Riskante Räder

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Der Radtourismus in Südtirol boomt – und damit auch die Zahl der Rettungseinsätze. „Wir haben in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme von Fahrradunfällen gesehen“, erklärt Thomas Mair, Ausbildungsleiter Technik im Landesverband der Bergrettung. Während es zwar einen generellen Anstieg der Rettungseinsätze zu verzeichnen gebe, hätten vor allem Mountainbike- und E-Bike-Unfälle stark zugenommen. Während 2014 noch 52 Radunfälle bei insgesamt 1029 Einsätzen registriert wurden (5 %), waren es 2024 bereits 146 bei 1606 Einsätzen (9 %). Damit gehören Radunfälle nach klassischen Wander- und sonstigen Notfällen zu den dritthäufigsten Einsatzursachen, beinahe eine Verdreifachung in zehn Jahren.
„Zu schnell in die Kurve, loses Geröll, das Vorderrad rutscht weg.“
Die Radunfälle wurden vom Bergrettungsdienst des AVS nochmals genauer unterteilt. Die Bilanz: 26 Downhill, 38 E-Bike, 68 Mountainbike und 14 sonstige Unfälle.
Mair weist jedoch darauf hin, dass die Zahlen nicht immer eindeutig seien: „Es kann sein, dass Mountainbike angegeben wurde, obwohl es eigentlich ein E-Bike war.“ Sein Eindruck: „Gefühlt müssten es mehr E-Bike- als Mountainbike-Unfälle sein.“
Hannes Silbernagl, Geschäftsführer des Vereins der Südtiroler Bike Guides, teilt diese Wahrnehmung, denn Bike-Verleihe oder Bike-Hotels hätten oftmals nur noch E-Bikes im Angebot. Alles andere sei mittlerweile eher ein Nischenangebot.
Mair ergänzt, dass oft nicht spektakuläre Stürze die Einsätze auslösen: Drei Viertel aller Unfälle passieren auf einfachen Forstwegen. „Zu schnell in die Kurve, loses Geröll, das Vorderrad rutscht weg, so sieht meistens die Realität aus.“ Besonders E-Bikes bergen ein Risiko. Die Motorunterstützung erleichtert zwar das Bergauffahren, erschwere vielen aber die Kontrolle in der Abfahrt.
Besonders E-Bikes bergen ein Risiko.
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Thomas Mair - Ausbildungsleiter Technik im Landesverband der Bergrettung: „Es ist eine Herzensangelegenheit. Wenn man viel in den Bergen unterwegs ist, weiß man, wie wichtig eine gut organisierte Rettung ist.“ Foto: privat
Prävention und richtige Ausrüstung seien entscheidend. Empfohlen werden Orientierungshilfen, Schwierigkeitsskalen für Wege und Ausbildung. Auch ein frühzeitiges Informieren bezüglich Wetter und Route sowie etwaige Schutzkleidung wie Helm und Protektoren seien zentral, um viele Verletzungen zu verhindern. Gerade Touristen unterschätzten die Gefahr. „Ohne Helm riskiert man Kopfverletzungen, die mit minimalem Aufwand vermeidbar wären,“ so Silbernagl.
Neben der Prävention ist auch die Rettungsorganisation von entscheidender Bedeutung. Über 1.000 Mitglieder des Bergrettungsdienstes des AVS und rund 800 des italienischen Alpenvereins CAI sichern die Versorgung in ganz Südtirol. Die Arbeit ist ehrenamtlich und kostenlos für die Unfallopfer, Spenden seien aber Willkommen. Helikoptereinsätze seien mit 140 Europ pro Minute kostenpflichtig, werden aber meist über Versicherungen oder Mitgliedschaften abgedeckt und liegen nicht im Aufgabenbereich der Bergrettung.
Die Belastung der Freiwilligen wächst durch den Anstieg der Unfälle. „Es wird schwerer, Leute zu finden, die von Arbeit und Familie weggehen können“, sagt Mair. Zwei Drittel bis drei Viertel der geretteten Patienten seien Touristen. „Wir sind fast so etwas wie ein Dienstleister des Tourismus.“ Silbernagl warnt davor, die Verantwortung allein auf die Bergrettung abzuwälzen. „Die Rettung ist die letzte Instanz. Viel wichtiger ist, dass wir Unfälle im Vorfeld vermeiden. Dafür brauchen wir Bewusstsein, Ausbildung und klare Regeln.“
Auch die Politik sei gefordert. Eine seit circa 15 Jahren bestehende Mountainbike-Vereinbarung zwischen dem Bauernbund und dem Landesverband der Tourismusvereine (LTS), erlaube zwar grundsätzlich die Nutzung von Wanderwegen für Radfahrer, sehe allerdings vor, dass nur Routen beworben werden dürfen, zu denen die Grundeigentümer ihr Einverständnis gegeben haben. Werbung und Beschilderung seien bei fehlendem Einverständnis untersagt. „Das hat damals funktioniert, heute mit der Masse an Radfahrern ist es ein schlechter Service und kann gefährlich werden“, erklärt Silbernagel.
