Chronik | Steuern

Rettungsversuch für Berlusconi?

Wollte die Regierung Renzi Silvio Berlusconi bei der Sanierung seiner Haftstrafe unter die Arme greifen? Warum der Premier am Sonntag auf die Notbremse steigen musste.

Den Flug in die Skiferien nach Courmayeur auf Staatskosten hat Premier Matteo Renzi bereits am vergangenen Samstag abgehakt. Nach den Vorwürfen des Movimento 5 Stelle hatte der Premier auf Twitter seine Anreise in den Familien-Skiurlaub ins rechte Licht gerückt: Der Anflug mit der Staatsmaschine sei keine freie Wahl, sondern zähle genauso zum Sicherheitsprotokoll für einen Ministerpräsidenten wie das Schlafen in der Kaserne, Leibwachen oder das Wohnen im Chigi-Palast, rechtfertigte sich Matteo Renzi.

Weit schwieriger fiel ihm das dagegen in Bezug auf einen weiteren, schweren Vorwurf, der an diesem Wochenende gegenüber der Regierung laut wurde: am 24. Dezember sei ein Ermächtigungsdekret verabschiedet worden, das nicht nur ein wahres Christkindl für alle Steuersünder im Land ist, sondern auch Ex-Premier Silvio Berlusconi ein politisches Comeback ermöglichen könnte. Im Mittelpunkt der Kritik: ein angeblich vom Wirtschaftsministerium gestrichener Passus im Steuerdekret, der kurz vor der Verabschiedung durch den Ministerrat wieder im Gesetzestext auftauchte. Damit wären für alle Steuervergehen, die unter drei Prozent des jeweiligen Gesamteinkommens bleiben, von vornherein Gefängnisstrafen ausgeschlossen worden. Ein Freibrief, der auch dem bekanntesten Steuersünder des Landes, Silvio Berlusconi, Rechtsmittel liefern könnte, seine Verurteilung zu vier Jahren Gefängnis im Mediaset-Prozess anzufechten, wie  Il fatto quotidiano am Sonntag aufzeigte. Der Hintergrund des vermuteten Deals? Renzi braucht Berlusconi in den kommenden Wochen, um die unter dem Namen "Italicum" bekannte Wahlrechtsreform durchzubringen und eine Einigung über die Wahl eines neuen Staatspräsidenten zu finden.

Angesichts der Schlagzeilen, für die das Dekret nun sorgte, zog Matteo Renzi am Sonntag die Notbremse. „Der Premier hat heute Morgen veranlasst, den genehmigten Text nicht an die Abgeordnetenkammer weiterzuleiten“, wurde am Sonntag über den Palazzo Chigi bekanntgegeben. „Unsere Regierung macht weder Gesetze ad personam noch contra personam“, erklärte Renzi selbst im Anschluss gegenüber dem tg5. „Wir machen Gesetze, die den Interessen der Bürger entsprechen.“ Nun werde das Dekret erneut im Ministerrat behandelt und erst nach der Wahl des neuen Staatspräsidenten wieder an die Kammer weitergeleitet. Bis dahin wird Silvio Berlusconi auch seinen Zivildienst in Cesano Boscone beendet haben. „Und wir werden zeigen, dass es keine geheimnisvollen Machenschaften gibt“, so Renzi. Sollte es sie gegeben haben, wurden sie schließlich an diesem Wochenende verhindert. Allerdings nicht durch die Regierung.

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Karl Gudauner Di., 06.01.2015 - 00:07

Dass er nun dazu benutzt wird, schnell das Thema zu wechseln, das hätte sich Pino Daniele nicht bieten lassen. Schließlich hat er sich in "Sono solo canzonette" gegen jede politische Vereinnahmung verwehrt. Im Teletext auf RAI und Canale 5 wurde heute der plötzliche Tod des cantautore groß in die Schlagzeilen gebracht und der Skandal um den Passus im Steuerdekret schleunigst ausgeblendet. Fassungslose Beobachter haben unterstrichen, dass die wenigen Zeilen, deren Urheber niemand sein will, Steuervergehen in Millionenhöhe auch bei Ausstellung von fiktiven Rechnungen nur mit einer Verwaltungsstrafe ahnden würden. Bei einem Geschäftsumfang von einer Milliarde Euro, so die Tageszeitung la Repubblica, bliebe eine Hinterziehung der Gesellschaftssteuer Ires ohne strafrechtliche Folgen. Die Nutznießer wären sicher viele und sollten nicht auf eine Person beschränkt werden. Vorweihnachtliche Zerstreutheit? Politisches Gegengeschäft? Hinterlistige Quertreiber im eigener Lager? Solche blinde Passagiere über die Feiertage zu platzieren hat jedenfalls schon Tradition. Ministerpräsident Renzis Leadership ist erschüttert. Er hat aber gleich angekündigt , dass er die Sache im Ministerrat bereinigen wird. Einige Gedanken um das Cesarenschicksal werden ihm dennoch durch den Kopf gehen.

Di., 06.01.2015 - 00:07 Permalink