Politik | SVP Bozen

Junger Rebell

"Die SVP Bozen ist für junge Leute unwählbar", kritisiert Jakob Brugger. Er fordert eine Rundumerneuerung. Andernfalls könnte er eine eigene Bürgerliste ins Leben rufen.

Es ist noch keine Woche her, als Siegfried Brugger im Interview mit salto.bz den Satz sagte: “So wie die Stadtpolitik, ob SVP oder andere Parteien, zuletzt gelaufen ist, hört man nur mehr allseits: Bei so einem Sauhaufen wollen wir nicht dabei sein.” Einer, der sich von dem “Sauhaufen” nicht abschrecken lässt, ist Siegfried Bruggers Sohn. Jakob Brugger ist selbst SVP-Mitglied. Eine Zeit lang war er als Pressesprecher der Erlebnishaus GmbH tätig, bis dann der Bruch und der Rückzug folgten. Seit einigen Jahren arbeitet Jakob Brugger als Anwalt in der Kanzlei seines Vaters. Und ist wie dieser überzeugt: Es muss sich schleunigst etwas ändern in der Bozner SVP. Er stellt der Volkspartei eine Art Ultimatum: Entweder sie nimmt eine komplette Überholung vor, oder… Oder? Oder sie bekommt Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Jakob Brugger hat nämlich mit der Ankündigung aufhorchen lassen, mit einer eigenen Bürgerliste zu den Neuwahlen antreten zu wollen. Noch ist die Idee nicht ausgreift, und es wird erstmal abgewartet. Doch für Brugger steht klar: Sollte sich die SVP weiterhin weigern, offen über ihre Erneuerung nachzudenken und auch jungen Menschen Raum zu geben, gibt es keine Alternative, als selbst eine politische Initiative auf die Beine zu stellen.

Wer im Mai mit dieser ‘cordata’ angetreten wäre, der wäre heute verbrannt.


SVP – (k)eine Partei für junge Leute?

“Durch das Image, das die SVP hat – nur eine Lobby- und Partei für private Interessen zu sein –, ist sie für viele junge Leute unwählbar geworden”, kritisiert der junge Anwalt. Bis auf die vereinzelten ethnischen Torpedos, die die Volkspartei verschieße, sei keinerlei politische Ausrichtung zu erkennen. Dabei gäbe es so viel zu tun in Bozen. “Die Stadt erstickt in Bürokratie”, bemängelt Brugger, “es ist ein Wahnsinn. Wenn du als junger Mensch eine Initiative starten willst, wird es dir entweder unnötig schwer gemacht oder gesagt, es geht nicht oder sonstige Prügel in den Weg gelegt.” “Die Frage nach den wirklichen Bedürfnissen der Bozner und insbesondere junger Leute wird in der Stadt hingegen nicht gestellt”, stellt er fest. Wie etwa bei der Neugestaltung des Bozner Busbahnhofs. “Es wurde nicht gefragt, welches Projekt das bessere beziehungsweise im öffentlichen Interesse war. Sondern es wurde, wie es momentan grundsätzlich passiert, alles in Hinterzimmern ausgemacht”, so Bruggers Vorwurf. “Dabei kann es doch nicht im akuten öffentlichen Interesse sein, den Busbahnhof zu verschieben, damit ein Kaufhaus kommen kann?”, fragt er sich. Doch ihm geht es in seinem politischen Engagement nicht nur um den Busbahnhof: “Das darf kein Thema sein, dass die nächsten fünf Jahre die Stadtpolitik blockiert.”

Es war demoralisierend zu sehen, wie junge Leute, die motiviert waren, vor der Kandidatur abgesägt wurden.

Denn es gibt genügend andere Baustellen, an denen laut Brugger insbesondere die SVP arbeiten muss. Entbürokratisierung, klare Positionen in Sachen Immigration und soziale Themen, hier sollten die Prioritäten der Volkspartei liegen. “Es braucht ein klares Projekt für die kommenden fünf Jahre. Die SVP muss weg von der Beamtenpartei und zu einer Bürgerpartei werden.” Er selbst wünscht sich mehr Vertreter aus Privatwirtschaft und Arbeiterschicht, eine Öffnung in Richtung junger, engagierter Menschen – wie ihn selbst.


