Gesellschaft | Migrationsstatistik

Migration weit überschätzt

Eine neue Untersuchung zeigt, dass ItalienerInnen von allen EU-Bürgern am wenigsten Ahnung von den Migrationszahlen in ihrem Land haben.
Umverteilung Flüchtinge
Foto: Facebook

 

Wieviele MigrantInnen gibt es in Italien?

Die ItalienerInnen glauben, es sind fast 25% der Bevölkerung. Tatsächlich sind es 7%, bzw. 10%, wenn man Menschen aus anderen EU-Ländern mitzählt*. Damit ist Italien das Land, in dem der Spalt zwischen Wahrnehmung und Realität der Migration am weitesten auseinandergeht, fand das Istituto Cattaneo in einer gestern publizierten Untersuchung heraus. Die Migration wird zwar ausnahmslos in allen Ländern überschätzt, allerdings handelt es sich in Deutschland, Schweden und Dänemark nur um wenige Prozentpunkte.
 

Fehleinschätzung hängt mit Nationalismus zusammen

Je nationalistischer ein Land, desto größer der Spalt zwischen Realität und Einschätzung der Bevölkerung, fand die Untersuchung außerdem heraus. Nationalismus ist hier durch "nationalistische Gefühle und negative Einstellungen gegenüber Migranten und religiösen Minderheiten definiert" Italien ist in beiden Reihungen das extremste Land. Es spielen also nicht nur die verfügbaren Informationen eine Rolle, sondern auch die grundsätzlichen Einstellungen der Menschen, wenn sie nach Informationen suchen und ihre Realität interpretieren. Sicher spielt auch der Ton der Darstellung in Politik und Medien eine große Rolle, der sich innerhalb der EU-Länder ja sehr unterscheidet.

Rechte und Pflichtschulabgänger liegen besonders falsch

Die Studie beschreibt auch große Unterschiede innerhalb der Bevölkerung: Jene, die sich selbst als politisch rechts (im Spektrum links, Mitte-links, Zentrum, Mitte-rechts, rechts) bezeichnen, glauben im Durchschnitt sogar, es gäbe 32,4% Migranten in Italien, also mehr als vier mal so viele wie tatsächlich, die Linken gehen immer noch von 18,5% statt 7% aus. Ähnlich ist der Unterschied zwischen den Bildungsgraden – die am besten Gebildeten überschätzen die Migration um 10,9%, ItalienerInnen mit Pflichtschulabschluss um 21,1%.

Geographische Unterschiede

Die Bewohner Süditaliens und der „Regioni Ex-Rosse“ (also Emilia-Romagna, Toskana, Umbrien und Marken) gehen von besonders hohen Zahlen aus, ebenso jene, die in großen Städten wohnen. Bewohner der Regionen des Nord-Ostens, zu denen Südtirol gehört, überschätzen die Migration am wenigsten, sie gehen von 20,1% aus, also immer noch von fast drei Mal so vielen MigrantInnen wie tatsächlich. In Südtirol liegt der Anteil der MigrantInnen nach Zahlen der ASTAT übrigens bei 8,9%, also ungefähr im italienischen Durchschnitt.

Weniger Neuankünfte

Laut einer aktuellen Veröffentlichung des Innenministeriums sind die Zahlen der Neuankünfte über den Seeweg drastisch zurückgegangen: Es kamen heuer bisher knapp 20.000 Personen an, in den vergangenen beiden Jahren waren um diese Zeit im Jahr bereits ungefähr 5 Mal so viele Ankünfte registriert worden. Hauptgrund ist das Abkommen zwischen Italien und anderen EU-Regierungen und Lybien, das wegen der Instabilität des Landes und den grausamen Bedingungen in lybischen Flüchtlingslagern von den Vereinten Nationen heftig kritisiert wird.
 
*Nachträgliche Anmerkung aufgrund des Kommentars: In dieser Zahl sind die irregulären bzw. illegalen MigrantInnen schon miteinberechnet, nach Schätzungen von Eurostat sind es 600.000 in Italien.