Politik | Staatsbürgerschaft

„Wann ist der richtige Zeitpunkt?“

Dank sieben SVP-Abgeordneten gibt es für die Doppelte Staatsbürgerschaft im Landtag eine Mehrheit. Hier muss die Sache über der Parteilogik stehen, sagt Maria Kuenzer.
Maria Hochgruber Kuenzer
Foto: Maria Kuenzer

salto.bz: Frau Kuenzer, Sie haben gemeinsam mit sechs weiteren Landtagsabgeordneten der SVP sowie zwölf LandtagskollegInnen anderer Parteien ein Schreiben an ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und Freiheitlichen-Chef Heinz Christian Strache unterschrieben – mit der Bitte, das Anliegen einer Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler in die Koalitionsverhandlungen mit aufzunehmen. Warum?
Maria Kuenzer
: Ich muss ihnen ehrlich sagen, dass meine Partei darüber derzeit keine öffentliche Diskussion wünscht, damit man die Koalitionsverhandlungen in Wien nicht damit belastet.

Die SVP will die Koalitionsverhandlungen in Wien nicht mit diesem Thema belasten?
So wurde das gestern mitgeteilt. Ich kann nur sagen, warum ich als Maria Kuenzer diesen Brief unterschrieben habe. Ich stehe nach wie vor zur Doppelten Staatsbürgerschaft, weil ich davon überzeugt bin, dass sie ein Mehrwert für die Südtiroler ist. Schon allein, weil dann auf  italienischer Ebene nicht immer wieder hinterfragt werden muss, warum die Südtiroler eine Autonomie haben. So versteht man sofort, dass es eine direkte Verbindung zu Österreich gibt.

Dafür gibt es aber auch andere völkerrechtliche Absicherungen...
Viele Politikerinnen und Politiker, die heute in die Politik kommen, kennen aber die Geschichte der einzelnen Regionen nicht mehr genau. Die Doppelte Staatsbürgerschaft wäre hier schon mal ein deutliches Signal, selbst in Richtung Tirol. Denn natürlich haben wir die EVTZ , die Euregio, doch ein, zwei Generationen später taucht selbst dort immer wieder die Frage auf: Ja, warum denn überhaupt Südtiroler? Also, eine Doppelte Staatsbürgerschaft würde vor allem unsere Identität stärken.

Aus der Perspektive könnte man sich fragen, warum eigentlich nicht alle SVP-Abgeordneten dieses Schreiben unterzeichnen.
Es heißt immer, wir diskutieren das zu gegebener Zeit. Ich sehe das anders und habe mich schon einmal weit aus dem Fenster gelehnt, als der Heimatbund vor drei Jahren eine öffentliche Veranstaltung und Pressekonferenz zu dem Thema gemacht hat. Damals bin ich als einzige SVP-Vertreterin hingegangen. Dafür habe ich natürlich auch eine kleine Rüge bekommen, aber das ist einfach meine Überzeugung. Die wurde auch auf einer Tagung bestärkt, die dann von der Südtiroler Freiheit im Laurin veranstaltet wurde, mit internationalen Referenten,  bis hin nach Kanada. Auch da wurde klar, dass eine solche Doppelte Staatsbürgerschaft nichts mit Grenzverschiebungen zu tun hat, das ist einfach eine Kopfsache.

Noch im Jahr 2010 ist Ihre Partei ganz massiv für die doppelte Staatsbürgeschaft eingetreten,  damals hatten sich vor allem die  Parlamentarier Karl Zeller und Siegfried Brugger stark darum bemüht. Hat man sich dann  in der SVP von der Ablehnung des Ansinnens im österreichischen Nationalrat im Jahr 2013 entmutigen lassen oder warum ist die Doppelte Staatsbürgerschaft heute nur mehr Steckenpferd der Südtiroler Freiheit?
Ja, Brugger und Zeller haben diese Idee meines Wissens schon vor der Südtiroler Freiheit aufgebracht. Doch heute spricht man wie gesagt immer davon, dass es nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist. Ich frage mich nur, wann dann der richtige Zeitpunkt ist? Man kann sich auch verstecken hinter einer solchen Aufschiebung. Aber ich bin eben eine Politikerin, die vielleicht oft zu klar redet.

Man könnte auch sagen, die nun mit anderen KollegInnen einen Rechtsruck vollzieht, indem sie ein Anliegen der Südtiroler Freiheit unterstützt. Die Frage ist, ob sich die SVP das ein Jahr vor den Landtagswahlen leisten kann?
Für mich persönlich geht es hier weniger um Parteien, sondern um die Sache. Ich kann vielen politischen Vorstellungen, die die Südtiroler Freiheit hat, nicht zustimmen. Bei dieser Sache teile ich ihre Bemühungen aber hundertprozentig.

Und dann tritt die Parteilogik in den Hintergrund?
Ich war einige Male in Brüssel und dort geht es vielfach einfach darum, für bestimmte Themen politische Mehrheiten zu finden. Das ist eine andere Form, Politik zu machen. Bei uns dagegen ist ganz klar: Zu dem Thema reden wir mit dieser Partei nicht. Doch ich finde, das wäre schade für die Sache.

Im Landtag besteht nun zumindest eine Mehrheit für die Doppelte Staatsbürgerschaft....
Laut meinen letzten Informationen hat man 19 Unterschriften – und das wäre die Mehrheit. Doch es geht bei diesem Schreiben auch wirklich nicht darum, dass wir jetzt sofort ein Gesetz oder eine Entscheidung wollen. Das Anliegen ist einfach,  dass wir dieses Thema in den nächsten fünf Jahren mit dem Nationalrat in Wien angehen, sofern es wieder einen Unterausschuss gibt. Da geht es darum, Für und Wider abzuwägen, Möglichkeiten auszuloten – nicht mehr und nicht weniger. Und dafür sollte die Doppelte Staatsbürgerschaft nun in die Koalitionsverhandlungen mit aufgenommen werden. Damit wir als Südtiroler in den kommenden fünf Jahren auch mitreden können.

Bislang hat ja vor allem das österreichische Desinteresse an der Doppelten Staatsbürgerschaft bzw. die Befürchtung, welche Folgen sie  hat, wenn dann auch andere Minderheiten dasselbe fordern, gebremst. Setzt man nun darauf,  dass unter einer vorraussichtlich schwarz-blauen Regierung alle anders wird?
Man sollte es unter diesen Bedingungen eben zumindest probieren. Es hat ja auch in der Vergangenheit grundsätzlich Zustimmung gegeben, wenn auch immer mit einem Aber. Und vor allem die SPÖ war nie dafür.

In Ihrer Partei springen in jedem Fall mal die Bauern- und Wirtschaftsvertreter auf diese neue Chance auf. Der Rest muss noch überzeugt werden?
Ich muss sagen, dass wir dazu in der Partei noch nicht diskutiert haben. Hier ging es einfach einmal um das Schreiben, das die Südtiroler Freiheit vorgelegt hat und jeder einzelne Landtagsabgeordnete hat selbst entschieden, ob sie oder er es mitträgt.