Politik | Interview

„Ich bin ein unbequemer Zeitgeist“

Ex-Grünen-Co-Chef Felix von Wohlgemuth kritisiert die Position von Brigitte Foppa zum Siegesdenkmal – ein klarer Bruch mit der Fraktionssprecherin der eigenen Partei.
Felix von Wohlgemuth
Foto: Pro Eppan Appiano
  • SALTO: Herr von Wolhgemuth, mit Ihrer Kritik am Siegesdenkmal haben Sie sich öffentlich gegen die Position der Südtiroler Grünen gestellt – wollen Sie die Partei verlassen?

    Felix von Wohlgemuth: Ich weiß nicht, ob die Grünen dazu eine Position haben oder Brigitte (Brigitte Foppa, Fraktionssprecherin der Grünen im Landtag, Anm. d. Red.). Es muss eine Partei aushalten, dass es verschiedene Meinungen gibt. Das Siegesdenkmal wird immer nur von den Rechten aufgegriffen, um auf beiden Seiten zu polemisieren. Eine vernünftige Stimme im Mitte-Links-Spektrum fehlt, die sich zur Zukunft des Denkmals äußert. 

     

    „Bei den Grünen gibt es die Realos und die Fundis, sie wird es auch immer geben.“

     

    Es erweckt den Eindruck, dass Sie als Grünes Parteimitglied häufig mit der Parteileitung in Clinch geraten – etwa beim Thema Migration und Soziales.

    Vielleicht traue ich mich, Sachen anzusprechen, weil ich ein unbequemer Zeitgeist bin. Ich bin mit einigen Parteimitgliedern der Grünen in Kontakt, die sich auch wünschen, dass die Partei zu einigen Themen Grundsatzbeschlüsse fast. Das sind natürlich unangenehme Themen, weil sie sehr konfliktbehaftet sind und in der Partei verschiedene Meinungen existieren. Was die Grünen aber eigentlich ausgezeichnet hat, ist, dass solche Diskussionen intern und öffentlich geführt werden können. Ist die eigene Meinung mehrheitsfähig, kann sie in Beschlüsse gegossen werden, ansonsten nimmt man es zur Kenntnis. Bei den Grünen gibt es die Realos und die Fundis, sie wird es auch immer geben und sie gibt es auch in Deutschland bei den Grünen und wahrscheinlich bei vielen anderen Parteien.

  • Zur Person

    Felix von Wohlgemuth ist Anwalt für Arbeitsrecht in Bozen und sitzt für Pro Eppan im Gemeinderat. Er war von 2019 bis Anfang 2024 gemeinsam mit Marlene Pernstich Co-Vorsitzender der Partei Verdi Grüne Vërc.

  • Sie sprechen in der Vergangenheitsform?

    Die Grünen sind eine basisdemokratische Bewegung. Man muss streiten und man muss diskutieren und das ist in den letzten Landesversammlungen ein wenig zu kurz gekommen. Man versucht, sich harmonisch zu geben. Dabei würden solche Diskussionen das Profil der Partei auch in der Öffentlichkeit stärken, weil publik wird, dass wir uns Gedanken zu bestimmten Themen machen. Ansonsten erhält man Zuschreibungen von Dritten, wie man als Grüner zu sein, zu denken und sich zu verhalten hat. Die Grünen sind viel vielschichtiger als die Zuschreibungen von außen vorgeben.  

    Und wieso greifen Sie ausgerechnet die Kritik der Süd-Tiroler Freiheit zum Siegesdenkmal in Bozen auf?

    Ich habe bereits vor der Pressemitteilung der Süd-Tiroler Freiheit auf Facebook kritisiert, dass das Siegesdenkmal renoviert wird. Es ist bis heute ein Fremdkörper in der Stadt.

     

    „Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Deutschland oder Österreich in einer Landeshauptstadt ein Denkmal mit zehn großen Hakenkreuzen steht.“

     

    Landesrat Christian Bianchi (Forza Italia) verteidigt gegenüber der Tageszeitung den Erhalt des Monuments, um an ein dunkles Kapitel der Geschichte zu erinnern.

