Politik | Kommentar

Stille Machtmusik

Die Gemeinde Bozen hat eine Regelung zur Livemusik erlassen, die gegen die Staats- und Landesgesetze verstößt. Und die Grünen stellen in Bozen die Kulturstadträtin.

Am Ende will es niemand gewesen sein. Es ist kein Stadtratsbeschluss und anscheinend auch kein Dekret des Bürgermeisters. „Es ist nur die Umsetzung des entsprechenden Landesgesetzes, mehr nicht“, heißt es in den zuständigen Ämtern des Stadt Bozen.
Wie bitte? Entweder in der Gemeinde Bozen kann man nicht lesen oder man verkauft die Bürgerinnen und Bürger für blöd.
Doch der Reihe nach.

Die Mitteilung

Am 13. Oktober 2014 erlässt die Gemeinde Bozen folgende Pressemitteilung:

„Von heute an wendet die Stadt Bozen die neuen Landesbestimmungen (Nr. 8 vom 26. September 2014) für das Abhalten öffentlicher Veranstaltungen an.
Dadurch wird es einfacher, kleine Veranstaltungen bis zu 200 Personen anzumelden, wenn sie innerhalb 24 Uhr beendet werden, wenn keine Musik (DJ, Karaoke, live) gespielt, kein öffentlicher Grund besetzt wird und keine Speisen und Getränke verabreicht werden. Treffen diese Voraussetzungen zu, genügt es, die Beginnmeldung SCIA beim Amt für Wirtschaft und Konzessionen der Gemeinde anzugeben.
Wenn Musik mit DJ, Karaoke oder Live-Musik gespielt wird, ist eine Meldung mindestens 15 Tage vor der Veranstaltung beim Amt für Umwelt und Schutz des Territoriums erforderlich. Das Amt muss die Veranstaltung genehmigen. Dadurch sollen die Anrainer besser geschützt werden.

Wenn öffentlicher Grund besetzt wird oder wenn Speisen und Getränke verabreicht werden, muss ein Ansuchen an das Amt für Wirtschaft und Konzessionen der Stadt Bozen gestellt werden. Dieses Ansuchen ist unabhängig von der Anzahl der Teilnehmer erforderlich.
Eine Veranstaltung gilt nur als genehmigt, wenn die SCIA-Erlaubis und jene des Amtes für Umwelt und Schutz des Territoriums vorliegt. Fehlt eine der Genehmigungen, wird die Veranstaltung laut LP 13/92 als nicht genehmigt betrachtet.
Bis jetzt wurden alle Veranstaltungen laut Landesgesetz Nr. 13/92 (öffentliche Veranstaltungen) und Landesgesetz Nr. 20/2012 (Lärmbelästigung - wo Musik vorgesehen ist) genehmigt.
Für alle anderen Veranstaltungen bleiben die Regeln dieselben wie bisher. Das Ansuchen muss immer beim Amt für Wirtschaft und Konzessionen eingereicht werden.“

Das Staatsgesetz

Die Regierung Renzi hat im August 2013 ein Dekret mit dem Titel „Valore Cultura“ erlassen. Darin enthalten sind Dringlichkeitsmaßnahmen für einen Relaunch des Kinos, der musikalischen Aktivitäten und der Live-Vorführungen.
In Artikel 7 dieses Dekretes heißt es:

„Per eventi fino ad un massimo di 200 partecipanti e che si svolgono entro le ore 24 del giorno di inizio, la licenza è sostituita dalla segnalazione certificata di inizio attività di cui all'articolo 19 della legge n. 241 del 1990, presentata allo sportello unico per le attivita' produttive o ufficio analogo“

Diese Bestimmung wurde italienweit als wichtiger Schritt der Entbürokratisierung gefeiert. Endlich werden kleine Veranstalter und kleine Livekonzerte nicht mehr mit absurden, bürokratischen Hürden drangsaliert. Denn bisher war so, dass die Veranstalter und Lokale nicht nur die schärfsten Sicherheits- und Lärmschutzgesetze einhalten, sondern auch einen Genehmigungsmarathon bei den Gemeinden hinlegen musste. Auch dann, wenn nur 50 Leute zu einem Konzert kommen, sind die bürokratischen Auflagen mehr oder weniger dieselben, wie wenn 1000 kommen.

Das Landesgesetz

Die Provinzen müssen das Staatsgesetz und die Entbürokratisierung der Konzerte unter 200 Personen umsetzen. Das Land Südtirol hat das auch getan.
Mit dem Landesgesetz vom 26. September 2014, Nr. 8. „Änderungen zu Landesgesetzen in den Bereichen öffentliche Veranstaltungen, örtliche Körperschaften, Bildung und Verwaltungsverfahren“ wurde diese wichtige Vereinfachung für Veranstalter, Lokalbesitzer und Künstler auch zwischen dem Brenner und Salurn eingeführt.
Geregelt werden die öffentlichen Veranstaltungen in Südtirol durch das Landesgesetz vom 13. Mai 1992, Nr. 13. In Artikel 2 dieses Gesetzes heißt es:

Die Erteilung der Bewilligungen für die Abhaltung von Veranstaltungen, die in die örtliche Zuständigkeit einer einzigen Gemeinde fallen, ist dem gebietsmäßig zuständigen Bürgermeister übertragen, der auch die damit verbundenen Verwaltungsaufgaben wahrnimmt.“

Mit dem Landesgesetz Nr. 8 vom 26. September 2014 wird jetzt in dieses Gesetz ein neuer Absatz eingefügt. Der so lautet:

Für Veranstaltungen bis zu maximal 200 Gästen, die am selben Tag beginnen und vor 24 Uhr enden, wird die Bewilligung im Sinne von Absatz 1 durch die zertifizierte Meldung über den Tätigkeitsbeginn bei der zuständigen Gemeinde ersetzt.“

Eigentlich alles klar. Die Bewilligung des Bürgermeisters wird durch die zertifizierte Meldung über den Tätigkeitsbeginn bei der zuständigen Gemeinde ersetzt.
Genau das sagt das Landesgesetz. Und kein Wort und keinen Paragraph mehr.

Bozner Polizeistadt

Wie man auf jene Interpretation kommt, die jetzt die Stadtgemeinde Bozen anwenden will, dürfte ein Geheimnis des Glaubens sein. Sicher aber ist: Bozen verstößt willentlich und wissentlich mit seiner neuen Regelung gegen das Staats- und Landesgesetz.
Das weiß man auch und versucht es nur irgendwie zu kaschieren. Der Hintergrund: Die Stadtregierung will in Sachen Livemusik alles tun, um den Veranstaltern und den Musikern Prügel in den Weg zu legen.
Anstatt Entbürokratisierung, Polizeistaat pur.
Was aber noch bitterer aufstößt. Nachdem der salto-Blogger il caimano auf diese hirnrissige Regelung aufmerksam gemacht hat, reagierte nur der SEL-Gemeinderat Guido Margheri. Margheri fordert den Bürgermeister auf, diese Verordnung sofort zurückzunehmen.
Und die Grünen? Patrizia Trincanato ist Stadträtin für Kultur- und Umwelt in Bozen. Ihre Umweltämter müssen bei einem Livekonzert für nicht einmal 200 Personen jetzt eine Genehmigung erteilen. Nach der bescheidenen Auffassung des Autors fallen Livekonzerte doch auch in das Ressort Kultur. Oder?
Was aber tut die Stadträtin? Schweigen!
Bitte zurücktreten. Sofort.
Oder muss man dafür in Bozen auch 15 Tage vorher eine SCIA-Erklärung beantragen.