Burschenschaften und ihre Gegner/innen
„Wer weiß, vielleicht rufen die auch noch zur Demo gegen den Akademikerball in dieser Woche auf", zeigte sich der freiheitliche Landtagsabgeordnete Sigmar Stocker neulich von der Südtiroler HochschülerInnenschaft in Wien entsetzt. Was er dabei übersehen hatte: Die sh.asus Wien hatte dies bereits am Vorabend der Pressemeldung über Facebook getan - und tat es nachher gleich noch einmal. Südtiroler Studierende in Wien sind also - wie alle Studierenden - aufgerufen, sich an den Protesten und Kundgebungen zu beteiligen.
„Wenn sie uns vernichten, hat sich an ihren Problemen ja nichts geändert.“
Die andere Seite
Genauso vertreten sind Südtiroler/innen aber auf der anderen Seite der Barrikaden: Michael Demanega, ehemaliger Geschäftsführer der Freiheitlichen in Südtirol, ist neuerdings in einer Reportage des Online-Portals Vice zum Akademikerball und den Burschenschaften zu sehen. Aufgenommen wurde der Clip zum Teil in der Bude einer Burschenschaft - vermutlich jener der schlagenden Burschenschaft Teutonia. Demanegas Sitznachbar, Jörg Mayer, Sprecher der Teutonia, führt durchaus glaubhaft die Opferrolle der Burschenschaften aus. „Wie sind wir in die Rolle gekommen, der Alibi-Feind zu sein?“, will er wissen. „Wenn sie (die Linksradikalen, Anm.) uns vernichten“, so der Teutone, „hat sich an ihren Problemen ja nichts geändert.“ Fritz Hoewer von der Kölner Burschenschaft Germania ist ebenfalls mit dabei. Die Kölner Germania kam zuletzt 2011 in die deutschen Schlagzeilen, als sie am 20. April - sprich zu Hitlers Geburtstag - ihr „Coleur-Frühstück“ an der Universität veranstalteten. Selbst der Rektor sprach von einer „bewusste(n) Provokation oder einfach nur Dummheit“.
Demanega selbst kommt in dem Clip nicht zu Wort. Der junge Freiheitliche ließ bereits in der Vergangenheit durchklingen, dass er sich in der Wiener FPÖ beteiligen wolle - die Burschenschaft Teutonia mag dafür der richtige Ort sein: Die FPÖ rekrutiert viele ihrer Funktionäre aus den Reihen schlagender Burschenschaften. Reinhard Bösch etwa ist Alter Herr der Teutonia und FPÖ-Funktionär, einen ähnlichen Hintergrund haben Wolfgang Zanger, Mario Eustacchio sowie Andreas Mölzer. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) attestierte der Teutonia 2012 "offen artikulierten Antisemitismus" und rechnet sie dem rechtsextremen Spektrum zu. Im November 2014 meldete sie sich mit einem Flugblatt zu Wort, als in Wien das Deserteursdenkmal am Ballhausplatz errichtet wurde. Der Titel lautete: „Wer heute die alte Pflicht verrät… verrät auch morgen die neue.“
„Prozess und Urteil zeigen dreierlei: Wie unzuverlässig der Zeugenbeweis ist. Wie wenig in Österreich reichen kann, um für Monate weggesperrt und wegen schwerer Straftaten verurteilt zu werden. Und wie groß die Vorurteile in Teilen der österreichischen Polizei und Justiz gegenüber Aktivisten sind, die sich links der Mitte verorten.“
Die Burschenschaften, der WKR- und der Akademikerball
Der Akademikerball trat 2013 das Erbe des WKR-Balls an, der vorher vom Wiener Korporationsring ausgerichtet worden war. Seit die Betreibergesellschaft der Hofburg den WKR ausgeladen hat, fungiert die Wiener FPÖ als Organisatorin. Demonstrationen, Proteste und „minor incidents“ (so formulierte es die bbc 2014) gehen damit einher - zusammen mit vielfach kritisierten Ver- und Geboten: 2014 gab es ein Sperrgebiet mit einem größeren Umfang als jenes, als George W. Bush Wien besuchte, ein Vermummungsverbot wurde erlassen. Der an die Geschehnisse von 2014 anschließende Prozess gegen den Jenaer Studenten Josef S. wurde sogar auf Spiegel Online beschrieben: „Prozess und Urteil zeigen dreierlei: Wie unzuverlässig der Zeugenbeweis ist. Wie wenig in Österreich reichen kann, um für Monate weggesperrt und wegen schwerer Straftaten verurteilt zu werden. Und wie groß die Vorurteile in Teilen der österreichischen Polizei und Justiz gegenüber Aktivisten sind, die sich links der Mitte verorten.“
„Der Ball, als Ort der Vernetzung und der Wertschätzung von WissenschaftlerInnen, kann den Protest auf der Straße nicht ersetzen, er setzt aber hoffentlich ein Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz. Dennoch wünsche ich mir von der Stadt Wien, sich vehement dafür einzusetzen, dass Rechte und Rechtsextreme nicht mehr in der Hofburg tanzen können.”
