Politik | Über Trumps Sieg

Grillos Ekstase

Erst die Bildung einer gemeinsamen Fraktion mit Farage im Europaparlament. Nun die Hymne auf Trumps Sieg, der als ersten Europäer Farage empfing.
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Foto: AGF

"Es ist ein Wahnsinn. Das ist die Explosion einer Epoche. Es ist die Apokalypse der Information, des Fernsehens, der großen Zeitungen, der Intellektuellen, der Journalisten. Es ist das allgemeine VAFFANCULO (der 'Vaffanculo-Tag', deutsch 'Leck mich am Arsch', ein von Grillo erfundener Protesttag, Anm. d. R.). Trump hat einen wahnsinnigen Vaffanculo-Day hingelegt.

Das ist der Beweis, dass nicht die Millionen von Menschen die Demagogen sind, sondern die Journalisten, die Intellektuellen, die sich an einer Welt festklammern, die es nicht mehr gibt. Das haben wir bei unserer Bewegung gesehen. Es gibt fast Ähnlichkeiten zwischen dieser amerikanischen Sache und unserer Bewegung. Wir sind entstanden und sie haben es nicht gemerkt, weil wir einen Journalismus haben, der immer mit Verzögerung kommt und erst dann etwas begreift, wenn es schon geschehen ist. Und es schon zu spät ist. Wir wurden die stärkste politische Bewegung in Italien und sie haben es nicht gemerkt, jetzt aber merken sie es und fragen noch nach dem Warum. Wir werden die Regierung übernehmen und sie werden fragen: 'Wie haben sie das bloß geschafft? Sie haben die Wut aufgegriffen etc. etc.'.

Über den 'Maiskolben' (Grillos Spitzname für Trump, Anm. d. R.) haben die großen Medien viel Ähnliches erzählt wie über unsere Bewegung. Erinnert ihr euch? Sie sagten, dass wir Sexisten, Homophobe, Demagogen, Populisten sind. Sie begreifen nicht, dass inzwischen Millionen von Menschen ihre Zeitungen nicht mehr lesen und auch nicht mehr fernsehen. Genau darauf hat Trump gesetzt. Und hat damit Millionen und Abermillionen erreicht. Die Wahlbeteiligung in den USA war unglaublich hoch. Das bedeutet, dass die Leute weiter sind als die zu spät kommende Information. Die anderen hingegen sind auf eine Welt eingerichtet, die es nicht mehr gibt.

Die wahren Helden sind wir! Helden, die experimentieren und die Abgehängten und Gescheiterten zusammenführen. Weil das Scheitern Poesie ist. Honda hat mal gesagt: 'Mein Leben besteht aus Scheitern'. Es sind die Hartnäckigen, die etwas wagen, es sind die Barbaren, die die Welt nach vorne bringen. Wir sind die Barbaren! Die wahren Schwachsinnigen, Populisten und Demagogen sind die Journalisten und Intellektuellen des Regimes, die den großen Mächten bedingungslos dienen. 'Der Maiskolben' hat alle zum Teufel gejagt: Freimaurer, große Bankkonzerne, Chinesen. Womöglich wird er jetzt gemäßigter. Ich sehe schon kommen, dass er sagt: 'Ja, das habe ich gesagt, aber das war im Wahlkampf etc.'. Aber die Welt hat sich schon verändert. Und man muss diese Signale deuten. Diejenigen, deren Beruf es ist, diese Signale zu deuten und dafür Geld zu kriegen, die sind tot."

Nachbemerkung: Das ist unsere Übersetzung des Textes, den Beppe Grillo am 9. 11. nach dem Wahlsieg Trumps in seinen Blog setzte und gleichzeitig als Video postete. Die Holprigkeiten der Übersetzung entsprechen den Holprigkeiten des Originals.

Im Italienischen gibt es das treffende Wort „delirante“. Es bezieht sich auf die Rede von jemandem, der im Delirium ist. Im Zustand eines solchen Außer-sich-Seins befindet sich offenbar Grillo nach Trumps Sieg, an den er sich hier hängt, schäumend vor Begeisterung und bestrebt, seine Bewegung zu überreden, sich mit diesem Sieg zu identifizieren -  er sieht in Trumps Sieg die Vorwegnahme seines eigenen Siegs.

Grillos Beweisführung: Trump hat am 8. 11. einen „Vaffanculo“-Tag hingelegt, den auch ich, Grillo, zelebriere. Hatten die Medien ihn nicht schon totgesagt? Auch ich scheiße auf die Lügenpresse, das Lügen-Fernsehen, die ganze Bande bezahlter Journalisten und Intellektueller, die doch nur Sklaven des „Regimes“ sind. Man sagt, wir seien sexistisch, homophob, demagogisch, fremdenfeindlich? Seht doch, das werfen sie auch IHM vor. Na und? Musste ER sich die Mühe machen, das zu widerlegen, müssen wir es tun? Diejenigen, die das über uns berichten, sind doch längst tot, ihre sog. „Informationen“ Schnee von gestern. Wichtig ist nur eins: dass er damit „Millionen und Millionen von Menschen“ erreichte, und genau das tun auch wir. Das Ergebnis rechtfertigt alles.

Es ist ein Schulterschluss ohne ein Wort über diejenigen, die nun ebenfalls triumphieren: Salvini, Le Pen, die AfD.  Grillos Botschaft ist eine einfache Welt, die sich nur noch in "WIR" und "SIE" spaltet. "WIR", das sind Bewegungen wie die von Trump und von uns, die sich nicht mehr darum scheren, was unsere Gegner über uns behaupten. Das sind "SIE", die Rückwärtsgewandten. Hört nicht auf sie, sie sind längst tot. Und wir übernehmen, wie Trump, trotzdem die Macht.

Am Ende ein Crescendo der Selbstanbetung. Wie jeder Schluss, der auf eine Apotheose zusteuert, beginnt es mit einem Moment des Innehaltens: mit der „Poesie des Scheiterns“ (das klingt fast zärtlich - meint er die Schwierigkeiten, in denen die neue römische Bürgermeisterin Virginia Raggi steckt?).  Dann wird es eine Mischung von Phantasy und Richard Wagner: "Wir sind die Barbaren! Die Barbaren, die etwas wagen und die Welt nach vorne bringen“. Das ist die Generalabsolution. "Die wahren Helden sind wir“.

Was man auch immer von Trumps Sieg halten mag: Er klärt die Fronten. Grillo bringt er zu einem Schulterschluss, in dem er vor allem Auskunft über sich selbst gibt: Alles ist erlaubt, was uns nützt. Wie bei Trump.