Politik | Autonomie-Konvent

Gesunde Äpfel, faule Äpfel

Die Aufregung rund um angebliche Fremd-Registrierungen für das Forum der Hundert wirft statistische, technische und juridische Fragen auf.

Dass die SVP womöglich dabei ertappt wurde, wie sie ihre Funktionäre und Mandatare ohne deren Mitwissen für das Forum der Hundert registrierte – die Volkspartei leugnet diesen Umstand, von dem die Süd-Tiroler Freiheit wiederum absolut überzeugt ist -, hatte im Landtag ein politisches Nachspiel. Wie weit reichen jedoch die praktischen Folgen? Hatten die Fremd-Registrierungen Auswirkungen auf das Ergebnis der Ziehung der Namen für das Forum der Hundert? Und drohen der SVP tatsächlich rechtliche Konsequenzen?

Die Staatsanwaltschaft Bozen hat Ermittlungen gegen Unbekannt eingeleitet, nachdem die Süd-Tiroler Freiheit in einer Eingabe behauptet hatte, die SVP habe mehrere Funktionäre für das Forum der Hundert im Rahmen des Autonomie-Konvents registriert, ohne dass dies den Betroffenen bewusst gewesen sei. Der Verdacht betrifft in erster Linie die Online-Registrierungen. In dem Formular waren Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Geschlecht, Sprachgruppe, Wohnort und Kontaktdaten (Telefonnummer oder E-Mail-Adresse) anzugeben. Dazu musste eine „Eigenerklärung in Bezug auf den Wahrheitsgehalt der angegebenen Daten“ durch das Setzen eines Häkchens in einer Checkbox bestätigt werden.

Wenn nun die SVP tatsächlich – was zu beweisen ist – einige ihrer Funktionäre ohne deren Mitwissen angemeldet hat, dann hat sie sich beim Ausfüllen des Formulars als jemand ausgegeben, der sie gar nicht ist. Das Strafgesetzbuch nennt das „sostituzione di persona“, also Annahme einer falschen Identität. Dazu kommt unter Umständen aber noch ein zweiter Verdacht, nämlich der auf Missbrauch von personenbezogenen Daten durch den Inhaber, also den Verwahrer, dieser Daten. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die SVP-Funktionäre, die der Partei ihre persönlichen Daten überlassen haben, damit auch ihre Zustimmung zu der oben beschriebenen Verwendung gegeben haben.

Stellt nun die Tatsache, dass sich möglichweise unter den 1.829 Bewerbern für das Forum der Hundert gewissermaßen Schein-Bewerber befanden, die statistische Korrektheit der Auslosung in Frage? Immerhin mussten bei der Ziehung „gesunde Äpfel“ mit „faulen Äpfeln“ konkurrieren, und die Schein-Bewerber erhöhten die Gesamtzahl der Bewerbungen, wodurch für die echten Bewerber die Wahrscheinlichkeit sank, gezogen zu werden. Der ASTAT-Statistiker Stefano Lombardo verneint, was der Hausverstand suggieren möchte. Sollte es tatsächlich unfreiwillige Bewerber gegeben haben, die gezogen wurden, dann wurden diese durch echte Bewerber ersetzt. Statistisch sehe er hier kein Problem, so Lombardo. Im Endeffekt bestehe das inzwischen eingesetzte Forum ja aus 100 Personen, die tatsächlich an der Teilnahme interessiert waren und sich deshalb (selber) registriert haben.

Lombardo sieht aber im Zusammenhang mit der Auslosung der Hundert ein anderes, grundsätzliches Problem: die Grundmenge, aus der sie gezogen wurden, ist nicht die gesamte Südtiroler Bevölkerung, sondern eine Untergruppe davon, nämlich die der am Forum Interessierten. Es habe also eine Art Vorauswahl gegeben, die nicht nach statistischen Kriterien erfolgt ist, erklärt der ASTAT-Experte. Das politische Ziel, mit dem Forum der Hundert ein "Spiegelbild" der Südtiroler Gesellschaft zu schaffen, sei also aus statistischer Sicht von vorne herein zum Scheitern verurteilt gewesen. 

Marc Röggla von der EURAC verteidigt indessen die Entscheidung der Konvent-Veranstalter, die technische Schwelle bei der Online-Registrierung fürs Forum der Hundert so niedrig wie möglich zu halten. „Wir wollten das Forum bewusst auch für Menschen zugänglich machen, die keine 'digital natives' sind und unter Umständen nicht einmal eine E-Mail-Adresse haben“, erklärt er. Eine absolut zuverlässige Identitätskontrolle, argumentiert Röggla, hätte ohnehin nicht online stattfinden können. „Die Überprüfung der Identität der Registrierten kann nur durch Vorzeigen des Ausweises erfolgen.“ Und dieser Schritt war zu einem späteren Zeitpunkt geplant.

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Profil für Benutzer Christian Mair
Christian Mair Do., 07.04.2016 - 11:56

Es gilt zwar bis zum Beweis des Gegenteils immer die Unschuldsvermutung, wenn jedoch Mitglieder und darüber hinaus auch noch hochrangige Funktionäre (Privatperson: in privater (2) Eigenschaft, nicht im Auftrag einer Firma, Behörde o. Ä. handelnde Person) systematisch angemeldet wurden, kompromittiert dies jede weitere Abstimmung im Forum.
Hier so zu tun als ob dies statistisch keine Signifikanz hätte, ist äusserst fragwürdig, nimmt es die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft voraus.
Eine zu österreichische "e-wuarscht"- Herangehensweise, die die Suche nach grösserer Legitimation einer Autonomiereform schmälert und das Forum der Hundert zu einer Alibiaktion macht.

Do., 07.04.2016 - 11:56 Permalink