Die letzten Mohikaner
Diego Cavagna ist kategorisch. „Ich gehe davon aus, dass ich klagen werde“, sagt der Verwaltungsratspräsident der „AEW Net“, „und ich werde nicht der Einzige sein“. Der ehemalige Meraner Vizebürgermeister ist verbal kaum mehr zu bremsen. „Ist das eine Art mit Menschen umzugehen?“, fragt er dann aufgebracht nach.
Es ist eine rhetorische Frage, auf die der Meraner Politiker seit Wochen eine klare Antwort hat. Ganz anders sieht man es in der Unternehmenszentrale des neuen Energiekolosses „Alperia“. „Diese Aktion ist unverantwortlich und zum Schämen“, sagt einer der leitenden Funktionäre.
Seit Wochen wütet hinter den Kulissen des neuen Südtiroler Energiebetriebes ein absurder Streit, der die operative Umsetzung der Fusion von SEL und Etschwerken nicht nur zeitlich deutlich verzögern wird. Es ist ein Streit, in dem es vordergründig um Formalien geht. In Wirklichkeit aber darum, alte Rechnungen zu begleichen. Es ist ein Machtkampf, der zwar aussichtslos ist, aber anscheinend geführt werden muss. „Das ist der Aufstand der letzten Mohikaner“, spottet einer, der selbst lange für die Etschwerke tätig war.
Der Grund des Streites liegt in der Fusion von SEL und Etschwerken. Sowohl die Etschwerke mit „Aew Trading“ als auch die SEL mit „Seltrade“ haben eine Verkaufsgesellschaft für den Strom. Dasselbe gilt für den Vertrieb. Dort gibt es die „SELnet“ und die „Aew Net“. Daneben gibt es noch ein Reihe weiterer deckungsgleicher Gesellschaften. Dass mit der Fusion diese Doppelgleisigkeiten beseitigt und die Betriebe zusammengelegt werden, war eigentlich allen klar. Und das ist auch geschehen.
Am 23. Februar 2016 hat der neue Energiebetrieb Alperia vier sogenannte „Business Unit“ vorgestellt. Alperia Greenpower übernimmt die Stromproduktion. Im Verwaltungsrat sitzen Giovanni Polonioli (Präsident) sowie Mario Trogni und Renate König. Den Verkauf und das Trading soll Alperia Energy durchführen, wo Paulina Schwarz (Präsidentin) Andrea Lanzingher, Giusy Martelli und Johann Wohlfarter im Verwaltungsrat sitzen.
Aew-Net-Präsident Diego Cavagna: „Keine Art uns zum Teufel zu schicken“.
Die Verteilung übernimmt Alperia reti, wo Francesca Pasquali als Präsidentin sowie Alois Amort und Andreas Bordonetti in den Verwaltungsrat nominiert werden. Alperia Ecoplus hingegen ist für Wärme und Service zuständig. Präsidentin ist hier Sibylle Überbacher. Günther Andergassen und Paolo Acuti sitzen im Verwaltungsrat.
Schaut man sich die Ernennungen und Namen an, so wird eine Facette des jetzt ausgebrochenen Streits mehr als deutlich. Von den sechs Verwaltungsräten der „Aew Trading“ und der „Aew Net“ kam bei diesen Ernennungen niemand zum Zug.
Offizieller Auslöser des Zwists ist aber ein Formalie. Ein unscheinbarer Punkt im Fusionsabkommen zwischen SEL AG und Etschwerke AG. In diesem Rahmenabkommen, das auch das Land und die beiden Gemeinden Bozen und Meran abgesegnet haben, steht unter Artikel 10, Paragraph 2, Komma 1, dass die Verwaltungsräte der Tochtergesellschaften der beiden Energieunternehmen innerhalb von 10 Tagen nach der erfolgten Fusion zurücktreten müssen.
Über 100 Verwaltungsräte sind dieser Vorgabe in den über 30 Tochtergesellschaften der beiden Energieversorger anstandslos nachgekommen. Sie traten im Jänner aus ihren Ämtern zurück.
Doch die Verwalter von zwei Etschwerketöchtern tun bisher so, als würde sie das Ganze nichts angehen. Im Verwaltungsrat der „Aew Trading“ sitzen als Präsident Diego Cavagna und die Verwaltungsräte Markus Erb und Claudia Chisté. Dem Verwaltungsrat der „Aew Trading“ steht Paula Aspmair als Präsidentin vor. Im Verwaltungsrat sitzen zudem Andrea Palaia und Dario Del Medico.
Dieses Sextett leistet offen Widerstand. „Wir haben beschlossen, dass wir nicht zurücktreten werden“, bestätigt Diego Cavagna gegenüber salto.bz.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Diego Cavagna und Paula Aspmair von Beginn an erbitterte Gegner der Fusion waren. Jetzt hängt man sich aber an einer Formalie auf. „Es hat sich nie jemand die Mühe gemacht, mit uns vorab zu reden“, sagt Cavagna.
