Politik | Gastkommentar

„Das geht so nicht“

Ein Brief des Bozner Psychiaters Mario Horst Lanczik zum „Pollo der Woche“ für Cristian Kollmann anlässlich der Verleihung des goldenen Mussolini an Renzo Carmaschi.
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Foto: STF
Sehr geehrter Herr Franceschini,
das geht so nicht. Ich möchte Sie ganz dringend bitten, Ihre Einlassungen über Herrn Kollmann bei salto zurückzuziehen.
 
Ich stamme aus einer schlesischen Familie, die sowohl väterlicherseits, als auch mütterlicherseits Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet und sehr unter diesem gelitten hat. Vielleicht interessiert Sie einmal bei Gelegenheit die Geschichte, wie ich in Buenos Aires eine der jüdischen Familien gefunden und besucht habe, die von meinem Onkel Franz vor der Vernichtung gerettet wurden. Ich bin jetzt auf dem Weg nach Schlesien, wo ich mich um die deutsch-polnische Aussöhnung bemühe.
 
Ihre Aussagen über Herrn Kollmann haben mich deshalb sehr erschreckt. Man kann selbstverständlich geteilter Meinung über ihn und seine Aktion mit dem Goldenen Benito sein, ihn aber derart persönlich anzugreifen und auch in die Nähe des Nationalsozialismus zu rücken, ist nicht nur verfehlt, sondern empfinde ich und meine Familie als Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus und aller anderen Formen des Faschismus. Den politischen Gegner inflationär als Nazis zu bezeichnen, führt zur Verharmlosung  der Täter und Herr Kollmann ist sicher kein Ideologe des Massenmordes. Ich kenne auch keine Aussage von ihm, die ihn als Anhänger der Apartheid ausweist. Würde ich Sie und Ihr verdienstvolles Engagement nicht besser kennen, würde ich Ihnen nur bösen Willen unterstellen.
„Ich gebe zu bedenken, daß die Weltanschauung, die Herr Kollmann offensichtlich vertritt, in vielen Ländern der Welt, von marxistischen Befreiungsbewegungen in Asien und Afrika bis hin zur Befreiungstheologie in Lateinamerika durchweg von Linken vertreten wird.“
Hingegen vermisse ich tatsächlich eine entschlossene Auseinandersetzung mit faschistischen Symbolen in Bozen. Ich gebe zu bedenken, daß die Weltanschauung, die Herr Kollmann offensichtlich vertritt, in vielen Ländern der Welt, von marxistischen Befreiungsbewegungen in Asien und Afrika bis hin zur Befreiungstheologie in Lateinamerika durchweg von Linken vertreten wird. Ein vereinfachendes und zudem falsches Rechts-Links-Denken vernebelt nur die dringend notwendige, inhaltlichen Auseinandersetzung mit Kollmanns politischem Agieren. 
 
Ich frage mich, ob sie Herrn Kollmann überhaupt persönlich kennen, ansonsten wäre Ihnen das doch nicht passiert, ihn derart unter die Gürtellinie anzugreifen und das in einer Diktion, die mich an die schlimmsten Zeiten europäischer Geschichte erinnert. Suchen Sie doch das offene sachliche Gespräch mit ihm. Sie sollten sich beide der Diskussion stellen und dabei jede Beschimpfung und Beleidigung unterlassen. Dafür ist das Thema faschistischer Symbolik angesichts des Wiedererstarken von Rechts- und Links-Populisten in der europäischen Politik viel zu brisant.
 
Ganz persönlich: Ich fühle mich von den faschistischen Symbolen in Bozen beleidigt. Daß es so etwas im hoffentlich nicht untergehenden Europa des 21. Jahrhunderts überhaupt noch gibt, ist nur peinlich. Ich glaube, daß wir in Bozen froh sein müssen, daß Zeitungen wie die New York Times oder die Jerusalem Post sie noch nicht entdeckt haben. Dann stände nämlich nicht Herr Kollmann am Pranger, sondern das politische Establishment in Südtirol in der gesamten Weltpresse und zwar sowohl das deutsche, als auch das italienische.
„Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg! Das ist mein Credo.“
Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg! Das ist mein Credo, seit ich im ehemaligen Jugoslawien und in Afghanistan gesehen habe, wie religiöse und ethnische Minderheiten immer die ersten Opfer waren, wenn zuerst die Intoleranz und dann der Krieg kamen.
 
Bitte widmen auch Sie alle Ihre Anstrengungen gegen das Wiedererstarken des Faschismus in ganz Europa. Faschistische Denkmäler als kulturhistorisch interessant zu finden, entschuldigen sie bitte, mit Verlaub, das ist noch nicht einmal ein schlechter Witz, das ist entsetzlich.
 
Falls Herr Kollmann den Bozner Bürgermeister tatsächlich als Faschisten bezeichnet haben soll, werde ich ihm einen gleichartigen Brief schreiben. Bitte nennen Sie mir die Quelle, wo er das getan bzw. geschrieben haben soll.
 
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Mario Horst Lanczik