom von der ENEL übernommen und verkauft wird. Die ENEL zahlt laut Vertrag an die SE Hydropower aber nur die Produktionskosten des Stromes.
Es ist der erste Punkt, den die grünen Landtagsabgeordneten Riccardo Dello Sbarba, Brigitte Foppa und Hans Heiss jetzt in einer Landtagsanfrage aufgreifen. Nach dem italienischen Gesetz zum sogenannten „unbundling“ muss der Strom zum Marktpreis verkauft werden. Auch innerhalb von verbundenen Gesellschaften darf und kann es nicht zu Preisnachlässen kommen. Riccardo Dello Sbarba: „Nach unserem Verständnis verstossen dieser Vertrag und die Praxis gegen die staatlichen Bestimmungen“. Experten sprechen von einer verbotenen Unterfakturierung.

Die Einnahmen

Doch die Grünen legen mit ihrer Anfrage ihren Finger auch noch in eine andere Wunde. Die SE Hydropower hat laut eigener Bilanz im Jahr 2013 2.419.000 MWh Strom produziert und dafür von der ENEL 67.692.000 Euro bekommen. Umgerechnet sind das 28 Euro pro MWh. Das sind die reinen Produktionskosten.
Denn der Marktpreis mit dem die ENEL den Strom dann an der Strombörse weiterverkauft ist weitaus höher. Der „Prezzo Unitario Nazionale“ (PUN) lag 2013 bei 65,75 Euro pro MWh. Also mehr als doppelt so hoch, als die SEL-Tochter dafür bekommt.
Rechnet man das ganze um, werden die Dimensionen klar. Würde die SE Hydropower den Strom zu Marktpreisen verkaufen, hätte sie 2013 über 159 Millionen Euro eingenommen. Das sind mehr als 90 Millionen mehr als sie 2013 vom ENEL effektiv erhalten hat.
Damit würde sich der Bilanzgewinn 2013 der SEL-Tochter um 52 Millionen erhöhen. 32 Millionen davon stehen der SEL und damit der Südtiroler Öffentlichkeit zu.

Die Steuern

Diese Art der Verrechnung hat aber noch einen anderen entscheidenden Haken. Den großen Gewinn macht in diesem Geschäft die ENEL. Der italienische Stromkoloss hat seinen Sitz in Rom, wo auch die Steuern anfallen. Hätte die SE Hydropower den Stromverkauf zu Marktpreisen verrechnet, wären die Steuern aber in Südtirol angefallen. Die Grünen haben errechnet, dass dem Land zwischen IRAP, IRES, IVA und Robin Tax allein 2013 so über 47 Millionen Euro an Steuereinnahmen durch die Lappen gehen.

Die Abrechung 

Die Rechnung ist einfach: Aus den entgangenen Steuereinnahmen (43 Millionen) und den entgangenen Dividenden (32 Millionen) verliert das Land allein 2013 insgesamt 75 Millionen Euro“, sagt Riccardo Dello Sbarba.
Man darf gespannt sein, was der neue Energielandesrat Richard Theiner im Landtag antworten wird. Theiner hat bereits in RAI Südtirol zugeben müssen, dass die SEL durch diese Verträge gebunden ist.
Dabei könnte vor allem eine der von den Grünen gestellten elf Detailfragen besonders brisant werden. „Ist das ganze steuerrechtlich legal?“ wollen Dello Sbarba, Foppa und Heiss wissen.
Wetten, dass man hier keine Antwort bekommt.