Politik | Kommentar

Journalistische Qualität

Der freiheitliche Landtagsabgeordnete Sigmar Stocker, seine Rolle als Saubermann, die SH-Wien und ein widerlicher Salto-Artikel. Ein Trauerspiel.

Seit drei Tagen schlafe ich jetzt nicht mehr. Der Grund dafür?
Sigmar Stocker und seine Anfrage beim Landesbeirat für Kommunikationswesen und bei der Journalistenkammer. Der freiheitliche Landtagsabgeordnete fordert, dass diese beiden Institutionen, die „journalistische Qualität“ eines salto-Artikels aus meiner Feder überprüfen sollen.

„Seit drei Tagen schlafe ich jetzt nicht mehr. Und Schuld daran ist nur das Teutsche Reinheitsgebot.“

Damit steht meine berufliche Zukunft unweigerlich auf dem Prüfstand. Deshalb zittere ich nur mehr und traue mich kaum mehr aus dem Haus. Und Schuld daran ist nur das Teutsche Reinheitsgebot. Oder das, was die Südtiroler Blauen darunter verstehen.
Doch der Reihe nach.

Die Pressemitteilung

Dem freiheitlichen Landtagsabgeordneten und Bauer Sigmar Stocker hat es anscheinend die SH-Wien und ihre Bude in der Schwarzspanierstraße angetan. Am Sonntag erreichte die salto-Redaktion folgende Pressemitteilung.
Weil es sich um einen immens wichtigen politischen Beitrag handelt, soll die freiheitliche Pressemitteilung hier vollinhaltlich wiedergegeben werden.

SH-Büro Wien: Landesrat Achammer will sich um hygienische Zustände kümmern
Widerlicher Medienbericht von Christoff Franceschini bei Journalistenkammer und Landesbeirat für Kommunikationswesen zur Prüfung deponiert

Bereits das zweite Mal beanstandete der Freiheitliche Landtagsabgeordnete Sigmar Stocker in einer Landtagsanfrage die chaotischen Zustände im Büro der Südtiroler Hochschülerschaft in Wien und belegte diese mit einer Fotodokumentation. Nun will Bildungslandesrat Philipp Achammer reagieren, wie aus seiner Beantwortung der Anfrage hervorgeht.
Achammer teilt Stocker mit, dass das Land ein Gespräch mit den Zuständigen der Hochschülerschaft suchen und eine ordentlichere Haltung der Außenstelle Wien einfordern werde. Der Freiheitliche Abgeordnete begrüßt diesen Schritt und schreibt in einer Pressemitteilung dazu, dass er es höchst an der Zeit finde, dass Beschwerden von Südtiroler Studenten ernst genommen werden, von denen auch er die Infos und Fotos erhalten habe.
„Wie jemand privat logiert, ist jedem seine Sache, aber ein SH-Büro für Südtiroler Studenten, welches mit mehreren tausend Euro an Steuergeldern des Landes finanziert wird, sollte hygienisch gesehen keine Bedenken verursachen“, so Sigmar Stocker weiter.

„Dass man sich über verärgerte Studenten und Landtagsanfragen auch in widerlicher Art lustig machen kann, zeigt ein Artikel des Journalisten Christoph Franceschini auf dem Nachrichtenportal ‚Salto.bz‘.“

„Dass man sich über verärgerte Studenten und Landtagsanfragen auch in widerlicher Art lustig machen kann, zeigt ein Artikel des Journalisten Christoph Franceschini auf dem Nachrichtenportal ‚Salto.bz‘. Dieser hat die Forderung nach mehr Ordnung im SH-Büro in Wien mit dem Geist und den Institutionen der Nationalsozialisten verglichen. Diesen Wahnsinn habe ich beim Landebeirat für Kommunikationswesen und bei der Journalistenkammer mit der Bitte um eine Stellungnahme zu ‚Journalistischer Qualität‘ deponiert“, so Stocker abschließend.

Wie bitte, Herr Achammer?

Ich bin verwundert. Nicht über den Südtiroler Ordnungsdienst aus dem freiheitlichen Hinterhof, sehr wohl aber über die Reaktion von Philipp Achammer. Der Kultur- und Bildungslandesrat oder seine Beamten scheinen plötzlich auf das teutsche Reinheitsgebot hereinzufallen. Ob ihnen bewusst ist, auf was sie sich dabei einlassen?
Auch dem Autor hat es die Südtiroler Hochschülerschaft nämlich angetan. Der Unterfertigte saß zwei Jahre im Vorstand, durfte mehrere Jahre lang den „Skolast“ gestalten und hat 20 Monate lang in der SH seinen Zivildienst abgeleistet. Seitdem ist zwar ein Vierteljahrhundert vergangen, aber die Grundzüge haben sich kaum geändert.
Deshalb: Die SH ist ein privater Verein, der für Dienstleistungen, die er in der Studentenberatung erfüllt, Beiträge der Landes bekommt. Dazu fördert die Landesregierung seit Jahrzehnten die Außenstellen der SH. Es sind Zuwendungen, wie sie Hunderte von Vereinen und Organisationen für ihre Arbeit bekommen.
Seit wann aber kontrolliert die Landesregierung die Ordnung oder Unordnung in den Vereinssitzen? Die SH-Bude Wien ist kein öffentlicher Ort, sondern der Sitz der SH-Wien. Der Vorstand der SH-Wien allein entscheidet, wie es dort auszuschauen hat oder nicht. Man kann damit einverstanden sein oder nicht.

„Würde es dem SVP-Obmann in den Sinn kommen, dem Schützenbund vorzuschreiben, welche Bilder er in seinem Büro im Waltherhaus aufzuhängen hat?“

So entscheidet auch jeder Student und jede Studentin, ob sie hingehen wollen oder nicht. Weder Sigmar Stocker, noch Philipp Achammer haben sich da einzumischen.
Oder würde es dem SVP-Obmann in den Sinn kommen, dem Schützenbund vorzuschreiben, welche Bilder er in seinem Büro im Waltherhaus aufzuhängen hat? Oder will sich vielleicht Sigmar Stocker sagen lassen, in welcher Schublade seines Landhausbüros (das mit Steuergeldern bezahlt und geputzt wird) sein Penisring (der anscheinend nicht mit Fraktionsgeldern bezahlt wurde) zu hinterlegen ist?
Wenigstens der Kulturlandesrat sollte darüber ernsthaft nachdenken.

Eine Eingabe

Es passt zur Geisteshaltung des Sigmar Stocker, dass der freiheitliche Landtagsabgeordnete davon ausgeht, dass der Landesbeirat für Kommunikationswesen oder die Journalistenkammer dazu befugt sind, „Stellungnahmen zur journalistischen Qualität“ abzugeben. In totalitären Systemen war und ist das so.
Dass es in demokratischen Staaten anders läuft und beiden Institutionen andere Aufgaben haben, dieses Wissen kann man anscheinend von einem freiheitlichen Landtagsabgeordneten nicht verlangen.
Deshalb Herr Stocker, rate ich Ihnen, wenn schon bei der Journalistenkammer die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen mich zu beantragen. Vor Ihnen haben das bereits einige etwas gewichtigere Zeitgenossen versucht.
Wenn ich mich richtig erinnere: Hatten die Freiheitlichen nicht einmal ein Parteibüro, das so sauber war, dass man darin Schießübungen veranstaltet hat?
Deshalb passt es auch so gut, dass der Blaue Budenwart jetzt vor anderen Türen kehren will.