Umwelt | Bergwiesen

“Das Dogma muss fallen”

Die Umweltschutzgruppe Vinschgau warnt vor der Zerstörung der Obervinschger Bergwiesen – und fordert von Landwirtschaft und Politik ein radikales Umdenken.

Bewirtschaftung um jeden Preis? Diese Frage steht zwischen den Zeilen, die die Umweltschutzgruppe Vinschgau am Freitag Nachmittag ins Land schickt. Im Visier der Umweltschützer: “die unbekümmerte Einstellung der Landwirtschaft und der sie unterstützenden Politik, was den Erhalt und die Pflege von Bergwiesen betrifft”. Abertausende Krokusse, Primeln und Pelzanemonen zwischen einem Mosaik aus trockeren Bereichen und Quellmooren prägen die “letzten verbliebenen artenreichen Bergwiesen im Vinschgau” wie die Umweltschützer die Wiesen in Matsch, Planeil, am Eingang des Langtauferer Tales und im Bereich des Rojentales im Obervinschgau bezeichnen. Eine Idylle, die nicht zuletzt zu einem beliebten Fotomotiv auch auf Kalenderblättern geworden ist. Doch glaubt man der Vinschger Umweltschutzgruppe, ist die Idylle bedroht. Von einer Landwirtschaft, die zu sehr auf reine Wirtschaftlichkeit ausgerichtet sei und einer Politik, die zum Teil “kontraproduktive Subventionen” auszahle, so die Umweltschützer. Sie fordern einen Paradigmenwechsel.

 

Ohne Wenn und Aber?

Anlass zur Sorge gibt den Umweltschützern ein jüngster Fall aus der Gemeinde Graun. Die Baukommission hat vor Kurzem der Planierung einer Bergwiese in Rojen mehrheitlich zugestimmt. Angesucht hatte ein Landwirt aus Reschen, um die Bewirtschaftung der Bergwiese zu erleichtern. Für die Umweltschützer eine Rechnung, die nie und nimmer aufgehen kann, und bei der die Kosten – die vor allem die Gesellschaft aufgrund der “irreversiblen Zerstörung von Natur und traditioneller Kulturlandschaft” bezahlen müsste – den Nutzen weit übersteigen. “Es ist klar, dass der Bauer vom Fotomotiv und der intakten Flora und Fauna dieser Wiesen nicht leben kann”, zeigt man sich verständnisvoll. Zugleich ist man überzeugt: “Er kann aber auch nicht vom Ertrag der Wiesen leben und wenn er noch so intensiviert.”

Krokusblüte im Rojental. Foto: Umweltschutzgruppe Vinschgau

Aus diesem Grund stellen die Umweltschützer auch die öffentlichen Subventionen, die es von der Abteilung Landwirtschaft im Zuge einer geförderten Intensivierung und/oder Rationalisierung “auch für die Planierung einer über 2.000 Meter hoch gelegenen Bergwiese” gibt, an den Pranger – und eine provokante Forderung in den Raum: “Es ist höchst an der Zeit, die kaum widersprochene und von bauernpolitischer Seite gebetsmühlenartig wiederholte Doktrin anzuprangern, wonach dem Bauern ohne Wenn und Aber das Wirtschaften erleichtert werden muss.”

Die derzeitige Handhabung von “Meliorierungen” (Vereinfachung der Bewirtschaftung, Anm. d. Red.) im Berggebiet lässt den Schluss zu, dass die eigentliche Motivation hinter solchen Antragstellungen eine möglichst schnelle (maschinelle) Mahd auf möglichst ebenen und völlig hindernisfreien Wiesen ist. Wenn solchen Begehrlichkeiten schon fast dogmatisch nachgegeben wird, dann ist von vornherein keine gesunde Entwicklung von Berglandwirtschaft mehr möglich.
(Umweltschtuzgruppe Vinschgau)