Weil der Rücktritt der sechs Verwaltungsräte in der Alperia-Zentrale nie ankam, hat Präsident Wolfram Sparber am 17. Februar 2016 dem Sextett eine Mail geschickt, mit dem Vordruck zum Rücktritt. Diego Cavagna kocht immer noch: „Das ist doch keine Art, uns zum Teufel zu schicken“.
Aew Trade-Präsidentin Paula Aspmair (Mitte): Kein Rücktritt.
Beide Verwaltungsräte forderten daraufhin eine Aussprache mit Wofram Sparber. Dieser musste versichern, dass die Gremien bisher ausgezeichnet gearbeitet haben. Beim Treffen wollten Cavagna & Co aber wissen, warum sie jetzt gehen sollen. Formal soll die Zusammenlegung der beiden Tochtergesellschaften erst im Sommer erfolgen. „Bis dahin wollen wir weiterarbeiten“, sagt Cavagna. „und wenigstens noch die Bilanz abschließen.“
Innerhalb Alperia hat man für diese Forderung eine ganz andere Erklärung. Cavagna und Aspmair verdienen als Präsidenten der Etschwerketöchter nicht schlecht. Cavagna 45.000 Euro und Aspmair 35.000 Euro. „Die wollen noch eine Weile kassieren“, heißt es bei Alperia. Diego Cavagna bringt dieser Vorwurf zur Weißglut. „Weil die neuen Verwältungsräte nichts kosten?“, bellt er zurück.
Tatsache ist, dass das Sextett beschlossen hat, den Rücktritt nicht einzureichen. Jetzt muss der Gesellschafter Alperia die Verwalter abberufen. „Das sollen sie tun, dann aber auch die Verantwortung übernehmen“, sagt Diego Cavagna.
Der Ton gibt den Weg vor. Die Verwaltungsräte wollen vor Gericht ziehen und ihre (finanziellen) Rechte notfalls einklagen.
Cavagna in den Verwaltungsrat
Cavagna in den Verwaltungsrat der AEW Net zu berufen war eine Entscheidung der Eigentümer. Die Eigentümer der AEW haben auch die Fusion beschlossen. Cavagna sollte Entscheidungen des Eigentümers akzptieren und nicht nur jene die ihm genehm sind. Die Fusion ist ein Fakt, Eigentümer und politische Einflussnahmen haben sich geändert und dies muß auch Cavagna zur Kenntnis nehmen und gehen.
Die geschichtlichen und
Die geschichtlichen und politischen Hintergründe kennen ich zu wenig. Doch ein Aspekt scheint mir wichtig. Auch wenn jemand gut verdient bzw. die Vorgänge der Fusion kennt, kann ich nachvollziehen, dass jemand trotzdem erstens persönlich informiert werden will und dass er/sie verstehen will warum er/sie für das Nachfolgegremium nicht mehr in Frage kommt ("Dieser musste versichern, dass die Gremien bisher ausgezeichnet gearbeitet haben. Beim Treffen wollten Cavagna & Co aber wissen, warum sie jetzt gehen sollen. ") Es geht also auch um eine nachträgliche Wertschätzung und einem ordentlichen Abschluss, der nicht nur per unpersönlichen E-Mail erfolgen darf. Seit mindestens 20 Jahren wird Kommunikation groß geschrieben, unzählige teure Seminare abgehalten und besucht, in der Realität werden Menschen jeglichen Couleurs schlussendlich wie Nummern behandelt, in der Politik und anscheinend auch in der Wirtschaft.
Von Seiten des
Von Seiten des Verwaltungsrates der "Aew Trading" Andrea Palaia erreicht uns folgende Stellungnahme, die wir gerne abdrucken:
In merito al suo articolo, come concordato telefonicamente, sono ad inviarle alcuni chiarimenti rispetto alla mia posizione.
In risposta all'email di Wolfram Sparber del 22 gennaio che annunciava l'imminente invio del modulo di dimissioni da sottoscrivere, come da lui stesso offerto, ho richiesto chiarimenti con una lettera. Domandavo in particolare se anche gli altri organi sociali (revisori, OdV) avessero ricevuto lo stesso invito, del perché le dimissioni fossero ritenute opportune prima della fusione di AET, SEL Trade e SEL Gas in Alperia Energy (previsto per il 1. luglio prossimo) e a così breve distanza dall'approvazione del bilancio; soprattutto nominativi e tempistica di insediamento dei nuovi amministratori.
Il dott. Sparber è intervenuto il 18 febbraio al CdA di Azienda Energetica Trading fornendo le spiegazioni richieste e si è convenuto sull'opportunità di fare ormai arrivare ad approvare il bilancio a questo Consiglio. La sera stessa ho annunciato la rassegnazione delle mie dimissioni subito dopo tale scadenza.
I nuovi amministratori sono stati nominati solo successivamente.
Da parte mia non c'è nessuna volontà di ostruzionismo rispetto all'importante operazione di fusione, ma da amministratore ormai pluriennale di AET mi sono permesso di richiedere tutti i chiarimenti necessari per lasciare serenamente la società al nuovo corso.
A disposizione per chiarimenti, porgo i miei più cordiali saluti
Andrea Palaia