Wirtschaft | Energie

"Fusion wäre absolut nicht erforderlich"

Zu klein für die Großen, zu groß für Kleinen: Warum der Geschäftsführer des Südtiroler Energieverbandes Rudi Rienzner wenig von einer Fusion von SEL und Etschwerken hält.

Herr Rienzner, der Südtiroler Energieverband hat sich noch im Vorjahr für kleine Kreisläufe in Südtirols Stromwirtschaft stark gemacht. Dezentralisierung, Bürgerbeteiligung und lokale Wertschöpfung, waren Ihre Schlagworte. Platzt die Hoffnung darauf mit einer Fusion von SEL und Etschwerken?
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udi Rienzner: Ja, der zweite Weg, den wir propagiert haben, ist damit wohl versperrt. Mit einer Holding hätte vielleicht noch ein wenig Spielraum bestanden, doch nachdem im Moment alles in Richtung totale Fusion geht, erübrigt sich unsere Arbeit denke ich.

Frustriert?
Sicherlich ist das alles mit etwas Frust verbunden. Vor allem, weil damit eine einmalige Chance auf eine Neuausrichtung des Energiesektors vertan wird. Doch es war zuletzt auch klar aus den Worten des Landeshauptmanns und des Energielandesrates herauszuhören, dass das Modell weiterhin in Richtung Kapitalisierung, also ein Mehr an Steuern und Gewinnen geht. Unser Modell hätte dagegen vorgesehen, dass Haushalte und Wirtschaft profitieren, weil sie Energie zum Selbstkostenpreise erhalten.

Beim bestehenden Modell profitieren dagegen weiterhin der Landeshaushalt bzw. die Gemeindehaushalte?
Ja, genau.

Landeshauptmann Arno Kompatscher hat im Zuge der Übernahme der Enel-Anteile jedoch bereits günstigere Strompreise in Aussicht gestellt.
Die einzige Möglichkeit in Südtirol echte Preisreduktionen zu ermöglichen, und dabei spreche ich von einem Umfang von 50 bis 70 Prozent, ist das Genossenschaftsmodell. Das ist einfach so. Deshalb stieg die Zahl der Energiegenossenschaften in Deutschland zwischen 2001 und heute auch von 66 auf 1350.

"Mir ist schon klar, dass man die Konzessionsprobleme lösen will. Doch dafür hätte auch die Gründung einer gemeinsamen Produktionsgesellschaft ausgereicht. Auch markttechnisch wäre eine totale Fusion absolut nicht erforderlich."

Weil die Deutschen dadurch zu günstigerem Strom kommen?
Und weil man zusätzlich erkannt hat, dass größere Projekte ohne Bürgerbeteiligung nicht mehr möglich sind. Ich bin zum Beispiel überzeugt, dass am Brenner zumindest einige Windräder stehen würden, wenn statt Leitner und Etschwerken eine Genossenschaft hinter dem Projekt gestanden hätte. Eingriffe dieser Art bekommt man heute in Europa einfach nicht mehr ohne Bürgerbeteiligung durch.

Derzeit geht es in Südtirol aber nicht um Bürgerbeteiligung, sondern um eine Fusion, die weitgehend hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wird. Was halten Sie vom Zusammenschluss der beiden größten lokalen Player auf dem lokalen Strommarkt?
Für mich ist dieser Weg eher unverständlich, man setzt hier auf ein altmodisches Konzept. Mir ist schon klar, dass man die Konzessionsprobleme lösen will. Doch dafür hätte auch die Gründung einer gemeinsamen Produktionsgesellschaft ausgereicht. Auch markttechnisch wäre eine totale Fusion absolut nicht erforderlich. Im Gegenteil: Ich habe eher die Befürchtung, dass man sich in eine Liga begibt,  in der man zu klein für das Level der Großen ist und  zu groß ist für das Level von Stadtwerken. Vor allem setzt man mit einer solchen Fusion auf ein altes Modell, von dem derzeit europaweit abgegangen wird.

Inwiefern?
Diese Argumente von Größe und Kostenersparnissen durch Fusionen – das war der Trend, auf den zur Jahrtausendwende im Zuge der Liberalisierung gesetzt wurde. Nach der Krise von 2007 und 2008 geht man davon heute wieder ab, weil es letztendlich die ganze Branche in Bedrängnis gebracht hat.  So kann derzeit in Deutschland wieder eine starke Rekommunalisierung beobachtet werden. Da kaufen die Stadtwerke teils wieder ihre Netze zurück, die sie davor an Große wie Vattenfall oder E.ON verkauft hatten. Denn man hat erkannt: den Städten ist etwas verloren gegangen, die Großen können mit dem „Kleinkram“ eigentlich ohnehin nicht richtig umgehen.

"Ich bin zum Beispiel überzeugt, dass am Brenner zumindest einige Windräder stehen würden, wenn statt Leitner und Etschwerken eine Genossenschaft hinter dem Projekt gestanden hätte. Eingriffe dieser Art bekommt man heute in Europa einfach nicht mehr ohne Bürgerbeteiligung durch."

Südtirol geht also einen Weg, den andere derzeit wieder rückgängig machen?
Wenn man sich die aktuellen Entwicklungen anschaut, ja. Ich habe das erst letzte Woche in Leipzig gemacht, dort hat eine Gruppe von 80 Energieexperten aus ganz Europa diskutiert. Derzeit gibt es entweder die Großen, also, um beim Beispiel Deutschland zu bleiben, Konzerne wie RWE oder E.ON. Die machen die große Produktion und Investitionen, den Stromhandel, sind international tätig. Und dann gibt es eben die direkte Versorgung, den Verkauf an die Kunden, hier sind die Stadtwerke stark, denen es auch als einzigen in der Branche noch gut geht derzeit.

Das heißt, die Etschwerke sollten die Stadtwerke von Bozen und Meran bleiben statt mit der SEL zu fusionieren?
Ich denke, Bozen und Meran wären besser beraten gewesen,  sich als Stadtwerke weiterzuentwickeln. Also, so wie es vielerorts in Europa geschieht, ein schönes Dienstleistungsangebot als Versorger aufzubauen. In Brixen, aber auch in Bruneck ist man in diese Richtung gegangen, in Bozen hat man dagegen neben den Etschwerken noch die Seab, Ecocenter, dazu noch die Stadtwerke in Meran.

Sehen Sie noch Chancen, dass es doch noch in diese Richtung geht?
Nein, da mache ich mir keine Illusionen. Diese Fusion wird nun durchgezogen, daran besteht kein Zweifel.