„Was für einen guten Radfahrer leicht ist, kann für jemand anderen unmachbar sein.“
Gäste würden oft keine offiziellen Informationen erhalten, sondern seien auf unsichere Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten angewiesen. „Was für einen guten Radfahrer leicht ist, kann für jemand anderen unmachbar sein. Da fehlt eine verlässliche Einordnung.“ Hier brauche es neue und bessere Regelungen, um die Sicherheit der Wanderer und Fahrradfahrer zu gewehrleisten.
Immer wieder wird von Spannungen zwischen Wanderern und Radfahrern berichtet. Mair relativiert: „Besondere Vorfälle mit dokumentierten Unfällen haben wir nicht.“ Dennoch sei das Problem bekannt. Manche Regionen hätten bereits reagiert und bestimmte Wege für Radfahrer gesperrt. Gute Erfahrungen gebe es laut Mair etwa im Vinschgau, wo in gewissen Bereichen klare Absprachen gelten: „Da ist zum Beispiel bis zu einer gewissen Uhrzeit den Wanderern der Aufstieg vorbehalten, erst danach dann auch den Bikern.“
„Wenn die Menschen wissen, wie sie reagieren müssen, sind sie sicherer unterwegs und haben auch viel mehr Freude daran.“
Sicherheit entstehe nicht durch schnelle Verbote, sondern durch Bewusstsein, Training und gute Vorbereitung. Angemessene Ausrüstung, klare Orientierungshilfen und ein strukturiertes Wegenetz seien entscheidend. „Wenn die Menschen wissen, wie sie reagieren müssen, sind sie sicherer unterwegs und haben auch viel mehr Freude daran“, so Silbernagl.
Prävention, Ausbildung und Rücksichtnahme sind einige der Bausteine, die Radfahren und Wandern in Südtirol sicherer machen und zugleich den Naturgenuss erhöhen.
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Diese E-Bike Manie kennt…
Diese E-Bike Manie kennt keine Grenzen mehr! Denn damit kommen auch total unerfahrene Radler in große Höhen und stürzen dann in der Abfahrt. Und schmale alpine Wanderwege müssten sowieso sofort für Biker gesperrt werden!!
Ich bin kein Fan von…
Ich bin kein Fan von stickten Gesetzen und Regeln! Dabei bestraft man meist die, die wissen was sie können und wie man sich zu verhalten hat.
Wenn ich aber bedenke, was ich am Samstag mit dem MTB auf der Seiser Alm Richtung Durantal gesehen habe... Leider leider benötigen wir Regeln um Gäste und deren Kinder vor sich schützen. Angefangen beim Radverleih (es waren unzählige falsch eingestellte MTB (Sitzhöhe, Dämpfer, usw.) unterwegs), Helmpflicht und grundlängendes Verbot mit Kinderwagenanhänger über Stock und Stein zu fahren.
Ein Grundsätzliches Wanderwegeverbot wäre ein Witz... wer bestimmt was schmal ist und was nicht? Eine Büroangestellter der nicht mal Weiß was ein Rad ist?
Und wenn mir jetzt noch einer damit herkommt -> Erderosionen. Wie glaubt ihr, sind die Wanderwege entstanden? Auch hierbei handelt es sich um Erderosionen. Um Erderosionen zu vermeiden, müsste man die Maße steuern. Aber hier wehrt sich die Politik und der HGV/hds mit Händen und Füßen.
Und täglich grüßt das…
Und täglich grüßt das Murmeltier.
Die unerfahrenen Radler kommen mit dem Leihrad vom Hotel, haben keinerlei Ahnung vom richtigen Bremsen, Halten, Absteigen. Viel zu schnell, gebremst wird nur hinten. Fahrräder teilweise mit abgefahrenen Bremsen. Elektrische Hüterzäune und sogar Schranken werden übersehen. Dann die rasenden Rentner mit Warnwesten. Alles auf Turbo.
Keine überspitzte Polemik, nur Begegnungen der letzten 2 (Urlaubs)Wochen. Potentielle Kundschaft (leider) für die Bergrettung.
Mountainbiker (nicht Radfahrer am Berg, wie es kürzlich treffenderweise ein Bikeguide formuliert hatte), verletzen sich meines Erachtens auch nicht öfter als andere Bergsportler.
Noch was Konstruktives (umsetzbar): Flyer mit ausgewählten Routen, ausgeschildert, mit QR-code+Track, ausgelegt in jedem Bikehotel + Verleih. Verhaltensregeln drauf.
Nicht umsetzbar: Eignungstest bei Leihrädern, Pflichteinweisung min 15 Minuten minimum.
Nochwas für Franz Pattis. Berge gehören allen und niemandem. Als respektvollen langjährigen Mountainbiker sind mir Konflikte mit Wanderern (beinahe) ein Fremdwort, und wenn, dann (in meinem Fall) geht die Problematik vom Fußgänger aus.
Das ( ich zitiere Franz Pattis) : „Und schmale alpine Wanderwege müssten sowieso sofort für Biker gesperrt werden!!“ lässt leider kein friedliches Miteinander erahnen…..
Ich persönlich bevorzuge die gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt gegenüber Natur und Mitmenschen.
Antwort auf Und täglich grüßt das… von Capaldi
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