Politik | Impfgesetz

„Kaum eine Chance“

Der Verfassungsrechtler und Bozner Senator Francesco Palermo zur Frage, ob Südtirol in Sachen Impfzwang einen eigenen autonomen Sonderweg gehen könnte.
Salto.bz: Herr Senator Palermo, auch in Südtirol wird die geplante Einführung von 12 Pflichtimpfungen kontrovers diskutiert. Eine der aufgetauchten Fragen dabei: Kann Südtirol als autonome Provinz hier einen Sonderweg einschlagen?
 
Francesco Palermo: Das ist eine sehr komplexe Frage. Ich würde grundsätzlich antworten: Nein. Denn hier geht es um Grundvoraussetzungen und -bestimmungen in der Sanität, die eindeutig der Staat festlegt und an die sich alle Regionen und auch die autonomen Provinzen halten müssen. Das Verfassungsgericht wird hier eine Abweichung kaum erlauben.
 
Gibt es Präzedenzfälle?
 
Die gibt es und sie weisen genau in diese Richtung. Es gibt ein Urteil des Verfassungsgerichts aus dem Jahre 2002. Nach der Verfassungsreform 2001 ging man davon aus, dass es auch zu einer gewissen Lockerung der Behandlungsstandards und -methoden kommen würde. In diesem Verfahren ging es um die Entscheidung der Region Marken, die gewisse Therapien abschaffen wollte. Zum Beispiel die Lobotomie und andere Techniken der Psychochirurgie. Das Verfassungsgericht hat damals Nein gesagt. Eine Region kann die Behandlungsmethoden nicht autonom festlegen. Diese Grundprinzipien der Gesundheitsversorgung werden staatlich festgelegt und müssen überall gleich gelten.
 
Die Marken sind eine Region mit Normalstatut. Südtirol hingegen ist eine autonome Provinz, die in der Sanität primäre Gesetzgebungsbefugnisse hat?
 
Das schon. Aber dies gilt ausschließlich für die Organisation der Sanität und nicht für die Behandlungsmethoden und die Grundprinzipien der Gesundheitsversorgung. Denn sonst könnte das Land zum Beispiel ein Gesetz erlassen, nachdem in Südtirol nur mehr homöopathisch oder nach der chinesischen Medizin behandelt wird. Das geht natürlich nicht. Der staatliche Gesetzgeber setzt gewisse Standards fest, an die sich alle Regionen und auch Südtirol zu halten haben. Wie das funktioniert hat sich in Südtirol erst gezeigt. Als es um die Schließung der Geburtenabteilungen ging. Dort wurde augenscheinlich, was wir dürfen und was nicht. Südtirol kann zusätzliche Leistungen anbieten, muss sich aber an die Grundvorgaben des Staates halten. Ich gehe davon aus, dass man die Pflichtimpfungen zu diesen Prinzipien der italienischen Sanität zählen wird.
„Der staatliche Gesetzgeber setzt gewisse Standards fest, an die sich alle Regionen und auch Südtirol zu halten haben. Wie das funktioniert hat sich in Südtirol erst gezeigt. Als es um die Schließung der Geburtenabteilungen ging. Dort wurde augenscheinlich, was wir dürfen und was nicht.“
Die zuständige Landesrätin Martha Stocker und auch die SVP sprechen sich vor allem gegen eine Verquickung von Impf- und Schulpflicht aus. Gibt es ihrer Meinung nach hier einen gesetzlichen Spielraum?
 
Theoretisch würde das gehen. Südtirol hat im Bildungsbereich zwar nur sekundäre, ergänzende Gesetzgebungsbefugnisse, in Wirklichkeit regeln wir die Schule aber fast autonom. Im Autonomiestatut sind besondere Zugangsbestimmungen nur aus sprachlichen Gründen festgeschrieben, nicht aus anderen Beweggründen. Das Land könnte sagen: Wir machen ein Gesetz, das Schul- und Impflicht trennt. Ich bin mir aber sicher, dass der Staat dieses Gesetz anfechten und das Verfassungsgericht dann die Regelung kippen würde. Ich würde sagen zu 99 Prozent kommen wir damit nicht durch. Es besteht kaum eine Chance.
 
Eine Frage an den Politiker und nicht an den Verfassungsrechtler: Wie steht Sie zu diesem neuen Impfgesetz?
 
Ich glaube, in diesem Bereich kommen vor allem persönliche Überzeugungen zum Tragen. Es geht um ideologische Fragen und Entscheidungen. Prinzipiell missfällt mir ein ethischer Staat. Mir gefällt ein Staat nicht, der dir vorschreibt, was du zu tun hast. Vor allem in sehr persönlichen Bereichen. Anderseits gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse, die diese Verschärfungen anscheinend nötig machen. Es ist deshalb keine einfache Entscheidung. Mir gefällt die Art ganz und gar nicht. Inhaltlich tue ich mich aber schwer dagegen zu sein.
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gorgias Mi., 24.05.2017 - 12:58

Franceschini hätte noch fragen können, ob wir als autonome Provinz zumindest bei den mitimplantierten Chips einen Sonderweg gehen könnten.

Mi., 24.05.2017 - 12:58 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Mi., 24.05.2017 - 16:11

Antwort auf von Alfonse Zanardi

Nein, aber die werden beim ersten Vollmond nach der Sommersonnenwende von den Impfingenern für eine rituelle Schlachtopferung gebraucht, um die bösen Geister zu vertreiben, welche Krankheiten verbreiten gegen die sie sich und ihre Kinder nicht impfen möchten. Der Schamane aus Burundi ist schon reserviert.

Mi., 24.05.2017 - 16:11 Permalink
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Karel Hyperion Fr., 26.05.2017 - 10:01

Es wird wohl immer irgendein grundlegendes Prinzip oder eine grundlegende wirtschaftliche/soziale Reform des Staates geben, die einer ordentlichen Politik, die auch lokalen Gegebenheiten/Notwendigkeiten angemessen Rechnung tragen kann, im Wege steht.
Im Übrigen betrifft die Frage nach einer allgemeine Impfpflicht eben nicht nur einen sehr persönlichen Bereich: wär es so, gäbe es sie auch nicht. Denn dann wäre sie verfassungswidrig. Das ist dem Verfassungsrechtler sicherlich auch klar. Aber bei Palermo versteh ich sowieso nie so recht ob er jetzt als Verfassungsrechtler spricht oder als Politiker.

Fr., 26.05.2017 - 10:01 Permalink