Russlands Präsident Vladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Erdogan sitzen im selben Boot. Der erste wird wegen seiner Ukraine-Invasion geächtet, der zweite wegen seines Nahverhältnisses zum IS-Terrorstaat. Jetzt machen beide aus der Not eine Tugend : Russland will die wirtschaftlich expandierende Türkei mit zusätzlichen drei Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr beglücken und den Preis dafür um sechs Prozent senken.
Weil die EU einen Wirtschaftsboykott gegen Russland verhängt hat, kommt der energiehungrige türkische Abnehmer mehr als gelegen. Fast zeitgleich mit seinem Besuch in Ankara hat Putin das Ende des Southstream-Projektes bekanntgegeben. Es war 2012 ins Leben gerufen worden, um mit einer Pipeline 63 Milliarden Kubikmeter Erdgas über das Schwarze Meer von Russland nach Europa zu pumpen - unter Umgehung der Ukraine, die Russland noch Millionen Rubel schuldet, weil sie das angezapfte Erdgas nicht bezahlt hat.
Erstes Atomkraftwerk in der Türkei von Russland gebaut
Das Ende von Southstream ist nicht nur für Russland ein schwerer Verlust, weil die europäischen Abnehmer wegfallen. Auch Europa muss sich jetzt schnell nach neuen Lieferanten umsehen - trotz der Wirtschaftskrise und des Verfalls des Erdölpreises , die den Energiekonsum deutlich verringert haben. Demonstrativ unterzeichneten Putin und Erdogan am Montag auch den Vorvertrag für den Bau des ersten Atomkraftwerks in der Türkei, das von Russland errichtet werden soll. Auch gab Erdogan grünes Licht für die Umweltverträglichkeit des umstrittenen Kraftwerks, trotz der schweren Bedenken von Umweltschutzorganisationen. Nur etwas stört die neue Idylle: die Verwarnung von NATO-Chef Jens Stoltenberg an das NATO-Mitglied Türkei, die Boykottsanktionen gegen Russland nicht zu torpedieren. Das tut Erdogan gerade.