Zeit zum Umdenken

Es müssten “echte nachhaltige Lösungen” her, “gerade in der wirtschaftlich schwachen Berglandwirtschaft”, so der Appell der Umweltschützer. Ökologische und kulturhistorische Werte müssten mit einbezogen und gegebenenfalls stärker gewichtet werden “als die reine Arbeitserleichterung”, schlägt die Umweltschutzgruppe vor. In diesem Sinne müssten etwa Beiträge wie jene für die Planierung von Bergwiesen wegfallen und durch die Aufstockung der ökologisch motivierten Ausgleichszahlungen an die Bauern ersetzt werden. “Dann wäre die Bilanz für alle um einiges besser”, bekräftigen die Umweltschützer.

Der Antrag des Grauner Bauern ist von der Baukommission inzwischen weitergeleitet worden. Er liegt nun bei der Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung des Landes. Dort muss entschieden werden, dem Vorhaben stattzugeben oder es abzulehnen. Für die Umweltschutzgruppe Vinschgau ist die Sache klar: Wird der Antrag genehmigt, würde dadurch ein Präzedenzfall “mit (nicht) auszumalenden Folgen” geschaffen. Daher ihr eindringlicher Appell nach Bozen, dem Antrag auf die Planierung der Rojer Bergwiese nicht stattzugeben: “Dies im Sinne einer fairen Abwägung zwischen den Interessen einer Einzelperson, des tatsächlich zu erwartenden wirtschaftlichen Gewinns und vor allem des zu verantwortenden Verlusts von bislang intakten Lebensräumen samt artenreicher Flora und Fauna.”

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Salto User
Sepp.Bacher Sa., 20.08.2016 - 18:01

Der Bergbauer als Landschaftsgärtner (Landschaftspfleger)? Welcher (Landschafts-)-Gärtner sorgt nicht für die Schönheit sondern verhindert die Vielfalt und Schönheit der blühenden Natur? Das funktioniert nur wenn man den Bock (Bergbauer/landwirtsch. Unternehmer) zum Gärtner macht!

Sa., 20.08.2016 - 18:01 Permalink
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martin hilpold So., 21.08.2016 - 12:11

Diese idyllischen Bergwiesen sind erst durch die Landwirtschaft entstanden und es wäre die Aufgabe der Landesregierung, für den Schutz solcher Wiesen zu sorgen- die will davon aber nichts wissen.
Für den Erhalt der Artenvielfalt ist die Beibehaltung der traditionellen Bewirtschaftungsmethoden unabdingbar. Doch hierzulande geht es den letzten verbliebenen Bergwiesen an den Kragen- mit Meliorierungen und Planierungen oder einer Jauchepackung.
Ob in den Bächen oder auf den Bergen- bei uns wird immer nur gebaggert, Naturschutz ist ein Fremdwort. Bauern werden nicht für ihre Leistungen für den Erhalt der Biodiverstität in gebührender Weise gefördert. Wegen des bisschen Grünfutters mehr, das durch die Planierungen eingebracht wird, nimmt man grosse Schäden an der Landschaft in Kauf.
Mich graust es oft, wenn ich auf dem Berg gehe, Mistteppiche auf Wiesen, Bagger am Ende der Welt und dann kommen noch die Jäger und knallen vor meiner Nase Murmeltiere in Meran 2000 ab. Dieses Land ist die reinste Zumutung, für jeden der die Natur mag.

So., 21.08.2016 - 12:11 Permalink
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martin hilpold So., 21.08.2016 - 12:50

Für die Umweltschutzgruppe Vinschgau ist die Sache klar: Wird der Antrag genehmigt, würde dadurch ein Präzedenzfall “mit (nicht) auszumalenden Folgen” geschaffen."- das ist sicher kein Präzedenzfall, sondern gängige Praxis. Bauern bekommen Geld für Meliorierungen, ob in Natura 2000 Gebieten, Lanschaftsschutzgebieten oder Gebieten ohne Schutz.

So., 21.08.2016 - 12:50 Permalink