Politik | ISIS-Geldquelle

Zerstörerisches Geschäft mit den Kulturgütern

Um ihren Krieg zu finanzieren, verkauft die Terrororganisation Islamischer Staat wertvolle Kunstschätze . Westliche Archäologen sind auf der Flucht.

Meine Freunde Annalucia D Agata und Giovanni Salmieri ( Universität Pisa) sind nach zweimonatigen Grabungen in Misis, dem antiken Mopsuestia im Süden der Türkei wieder nach Istanbul und von dort nach Rom zurückgekehrt. Seit drei Jahren "graben " der Geschichtsprofessor und die Archäologin im östlichen Kilikien , um die antike Stadt, die dem Römischen Reich einverleibt worden war, ans Licht zu bringen. Das ist ein schwieriges Unterfangen, weil genau auf dem Hügel , an dem sich die wertvollsten antiken Reste befinden, mittlerweile rund 500 moderne Häuser stehen.

 Italien kofinanziert mit vergleichsweise bescheidenen Geldmitteln derzeit 17 Grabungen und Restaurierungen in der Türkei.   Nach wie vor stehen Deutschland, England und Skandinavien an der Spitze der Länder, die im ehemaligen Mesopotanien und dem antiken Griechenland wertvolle Kunstschätze ausgegraben und gerettet haben.

 Troja, im 3. Jahrtausend vor Christus gegründet , liegt in der heutigen Türkei. Der deutsche Archäologe Heinrich Schliemann hat die sagenumwobene Stadt entdeckt.  Teile der antiken Stadt Pergamon sind in Berlin zu sehen, im gleichnamigen Museum. Auch Pergamon, heute Bergama, liegt in der Türkei. Das Land ist ein Eldorado für Archäologen, die letzthin allerdings mit immer grösseren bürokratischen und auch kulturellen Schwiergkeiten zu kämpfen haben. Trotzdem geht es ihnen in der Türkei noch vergleichsweise gut.

Denn Archäologen, die im heutigen irakisch-syrischen Kriegsgebiet ihrer Arbeit nachgehen wollen, sind am Ende angelangt. Etwa Daniele Bonacossi von der Universität Udine, der wohl als einer der letzten die wunderbaren Reliefs des Nimrud-Königspalastes im ehemaligen, biblischen Ninive gesehen hat, bevor sie den Grabplünderen der Terrororganisation  ISIS zum Opfer gefallen sind.  Die ersten Spuren von Zivilisation dieser Stadt am Tigris gehen auf das 9. Jahrtausend vor Christus zurück.

Ein Bewässerungssystem , das ein halbes Jahrtausend vor jenem der Römer eingeführt worden war, revolutionierte die Landwirtschaft und machte die Stadt zur reichsten der damaligen Welt. Die ehemaligen Strassen am  Rande der Wasserleitungen werden heute von den Christen als Fluchtwege benutzt  . Ninive liegt direkt neben der irakischen Erdölstadt Mosul, die von ISIS erobert worden ist. Die Archäologen aus Udine mussten die Grabungsstätten - wahrscheinlich für immer - verlassen. 

An ihre Stelle traten von ISIS angeheuerte , professionelle Grabplünderer, die seit dem Irakkrieg 2003 von einer verlassenen Grabungsstelle zur anderen hetzen, um alle Fundstücke einzusammeln und zu verkaufen. Einem Archäologen gelang es, einen USB-Stick eines ISIS-Milizen zu ergattern, aus dem hervorgeht, dass die Terroristen allein im Gebiet rund um Mosul Kunstschätze im Wert von 23 Millionen Dollar verscherbelt haben. Die Museen im Irak und in Syrien sind so gut wie unbeaufsichtigt : eine Art Selbstbedienungsladen für die Grabplünderer der Terroristen, die damit einen Teil ihres Kriegs finanzieren.

Selbstverständlich blühte der Handel mit gestohlenen Kunstschätzen aus Kleinasien schon vor den letzten Irak-Kriegen.  Internationale Kunstmärkte waren schon immer ganz wild auf die begehrten Fundstücke aus Mesopotamien. Wer den Louvre in Paris und das British Museum in London besucht hat, weiss, was sich westliche Länder alles unter den Nagel gerissen haben. Dass sie sich auch gegenseitig bestohlen haben ( etwa Napoleon, der massenhaft italienische Kunstschätze nach Frankreich deportiert hat  und Hitler, der es ihm nachmachte ) beweist, wie unersättlich die Gier nach antiken Fundstücken und Kunst überhaupt ist. Und zwar als Geldanlage und Statussymbol. 

 Für die islamischen Krieger haben diese Kunstwerke hingegen keinen Wert an sich . Weil bildliche und plastische Darstellungen den extrem interpretierten islamischen Glaubensgrundsätzen widersprechen , ist es für die grausamen Gotteskrieger recht und billig, daraus ein weiteres Geschäft zu machen. Es stockt die Milliarden-Einkommen des Islamische Staates auf, der aus  dem Verkauf von Erdöl und Erdgas in den eroberten Gebieten, der Einhebung von "islamischen Steuern" , den Einnahmen aus Menschenentführungen und dem Verkauf von versklavten Frauen und Kindern  sein kriminelles Gemetzel finanziert. 

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Oskar Egger Di., 11.11.2014 - 14:14

Was wohl die überforderten Jungfrauen dazu sagen, dass die Dogmen so verbogen werden? Jedenfalls danke, Frau dr. Brugger, dass sie die Dinge beim Namen nennen und Licht in manches Dunkel bringen.

Di., 11.11.2014 - 14:14 Permalink
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Oskar Egger Di., 11.11.2014 - 17:12

Interessant ist auch, was der berühmte slowenische Philosoph und Psychanalytiker Slavoj Zizek in einem Artikel in der New York Times äußerte, nämlich dass Isis eine Schande für den Fundamentalismus darstellt, der sich gerade durch die Abwesenheit von Zorn kennzeichnet.
Zizek behauptet, die Charakteristik jedes wahren Fundamentalismus, ist eine völlige Abwesenheit von Zorn und Neid, tiefgreifende Gleichgültigkeit gegenüber der Lebensweise eines Ungläubigen. Wenn die heutigen sogenannten Fundamentalisten tatsächlich den Weg zur Wahrheit gefunden hätten, warum sollten sie sich dann von Ungläubigen bedroht fühlen? Wenn, so Zizek, ein Buddhist einen Ungläubigen trifft, kann er nur, nach bestem Wissen und Gewissen, zu dem Schluss kommen, dass ein hedonistisches Streben nach Glück falsch und Selbsttäuschung ist. Aber diese Pseudo- Fundamentalisten, so Zizek, sind zutiefst verletzt, bedroht und sogar fasziniert ob des sündiges Lebens der Ungläubigen. Also, obwohl man meinen könnte, dass sie gegen die Sünden der anderen kämpfen, kämpfen sie, in der Tat, mit ihren eigenen Versuchungen! Der zerbrechliche Glaube, meint Zizek, ist weit entfernt von Überlegenheit und Entschlossenheit im Angriff gegen den globalen Konsum, sondern nährt sich, paradoxerweise, vom Minderwert. Für echten Fundamentalismus fehlt ihnen ein echter, tiefer Glaube an die eigene Überlegenheit.

Di., 11.11.2014 - 17:12 Permalink