Gesellschaft | Zusammenleben

"Galign misn mir no di Kirchn sprengen"

Wie entsteht öffentliche Meinung? Eine kostenlose Lektion des heiligen Martin, der Freiheitlichen und des Internetportals stol.it.

Es gibt Themen, auf die unsere Reflexe automatisch anzuspringen scheinen. Südtiroler Traditionen längerfristig in Gefahr, titeln die Freiheitlichen auch schon traditionell zum Fest des Heiligen St. Martin. Immerhin gilt der Laternenumzug unserer Kleinsten zu Martini seit einigen Jahren als bedrohtes Kulturgut. Ein christlicher Brauch, der unseren Kindern aus falscher Rücksichtnahme auf den stets wachsenden  Nachwuchs mit Migrationshintergrund zunehmend vorenthalten wird, wie der Freiheitliche Landtagsabgeordnete Sigmar Stocker auch in diesem Jahr warnt.

„Die gewachsenen Traditionen, das Brauchtum und die Rituale sind ein wichtiges Erbe für die kommenden Generationen“, schreibt er. Anstatt auf den Martinsumzug zu verzichten, wäre es empfehlenswerter den Kindern mit Migrationshintergrund die heimischen Traditionen näher zu bringen. „Integration heißt, dass wir nicht auf unsere Bräuche verzichten, sondern dass die hier anwesenden 130 Nationalitäten diese Bräuche und Traditionen in ihre Lebenswelt in Südtirol aufnehmen.“ Denn sonst müsse man laut dem Freiheitlichen von einer „Kapitulation des Einheimischen statt der Integration von Zuwanderern" sprechen.

Entwarnende Fakten

Wie weit die Kapitulation bereits geht, hat Stocker im heurigen Frühjahr in einer Landtagsanfrage recherchiert. Die Antwort der drei zuständigen Landesräte Philipp Achammer, Christian Tommasini und Florian Mussner? Alle 261 deutschsprachigen Kindergärten befassen sich mit der Legende des Heiligen St. Martin, wenn auch in manchen Einrichtungen statt eines Umzugs eine Feier im Garten oder in einem nahe gelegenen Waldstück stattfindet. Dagegen machten alle 17 ladinischsprachigen Kindergärten im Jahr 2013 einen Umzug; von 59  italienischsprachigen Kindergärten fand er dagegen in neun nicht statt. Allerdings wird einzig für den Bozner-Dolomiti-Kindergarten angegeben, dass auf den Umzug aus Rücksicht auf die vielen Kinder mit Migrationshintergrund verzichtet wurde. In den anderen Fällen werden organisatorische Gründe, das Wetter oder die Übernahme des Rituals durch Eltern oder andere Institutionen als Grund angegeben.

Alles Gründe also, keine Gefahr für Südtirols Traditionen zu sehen, könnte man meinen. Doch das Internetportal stol.it belehrt uns eines Bbesseren. Dort wurden die Aussagen des Freiheitlichen vor zwei Tagen 1:1 übernommen – und zwar inklusive seiner Auflistung, wie viele Kindergärten den Martinsumzug veranstalten. Trotz des offensichtlichen Widerspruchs der Daten und der Alarmmeldung schaffte es der stol-Artikel auf Facebook, eine intensive Diskussion mit 117 Kommentaren loszutreten und immerhin 76 Mal geteilt zu werden.

Und wie sich an zahlreichen Kommentaren zeigt: Fakten sind relativ, der Mensch liest, was er lesen will.

Des isch in südtirol a viele johr olter brauch,die kinder hobn a freid,sel war ietz decht a witz das mir christliche bräuche aufgebn solletn für onderstgläubige kinder?wie tief will des lond nou sinkn,fahlts total??

De solln amol in Kindergorten erster einzohln wia jeder "normale" Bürger anstott olm schmarozen und donn no Ansprüche hobm....!!

Galign misn mir no di kirchn sprengen , wail es kannt jo sain das a ondosgläubigo net will das a kirche in den dorf odo stott isch woa lep

Sell werd sein noar solln se zi kackn gian...bin kuan razzist ober des geat zi weit!!!

Vom Martinsumzug hon i die beschtn Erinnerungen. Waer scod wenn's denn obschoffn tattn.

Dass zu letzterem keine Sorge besteht, bestätigt unter anderem eine Kindergärtnerinnen.

„Ich arbeite seit Jahren im Kindergarten und ich kann versichern, dass unsere Bräuche und Kulturen SEHR WOHL praktiziert werden und auch weiterhin gelebt werden. Dies ist dem Kindergartenpersonal immer noch wichtig! Für Migranten ist es kein Problem, sie haben die Möglichkeit sich von traditionellen/religiösen Festen und Bräuchen fernzuhalten, die meisten beteiligen sich regelmäßig an diesen. Wenn ein Kind unsere Kirche nicht betritt oder sich am Tischgebet nicht beteiligen darf, so ist das von uns zu akzeptieren und es tut niemandem weh und es beeinträchtigt unsere Kultur in keinster Weise!!“

Was haben Sie in diesem Jahr gelernt, fragt die Wochenzeitung ff  Landeshauptmann Arno Kompatscher in ihrer aktuellen Titelgeschichte. „Zum Beispiel wie Meinungsbildung erfolgt“, antwortet der. Der heilige Martin stellt zweifelsohne eine weitere Lektion dar. Zum Beispiel mit dem Kommentar, der unmittelbar auf den Einwand der Kindergärtnerinnen folgt.  

Wense schun herkem don sollnse a insere traditionen und kultur akzeptiern und wem hel et passt kon gern wida gian...des isch insere kultur und traditionen und i finds folsch dass mirse wegn migrantn lossn oder abändern solln!!!