Ladinisches Exempel
Salto.bz: Frau Rottonara, in der deutschsprachigen Schulwelt wird einmal mehr über Chancen und Risiken von Mehrsprachigkeit diskutiert? Wie sieht das die Zuständige für Mehrsprachigkeit im ladinischen Schulamt?
Susy Rottonara: In der Diskussion, die jetzt läuft, geht es sehr stark um die Angst, etwas zu verlieren. Ich kann diese Ängste überhaupt nicht verstehen. Immerhin haben wir seit 1948 ein paritätisches System in der ladinischen Schule und haben gesehen, dass dabei überhaupt nichts verloren geht, wenn man es richtig macht.
Wie macht man mehrsprachigen Unterricht richtig?
Unser paritätisches System entspricht ziemlich genau dem, was man heute unter dem Stichwort CLIL kennt. Das heißt, die Hälfte der Fächer wird auf Deutsch und die andere Hälfte auf Italienisch unterrichtet. Dazu kommen jede Woche noch zwei Stunden ladinische Sprache und Kultur sowie ab der 4. Klasse Grundschule eine Drittsprache, also meist Englisch. Diese Mehrsprachigkeit beginnt bereits im Kindergarten, wo sie sehr spielerisch gelebt wird. Zum Beispiel, indem Lieder in allen drei Sprachen gesungen werden.
Und die Lehrkräfte und Pädagoginnen müssen die jeweilige Unterrichtssprache als Muttersprache haben?
Nein, unsere Lehrkräfte müssen alle eine Dreisprachigkeitsprüfung bestehen. Dazu kommt eine zusätzliche Prüfung, in der ihre Ladinischkenntnisse in Wort und Schrift getestet werden.
Doch es gibt in der ladinischen Schulen überhaupt keinen Fachunterricht auf Ladinisch?
Nein, das Ladinische, also Grödnerisch oder Gadertalerisch, werden lediglich gelegentlich zur Erklärung von Inhalten verwendet. Das variiert allerdings von Lehrkraft zu Lehrkraft bzw. je nach Niveau der Klasse.
Riskiert man damit nicht, die Kenntnisse der Muttersprache Ladinisch, immer mehr zu schwächen – die in Südtirol ohnehin nur von einer kleinen Minderheit von rund 30.000 Menschen gesprochen wird?
Meine persönliche Überzeugung ist, dass die Muttersprache nicht verloren geht, solange man sie spricht. Die Basis dafür ist vor allem die Familie. Auch außerhalb der Unterrichtsstunden wird in der Schule aber meist Ladinisch gesprochen, man spricht es in der Musikkapelle oder beim Chor und bei vielen anderen Projekten außerhalb der Schule. Doch es ist natürlich auch wichtig, die Muttersprache auch immer wieder bewusst zu fördern.
Wie zum Beispiel?
Für uns war es beispielweise ein großer Erfolg, als unser Schulamtsleiter vor ein paar Jahren erreicht hat, dass es auch in der Oberschule zwei statt bis dahin eine Stunde Ladinisch-Unterricht gibt. Dann gibt es viele kulturelle Institutionen, die sich der Pflege des Ladnischen in den verschiedensten kulturellen Bereichen widmen. Außerdem werden immer wieder spezielle und oft interdisziplinäre Förderprojekte durchgeführt. Im Schulamt sind wir nun zum Beispiel seit einigen Jahren daran, Glossare zu erarbeiten, in der die Fachbegriffe für verschiedene Bereiche aufgearbeitet werden. Da gibt es dann ein Glossar zum Thema Politik, ein pädagogisches Glossar oder ich bin gerade dabei eines für den Bereich Musik aufzuarbeiten. Darin finden sich alle Fachbegriffe auf Deutsch, Italienisch, Gadertalerisch und Grödnerisch. Das heißt, wir passen sehr wohl darauf auf, dass unsere Sprache und Kultur erhalten bleiben. Doch deshalb würde man niemals daran denken, das paritätische System aufzuheben.
Weil die Vorteile für die ladinische Bevölkerung auf der Hand liegen?
Ja, und immer wieder durch Monitorings und Tests bestätigt werden. Ich kann auch aus eigener Erfahrung, also als Ladinerin und Schülerin, die bis zur Matura in diesem System gelernt hat, bezeugen, dass es im Leben sehr vorteilhaft ist, wenn man Sprachen schon von klein auf so lernt. Denn es ist eine Sache, wenn man eine Sprache an sich lernt, aber eine ganz andere, wenn man den Lehrstoff in dieser Sprache lernt. Natürlich ist es eine Herausforderung, doch es hilft einem auch sehr. Und da wir bereits im Kindergarten starten, läuft das auch sehr spielerisch. Ich denke, es wäre wirklich für alle Südtiroler eine große Bereicherung, wenn sie ein ähnliches System hätten.
