Gesellschaft | Staatsbürgerschaft

Bischof, Pass, Porzellan

Kann ein Doppelpass etwas Verbindendes sein? Bischof Muser erntet Kritik für seine mahnenden Worte. Und Francesco Palermo meint: “Das Porzellan wurde schon zerschlagen.”
Bischof Ivo Muser
Foto: Diözese Bozen-Brixen

“Die Zeiten, in den die Fürstbischöfe Politik betrieben haben, sind vorbei. In diesem Sinne soll sich der Bischof und die Kirche auf ihrer eigenen Aufgaben und Baustellen konzentrieren. Eine Einmischung oder Parteinahme wird jedenfalls nicht geduldet und entbehrt jeglicher Grundlage der Rechtfertigung.” Walter Blaas war wütend als er sich mit diesen Zeilen Mitte September an die Öffentlichkeit wandte. Grund dafür war die Ankündigung von Bischof Ivo Muser, dass sich die Kirche im Wahljahr 2018 politisch einsetzen wolle. “Politische Bildung und politischer Einsatz haben mit dem Evangelium zu tun”, rechtfertigte Muser seine Worte und betonte, dass nicht nur die kirchlichen Amtsträger, “sondern das ganze Volk Gottes” nicht schweigen dürfe, wenn es “um die großen Fragen menschlichen Lebens, menschlicher Unterdrückung und menschlichen Zusammenlebens geht”. Um letzteres ist Ivo Muser besorgt. Nicht zuletzt auch angesichts der Diskussion um den Doppelpass für Südtiroler, dem die neue österreichische Regierung die Tür geöffnet hat. Und so ließ es sich der Bischof nicht nehmen, gleich mehrfach auf seine Besorgnis hinzuweisen.

 

Kein Grund zur Sorge?

“An diesem Weihnachtsfest hoffe ich als Bürger, Christ und Bischof, dass die Diskussion um die Doppelstaatsbürgerschaft unsere Gesellschaft nicht spaltet, nicht alte Wunden und Vorurteile aufreißt und ein vergiftetes, politisches und menschliches Klima hinterlässt, von dem wir hofften, es überwunden zu haben”, schrieb Ivo Muser in seiner Weihnachtsbotschaft. In einigen Interviews bezeichnete der Bischof die Diskussion um den Doppelpass als “völlig überflüssig”. Und während des Gottesdienstes am Christtag im Dom von Bozen wiederholte er seine Bedenken vor den Gläubigen. Es benötige Vorsicht und Verantwortung in der Diskussion, so der Bischof. Er wünsche sich “offene und ehrliche Worte, nicht solche, die verletzen und Brücken niederreißen” meinte Muser im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft – und die verletzenden Worte, die er selbst für seine Aussagen abbekommen hatte.
Denn so hatte unter anderem Walter Blaas die Weihnachtsbotschaft des Bischofs überhaupt nicht goutiert. “Bischof Ivo sorgt sich wegen der doppelten Staatsbürgerschaft?! Sonst keine Sorgen?” hatte der Freiheitliche Landtagsabgeordnete auf seiner Facebook-Seite gepostet. In den Kommentaren darunter wird Bischof Muser heftig kritisiert, mit zum Teil beleidigenden Worten.

 

Bitte nicht an Weihnachten

Kritik am Bischof kommt auch von Roland Lang. Der Obmann des Südtiroler Heimatbundes schreibt am Dienstag (26. Dezember) einen Brief an Ivo Muser:
“Sehr geehrter Herr Bischof, ihre einseitigen politischen Aussagen in der Weihnachtsbotschaft und dann im Bozner Dom haben Ihnen zu recht viel Kritik eingebracht. Es wäre deshalb zu begrüßen, wenn sie in Zukunft die Politik außen vor lassen würden. Selbstverständlich distanzieren wir uns dabei von jeder beleidigenden Kritik, die wir entschieden verurteilen.”
Wie Walter Blaas ist auch Roland Lang der Meinung, dass sich der Bischof aus politischen Fragen heraushalten soll, vor allem an Weihnachten. “Wer in diesen christlichen Feiertagen die Kirche betritt, möchte das Wort Gottes hören und keine politischen Stellungnahmen”, so Lang.

 

“Porzellan schon zerschlagen”

Anderswo zeigt man Verständnis für den Bischof. “Bischof Ivo Muser macht sich Sorgen um die Stimmung zwischen den Volksgruppen. Wenns um den Frieden geht, hat er wohl das Recht seine Meinung zu sagen”, schreibt ein Facebook-User unter dem Post von Walter Blaas. Verständnis zeigt ebenso SVP-Obmann Philipp Achammer. “Die Aussagen des Bischofs kann man verstehen, und das sagen auch wir – in der Befürwortung des Doppelpasses. Nämlich: der Doppelpass darf in keinster Weise zu etwas Trennendem und Spaltendem werden. Das Verbindende muss im Mittelpunkt stehen”, sagt Achammer zur Dolomiten.

Doch ist die Spaltung nicht längst schon Realität? Hat nicht bereits allein die Diskussion um den Doppelpass einen Keil in die Gesellschaft getrieben? So zumindest sieht es Francesco Palermo. Der Verfassungsrechtler schreibt am Dienstag: “Wer weiß, ob aus der Idee der doppelten Staatsbürgerschaft überhaupt was wird – das Porzellan wurde inzwischen aber schon zerschlagen. (…) Das Hauptziel der Aktion wurde allein schon mit der Idee erreicht, und die Reaktionen der Nationalisten in Italien sowie die Zerwürfnisse, für die der Vorstoß in großen Breiten der Südtiroler Gesellschaft (nicht nur italienischer Muttersprache) gesorgt hat, sind Zeugnisse dafür. Nationalismus schürt Nationalismus an, und die Erfahrung lehrt uns, dass die Minderheiten und die Gebiete, die sie hauptsächlich bewohnen, immer Reibungspunkte für gegensätzliche Nationalismen sind… (…) Früher oder später bekommt man für die Fehler die Rechnung serviert, andersrum. Und es sieht so aus, als würde man nicht viel aus den Fehlern der Geschichte lernen.”