    Wir haben in Südtirol Schwierigkeiten, bestimmte Sachen objektiv zu sehen. Ich bin eine Person, die aus tiefstem Herzen Mitte-links eingestellt ist, und ich will in meiner Stadt kein Denkmal mit einem Hakenkreuz und genausowenig ein Denkmal mit dem Liktorenbündel (Staatssymbol der Faschisten, Anm. d. Red.). Ich fordere keinen Abriss, sondern eine Kontextualisierung und Musealisierung. 

  • Das Siegesdenkmal: Es wurde während dem Faschismus errichtet und 1928 in Anwesenheit des Königs Viktor Emanuel III. eingeweiht. Foto: Gemeinde Bozen
  • In den letzten Jahren gab es sehr wohl Bemühungen zur Aufarbeitung und es wurde eine Ausstellung zum Siegesdenkmal eingerichtet.

    Es braucht den Mut, die faschistischen Symbole zu entfernen. Auch die eingemeißelte Inschrift, dass sie uns die Kultur, Geschichte und Schrift gebracht haben, beleidigt die Südtiroler seit Jahrzehnten und sollte weiß übertüncht werden. Deshalb schlage ich vor, den ganzen Platz in einen Museumskontext einzubeziehen. Zwar wurde der Ring angebracht (LED-Leuchte mit dem Titel der Ausstellung, Anm. d. Red.) und auf der gegenüberliegenden Seite an der Talfer wurden verschämt zwei Tafeln in den Blumenbeeten zu der Ausstellung versteckt, aber der wuchtige Platz bleibt als unzulängliche Insel bestehen. Die Menschen können ihn so nicht als städtischen Raum nutzen. Dabei gäbe es Vorbilder, wie solche Bauten ohne Abriss entschärft werden können. 

    Zum Beispiel?

    Auf dem Zeppelinfeld in Nürnberg hat die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei von Adolf Hitler, Anm. d. Red.) ihre Aufmärsche veranstaltet. Nach dem Krieg wurde das große Hakenkreuz sofort gesprengt, aber die Tribüne steht immer noch dort, um den Menschen zu ermöglichen, das beklemmende Gefühl dieser Bauten zu spüren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Deutschland oder Österreich in einer Landeshauptstadt ein Denkmal mit zehn großen Hakenkreuzen steht.

     

    „Der Faschismus ist die Wurzel des Nationalsozialismus.“

     

    Müssen der Faschismus und Nationalsozialismus möglicherweise differenziert betrachtet werden?

    Warum? Weil der Nationalsozialismus mehr Tote verursacht hat? Der Faschismus ist die Wurzel des Nationalsozialismus. Wir wissen, dass Hitler den Faschismus in Italien kopiert hat. Der einzige Unterschied war, dass der rassische Ansatz bei den Deutschen stärker durchschlug. Aber zu sagen, dass der Faschismus weniger schlimm gewesen sei als der Nationalsozialismus, weil die Juden nicht direkt ermordet, sondern mit den Deportationen nur den Deutschen ausgeliefert wurden, ist lächerlich. 

    Wieso kritisierten Sie auch die Demonstration in Bozen zum Nahostkonflikt in Gaza?

    Es gibt gravierende und alarmierende Anzeichen dafür, dass in Gaza ein Völkermord stattfindet, der sofort beendet werden muss. Aber ich finde es problematisch, wenn man bei den Gaza-Protesten den Terror der Hamas und die Proteste gegen die israelische Regierung im eigenen Land ausklammert. Besonders dann, wenn Parolen wie „From the river to the sea, Palestine will be free“ geschrien werden – im Bewusstsein, dass diese Parolen eigentlich die Hamas gebraucht, um Israel das Existenzrecht abzusprechen. Wenn ich auf die Straße gehe, dann nicht nur, um das Ende des israelischen Militäreinsatzes zu fordern, sondern auch die Freilassung von Zivilisten als Geiseln der Hamas. Die Hamas ist eine vom Iran finanzierte Gottesmiliz, die eine Theokratie ohne Rechte für Frauen und Transgender errichten will und Schwule exekutiert. Das ist die Hamas. Wenn sie als eine Befreiungsorganisation dargestellt wird, dann steigt es mir.