Was der türkische Staatspräsident Erdogan noch immer nicht verdaut hat: dass seine Partei AKP bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit verlor, während die kurdische HDP mit über 10 Prozent der Stimmen einen historischen Sieg davongetragen hat. Weil nicht nur Kurden, sondern auch mit Erdogan unzufriedene Türken die HDP gewählt haben, sann der neue Gross-Wesir in Ankara auf Rache.
Sie besteht darin, die HDP aus dem Parlament zu werfen, indem sie verboten wird und die freiwerdenden Stimmen sowie die absolute Mehrheit wieder zurückzuerobern. Diese wiederum braucht Erdogan, um seine Macht als Staatspräsident durch eine Verfassungsänderung zu stärken.
Vor diesem Hintergrund sind die widersprüchlichen türkischen Luftangriffe zu interpretieren. Denn welchen Sinn macht es, die im Kampf gegen den IS erfolgreichen kurdischen Peschmerga und PKK-Soldaten anzugreifen, wenn die Regierung in Ankara ihrerseits den Kalifen von Raqqa Al Baghdadi besiegen will?
Nur 3 IS-Stellungen hat die türkische Luftwaffe bombardiert, während sie Angriffe auf 13 PKK-Basislager flog, die dabei zerstört wurden.
Das Schlimmste aber: am Samstag rasten zwei von ISIS-Selbstmördern gelenkte und mit Sprengstoff gefüllte LKW in den Check-Point der von Kurden besetzten Stadt Tel Abyad!
Die kurdischen Kämpfer werden also von der Türkei und vom IS in die Zange genommen und eingekreist!
Dabei hat es der Westen den kurdischen Kämpfern zu verdanken, dass sich der islamische Terrorstaat bisher nicht weiter ausbreiten konnte!
Die USA und viele blauäugige EU-Politiker wie die die deutsche Verteidigungsministerin von der Leyen loben die Türkei seit ein paar Tagen über den grünen Klee, weil die Regierung in Ankara endliche klar Position ergriffen habe - gegen den IS.
Dabei sind die türkischen Luftangriffe nur der kurzfristige und vorübergehende Dank an die USA für deren Zustimmung zur Bildung einer Pufferzone an der türkisch-syrischen Grenze.
Übereinstimmenden Berichten zufolge soll dieses Gebiet in der Region Rojava 50 Kilometer lang und 40 Kilometer breit sein. Die Türkei habe sich bereit erklärt, dieses Gebiet vom IS zu säubern, um es dann zu besetzen. Von einer langfristigen, definitiven Bekämpfung des IS war nie die Rede.
Deshalb erliegen die zuständigen Politiker der atlantischen Allianz einer gewaltigen Täuschung, wenn sie meinen, die Türkei habe Seite gewechselt.