Von den Alten verschmäht

Sebastian Seehauser, den jungen SVPler, der vor Kurzem mit einer Petition an die Bozner SVP herantrat, kennt Brugger nicht. “Wir sind dann doch ein paar Jahre älter als Seehauser”, verrät er. “Wir”, das ist jene Gruppe von motivierten jungen Leuten, die Brugger vor den heurigen Gemeinderatswahlen zusammentrommelte – auf Bitte von Klaus Ladinser hin. Als es schließlich darum ging, geeignete Kandidaten für die SVP zu finden, hieß es danke, aber nein, danke. Von den Neulingen wollte man in der Partei nichts mehr wissen. Dabei habe es im Vorfeld einige gute Gespräche gegeben, bestätigt Jakob Brugger. Als sich dann abzeichnete, dass für seine Leute kein Platz auf der Kandidatenliste der SVP war, hat er sich geärgert: “Es war demoralisierend zu sehen, wie junge Leute, die motiviert waren, vor der Kandidatur dann abgesägt wurden.” Heute ist er froh, dass es so gekommen ist. “Wer im Mai mit dieser ‘cordata’ angetreten wäre, der wäre heute verbrannt.”

Die SVP muss die ethnischen Themen endlich beiseite legen.

Ob die SVP den sich drehenden Wind auch innerhalb der eigenen Partei spürt? Brugger ist nur vorsichtig optimistisch: “Ich habe das Gefühl, die SVP hat keine große Lust, ihre Linie zu ändern. Weil sie ja doch eine Stammwählerschaft zu bedienen hat. Daher wird es wahrscheinlich keine Priorität sein, jungen Leuten in der Partei einen Platz zu geben.” Aus diesem Grund scheint für ihn eine Bürgerliste ein guter, wenn auch nicht optimaler Ausweg. “Ich bin mir bewusst, dass eine Bürgerliste kein Allheilmittel ist. Vor allem in Bozen, wo es schon das Problem gibt, dass die Parteienlandschaft zu zersplittert ist. Aber andererseits – was ist das Risiko, wenn den Menschen keine Alternative geboten wird?” Das habe man bei den Wahlen im Mai gesehen: “Viele deutschsprachige Bürger sind erst gar nicht zur Wahl gegangen oder haben sich für Parteien wie die Grünen, 5-Sterne-Bewegung oder Projekt Bozen entschieden. Einige wählten den PD, weil da zumindest ein bisschen Linie zu erkennen war”, so die Analyse von Brugger.

Wenn du als junger Mensch eine Initiative starten willst, werden dir nur Prügel in den Weg gelegt.


Auf Linie bringen

Eine klare Linie, das scheint für ihn das Um und Auf (s)einer Partei zu sein. “Die SVP muss die ethnischen Themen endlich beiseite legen. Sie darf nicht nur die deutschsprachigen Bürger ansprechen, sondern muss ein Programm ausarbeiten, das eine breite Bevölkerungsmehrheit anspricht”, so Bruggers Vision. Für ihn wäre sogar vorstellbar, dass sich die SVP etwas weiter rechts positionieren könnte. “Das wäre keine schlechte Idee, aber nicht weil ich persönlich von dieser Richtung überzeugt bin, sondern weil sie dort viele Wähler abholen könnte”, erklärt er. Doch das Gegenteil sei derzeit der Fall, die SVP bewege sich immer weiter Richtung Mitte oder links, dahin, wo die Konkurrenz sehr groß ist. “Dadurch riskiert die Volkspartei, Wähler an die deutschen Rechtsparteien, die bei den nächsten Wahlen sicher wieder antreten werden, oder sogar an die Lega zu verlieren”, ist Brugger überzeugt.

Die Volkspartei ist für junge Leute unwählbar.

Und das könne doch nicht im Sinne der SVP, der er eine “tiefgründige Umorientierung” empfiehlt, sein. Doch er betont klipp und klar: “Wenn die bestehenden Parteien schlicht und einfach kein Angebot für die breite Bevölkerungsmehrheit haben, dann ist eine Bürgerliste die bessere Lösung.” Der sprichwörtliche Wink mit dem Zaunpfahl. Sollte es so weit kommen, will Brugger eine gemeinsame Zusammenarbeit mit der SVP aber nicht kategorisch ausschließen.