Politik | Shitstorm

“Keine Debatte ohne Sündenbock?”

Seit sie sich zu einem Kruzifix-Verbot zu Wort gemeldet hat, “werde ich mit Hass- und Drohbotschaften überhäuft”, berichtet Brigitte Foppa. Sie ist – auch – erstaunt.

Es gibt kaum ein Thema, das die Emotionen so hoch gehen lässt wie die Debatte über religiöse Symbole. Hier das Kopftuch, dort das Kreuz – wie schnell man als Person des öffentlichen Lebens mit einer kritischen Stellungnahme zu den in regelmäßigen Abständen wiederkehrenden Diskussionen ins Kreuzfeuer gerät, zeigen die jüngsten Vorfälle um Brigitte Foppa. “Weg mit dem Kreuz” wird die Grüne Landtagsabgeordnete, zur wieder aufgeflammten Debatte um das Kreuz in öffentlichen Gebäuden in Österreich befragt, in der Wochenendausgabe der Südtiroler Tageszeitung zitiert. Andere Südtiroler Online-Medien übernehmen die Meldung, und es dauert nicht lange, bis ein regelrechter Shitstorm über Foppa hinwegfegt.

Vielleicht lag es an dem regnerischen und verschneiten Wetter, dass über das Wochenende so viele Menschen Zeit hatten, eine derart geballte Ladung an Hasskommentaren und Drohungen gegen die Grüne in den sozialen Netzwerken zu verfassen. Einige der ausfälligsten Kommentare hat salto-Blogger Damian Foppa in seinem Blog aufgelistet. So wünscht sich einer, “die Foppa ans Kreuz zu nageln”. “Die hat sie ja nicht alle beinand, das Weib”, schreibt eine andere. Sämtliche Postings und Kommentare hier aufzulisten, würde wohl den Rahmen sprengen, es sei aber angemerkt, dass auch zahlreiche Stimmen aus der Politik nicht gerade zimperlich verbal gegen die Grüne schießen. “Unsinniges Kreuzverbot der Grünen”, lautet der Titel einer Pressemitteilung der Jungen Süd-Tiroler Freiheit, in der man sich die Frage stellt, “wieso verbieten wir nicht Burkas, Schächten und die Freistellung vom Sportunterricht?” “Angesichts der Forderung der Grünen, wonach das Kreuz aus den Schulen verschwinden soll, da dies nicht mehr zeitgemäß sei, fehlen mir die Worte”, schreibt der Vorsitzende der Jugendorganisation der SVP Stefan Pramstaller auf Facebook, und fügt hinzu: “Religion steht keinesfalls zur Diskussion!” In Windeseile haben auch die Freiheitlichen reagiert und einen Beschlussantrag mit dem Titel “Kruzifix gehört zu Südtirol – Kultur und Tradition wichtiger als ideologische Vision” verfasst.

Welchen Hass und niederträchtiges Verhalten Religionen bei Menschen auslösen können, sieht man an den Kommentaren. Mir graut’s.
(ein Facebook-User)

Von dem Shitstorm, der vor allem auf Facebook wütet, kalt erwischt, hat Brigitte Foppa inzwischen eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie ihre Sicht der Dinge wiedergibt und sich besorgt über die Diskussionskultur im Land zeigt:

“Von einem Redakteur der Neuen Südtiroler Tageszeitung wurde ich angerufen und zur Debatte in Österreich bezüglich des Kruzifixes in öffentlichen Gebäuden um meine Meinung gefragt.

Im Interview wurde diese auch wiedergegeben:

Wir leben in Italien in einem Laienstaat, der die Trennung zwischen Kirche und Staat vorsieht. Die Präsenz von religiösen Symbolen im öffentlichen Raum gehört bisher als kulturelle Tradition dazu. Ich kann damit auch gut leben. Wenn sich die Gesellschaft wandelt und nicht mehr nur eine Religion ihre von der Verfassung verbrieften Rechte leben will, so sagte ich im Interview, werden wir uns über die Präsenz von religiösen Symbolen im öffentlichen Raum neu verständigen müssen. Persönlich bin ich nicht religiös, fügte ich hinzu, und finde, dass Religion eine private Angelegenheit ist.

Die angebliche Forderung nach “Entfernen des Kreuzes aus den Schulkassen” wurde von mir nicht erhoben. Es reichte eine derartige Andeutung in der Titelzeile, um dies zur Nachricht zu machen. Ohne jegliche Nachfrage wurde die nicht getätigte Aussage von anderen Medien übernommen. Für dieses Vorgehen erwarte ich mir umgehend Richtigstellungen insbesondere von “Unser Tirol 24” und “Südtirol News”.

Ich werde seitdem mit Hass- und Drohbotschaften überhäuft. Die Aussagen reichen von “Scham di” bis hin zu Kreuzigungs-, Gewalt- und Ausweisungsphantasien. Die aggressiven, zum Teil gewaltsamen Reaktionen geben Aufschluss über die Meinungskultur in unserem Land. Dass es nicht möglich sein soll, über den Umgang mit religiösen Symbolen in einer sich verändernden Gesellschaft zu diskutieren, muss uns erstaunen.

Es gab auch solidarische Aussagen, für die ich dankbar bin. Eine Gesellschaft, die sich gern als abendländisch und aufgeklärt definiert, sollte solche Debatten gelassener und ohne Sündenböcke führen können.”