Es gibt aber auch Menschen, die behaupten, es würden den Ladinern gut tun, das System der deutschsprachigen Schule zu übernehmen, weil sie keine der drei Sprachen richtig können ...
Das stimmt einfach nicht, wenn man von Einzelfällen absieht, die es überall gibt. Doch wir liegen bei vielen Tests im oder über dem Durchschnitt. Bei der Drei-bzw. Zweisprachigkeitsprüfung sind wir zum Beispiel bei den Ergebnissen immer vorne.
Also, sollten doch die anderen Schulämter Ihr System übernehmen?
Wie gesagt, es wäre sicherlich eine Bereicherung. Ich verstehe allerdings auch, dass es nicht so einfach geht, weil man die richtigen Lehrpersonen dafür braucht. Wenn zum Beispiel in einer italienischen Schule der Geschichtsunterricht auf Deutsch gehalten werden soll, kann das nicht einfach jemand übernehmen, der sonst Geschichte auf Italienisch unterrichtet. Das heißt, das entsprechende Lehrpersonal muss zuerst einmal ausgebildet werden. Also, diesbezüglich gibt es sicher auch Probleme, die viel Planung und Organisatin erfordern - umso mehr, wenn es nicht schon eine so lange Tradition der Mehrsprachigkeit gibt wie bei uns.
Sie haben gesagt, dass es das paritätische System seit 1948 gibt. Gab es nie Versuche, es abzuschaffen?
Auch die Ladiner haben untereinander kämpfen müssen, um dieses System durchzusetzen. Denn vor allem in Gröden gab es auch Verfechter einer rein deutschsprachigen Schule. Doch am Ende hat sich dann zum Glück doch die paritätische Variante durchgesetzt.
Und was hat man in all den Jahrzehnten dazu gelernt?
Es ist sicherlich gelungen, das Niveau des Sprachenunterrichts zu heben. Dazu war es vor allem wichtig, die Weiterbildung der Lehrkräfte kontinuierlich zu verbessern. Hier ist die Qualität sehr gestiegen. Unsere Lehrkräfte müssen alljährlich Weiterbildungen auf Deutsch und auf Italienisch besuchen, um in beiden Sprache auf demselben Niveau zu bleiben. Und es wird auch darauf geachtet, die sprachliche Kompetenz in Zusammenhang mit dem Fachunterricht zu fördern. Wir haben dazu eigene Fachleute, die dafür Konzepte erarbeiten. Klares Ziel ist es in jedem Fall, ein hohes Niveau des Mehrsprachenunterrichts zu haben und zu halten.
In den deutschen Schulen von
In den deutschen Schulen von Bozen sprechen und schwätzen die Schüler/innen in italienischer Sprache, in den deutschen Kindergärten wird auch zunehmend nur mehr die italienische Sprache gesprochen. Es wird sogar erzält, dass rein deutschsprachige Eltern mit ihren Kindern zu Hause vorwiegend italienisch sprechen. Also geht die deutsche Sprache in Bozen bereits im Alltagsleben zunehmend verloren und wird nur mehr in der Schule gepflegt. In Meran gibt es auch diesen Trend!
Antwort auf In den deutschen Schulen von von Thomaser Georg
"Es wird sogar erzält, dass
"Es wird sogar erzält, dass rein deutschsprachige Eltern mit ihren Kindern zu Hause vorwiegend italienisch sprechen."
It's true.
Der Kollege eines Schwagers hat das neulich gesehen!
Antwort auf In den deutschen Schulen von von Thomaser Georg
Das bedeutet, dass die
Das bedeutet, dass die italienischen Kinder Ihrem Kind (also dem deutschsprachigen) ihre Sprache schenken. Und nichts anderes.
Der Tiroler ist dem Untergang
Der Tiroler ist dem Untergang geweiht. SAD.
Hätte man damals in Ladinien
Hätte man damals in Ladinien rein deutschsprachige Schulen eingeführt, würden wir heute fast sicher deutsch statt ladinisch sprechen. Frau Rottonara ist eine kompetente Fachkraft und hat das ladinische Schulsystem sehr gut und realistisch bewertet.