2015 ist nun einer der Protestzüge des Bündnisses NOWKR untersagt worden - ob das zur Deeskalation beiträgt, steht auf einem anderen Blatt Papier. Das letzte Demonstrationsverbot liegt mittlerweile vier Jahre zurück - und wurde nachträglich vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erklärt. Dennoch gehen die Wogen schon vor dem Ball hoch: Heinz Christian Strache, Landesparteiobmann der Wiener FPÖ, verglich die antifaschistischen Demonstrant/innen auf Twitter mit der nationalsozialistischen Sturmabteilung.
Den freundschaftlichen Verbindungen nach Südtirol tun derartige Äußerungen keinen Abbruch - im Gegenteil: Neben den Freiheitlichen kooperiert auch die Süd-Tiroler Freiheit mit den österreichischen Blauen. Erst neulich wurde bekannt, dass Abgeordnete der FPÖ eine parlamentarische Anfrage zum Finanzabkommen zwischen Bozen und Rom stellten - auf Bitten der Süd-Tiroler Freiheit.
Die "echten" Akademiker/innen?
Um den Begriff des Akademischen nicht den deutschnationalen Burschenschaften und ihren rechten Gästen zu überlassen und die dadurch bedingte Vereinnahmung der Wissenschaft zu vermeiden, lädt die Stadt Wien in Zusammenarbeit mit den Wiener Universitäten 2015 erstmals zum „Ball der Wissenschaften“ ins Wiener Rathaus. Schon traditionell am klarsten ist hierzu das Statement der Generalsekretärin der Österreichischen HochschülerInnenschaft, Julia Freidl: „Der Ball, als Ort der Vernetzung und der Wertschätzung von WissenschaftlerInnen, kann den Protest auf der Straße nicht ersetzen, er setzt aber hoffentlich ein Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz. Dennoch wünsche ich mir von der Stadt Wien, sich vehement dafür einzusetzen, dass Rechte und Rechtsextreme nicht mehr in der Hofburg tanzen können.”
"die andere Seite"
"die andere Seite"
Genau hier liegt das Missverständnis, jede parteipolitische Organisation kann zu Demos, Gegendemos, Bällen oder Vernatschverkostungen einladen bzw. für sie werben. Wenn die sh.asus Wien unparteiisch ist, dann sollte sie es unterlassen. Wenn sie sich entschielst parteiisch zu werden, auch kein Problem. Nur soll dann bitte jede Partei ihre Studentenorganisation haben die vom Land unterstützt wird, oder keine.
Wie aggressiv die
Wie aggressiv die demokratischen? Links-Radikal und Anarcho-Demonstranten gegen diesen Rechten-Ball vorgehen (Gesicht spucken, werfen von Gegenständen, tragen von Waffen, usw.) widert mich genauso an, wie Nazi-verherrlichende Schicki-Micki Akademiker.
Siehe zu den gewaltbereiten Nowkr-Demonstranten, welche u.a. einen Heereseinsatz provozieren könnten:
http://diepresse.com/home/panorama/wien/4648800/Demo-gegen-Akademikerba…
http://diepresse.com/home/panorama/wien/4651415/AntiAkademikerballDemos…
https://twitter.com/LPDWien/status/561177531475558400?s=17
Also wer solche Aktionen verharmlost oder sogar unterstützt ist genauso demokratiefeindlich wie Neonazis.
Oliver, ich hoffe du
Oliver, ich hoffe du vermischt nicht persönliche Eindrücke von katholischen, farbentragenden Verbindungen mit den mensurschlagenden Burschenschaften deutschnationaler Tradition.
Ok, danke für die
Ok, danke für die Präzisierung, Oliver. Stimme ich übrigens sehr gerne zu. Mir war nur der Satz "...einige Mitglieder von Verbindungen und Burschenschaften..." ins Auge gesprungen und wollte mit meiner Nachfrage sichergehen, dass CVler und schlagenden Verbindungen nicht in einem Topf geworfen werden.
es wurde in den letzten
es wurde in den letzten jahren (wenn nicht jahrzehnten) viel sachlich diskutiert, ausführlich wurde immer wieder in den zeitungen über die burschenschaften und deren machenschaften geschrieben. die rechtsextremen figuren aus aller welt, die diesen ball besuchten, sind sogar namentlich bekannt. wer will, findet auf gewissen webseiten der schlagenden burschenschaften immer noch texte mit nationalsozialistischen gedankengut. die hofburg ist nicht irgendein gebäude, österreich hat ein wiederbetätigungsgesetz und allein deswegen fragen sich viele, nicht ob der ball stattfinden darf, sondern wieso er genau DORT stattfinden MUSS . also was schlagen Sie den antifaschisten vor, über was diese noch diskutieren sollten?