Neue Wiesen abgrasen
Klaus Egger spricht gerne klare Worte. Als Kommunikationsberater, Fernsehmoderator und Unternehmer ist er es gewohnt, Sachen auf den Tisch zu bringen. Mit Sätzen wie: „Ich glaube daran, dass man den Status quo nicht einfach akzeptieren muss, sondern ihn herausfordern kann“, machte sich Egger Anfang Mai auf ins Abenteuer Landtagswahlen. Videobotschaften, Social Medias liegen ihm, die Grünen sieht er „als Garant, dass die Dinge in der Politik von der menschlichen Seite betrachtet werden.“ Momentan ist er verärgert: "Die Spaltung der Partei wird von den Medien herbeiphantasiert, wir haben uns auf den Weg gemacht. Können wir nicht einfach etwas in Gang bringen?"
Polarisieren möchte er, vielleicht auch einfach wachrütteln mit der Bewegung „Die verdECOnomia – Grüne Wirtschaft“. Egger selbst bezeichnet sich als Anhänger von Unternehmern, die wirtschaften können. "Ja", sagt er, "ich bin mir bewusst, dass es zu internen Reibereien kommen kann. Aber was ist daran schlimm?" Live mitverfolgen konnte man den Grünen-Denkprozess über Facebook. Am 21. Juli hatte Günther Reifer vom Terra Institute, parteipolitisch unabhängig, auf Eggers Facebook-Eintrag empfindlich reagiert. Egger hatte auf seinem Blog einen Artikel geschrieben. Das Thema: "Grüne Wirtschaft - ein Widerspruch?" Reifers Antwort: „Hatten die Grünen vor dir wirklich keine Ahnung von Wirtschaft?... Würde hier etwas vorsichtig sein.“ Am Abend desselben Tages rudert Reifer zurück und freut sich auf einen Austausch mit Egger, wünscht „einen schönen Sonntag.“ Fast scheint es so, als dürfe niemand die Grüne „heile-Welt-Partei“ anfassen. Angst wovor?
Bereichernde Findungsphase
Brigitte Foppa, Spitzenkandidatin der Grünen, findet andere Worte für den Zustand der Grünen. Spaltung gäbe es sicherlich keine, auch keine Findungsphase, höchstens eine Bereicherung. „Ich selbst bin Mitglied in der Wirtschaftsgruppe, gleich wie Sepp Kusstatscher. Ich finde das absolut spannend. Es ist eine ganz aktive Gruppe.“ Die Themen Umwelt und Soziales würden auf keinen Fall vernachlässigt, „die bekannten Köpfe in der Partei haben ihre altbewährten Themen, da tut Meinungsvielfalt nur gut.“ Die „Grüne Wirtschaft“, eine etwa 10 Köpfe starke Gruppe, sei ganz unterschiedlich zusammengesetzt: Unternehmer, Arbeitnehmer, Gewerkschafter – eine ergänzende Flanke, sozusagen.
Dass genau dieser Prozess der Grünen Partei in Südtirol in den letzten Jahren abhanden gekommen ist – dieser Gedanke taucht auf. Wann wurde schon gestritten, diskutiert, um dann sich klar zu positionieren? Klaus Egger definiert den Wirtschafts-Schachzug der Partei folgendermaßen: „ Die „verdECOnomia – Grüne Wirtschaft“ ist eine der letzten Bausteine, die eine Lücke bei den Verdi-Grüne-Vёrc schließen will.“ Gleichzeitig räumt er ganz unumwunden ein: „Wir stecken intern als Gruppierung in einem Prozess der Findung, bei nur 127 Grünen Mitgliedern schaut es oft gleich ganz dramatisch aus.“
Let's move
Anders als in einer großen Partei, werden viele Themen unter immer denselben Leuten ausgeschnapst. Schon allein deshalb bringen Eggers klare Aussagen Bewegung in gemäßigte Rhythmen. Foppa will positiv bleiben in ihrer Beschreibung: „Das stimmt schon. Es mischt sich neu. Schon durch die Vorwahlen ist Schwung rein gekommen. Neue Leute, die nicht vorbelastet sind, bringen neue Themen rein.“ Gerade in Krisenzeiten wie diesen seien Wirtschaftsthemen ein Muss. Berechtigt ist es demnach auch, als Grüne, Antrittsbesuche „beim System“ zu machen. Um Meinungen zu sammeln, „bevor das Wirtschaftsprogramm der Grünen im September abgeschlossen wird.“ „Wir gehen zu den Verbänden. Bislang waren wir beim HGV und LVH“, erklärt Foppa. Durchwegs "fantastische Rückmeldungen" bekommt die Grüne Wirtschaft auf ihrer Reise durchs Land, "die Verbände sagen, 'gut, dass ihr kommt, gut, dass ihr mitreden wollt." Hinter vorgehaltener Hand würden außerdem viele "Systemler" zugeben, dass grüne Prognosen sich bewahrheitet hätten.
Versiert ist der 37-jährige Moritzinger allemal - er knüpft gern Kontakte. So fordert Egger Robert Weißensteiner, Chefredakteur der Südtiroler Wirtschaftszeitung, über Facebook auf, konkrete Maßnahmen für die Gemeinwohlökonomie zu setzen: „Politik hat zwei grundlegende Hebel“, schreibt Egger. „Steuern und Förderungen. Belohnen wir die Wirtschaft, die wirklich fürs Gemeinwohl arbeitet und lassen wir die hinten, die nach den Maßstäben arbeitet, die du genannt hast. Trocknen wir die Gierigen aus!“ Egger will durchstarten, will aufmischen, reden und mitgestalten. Realistisch will er bleiben und gleichzeitig die „kranke Wirtschaft“ heilen. Und beweisen: Grüne sind keine Nein-Sager. Die schwarze Wirtschaft hat lange genug gematscht. Aber eine Wirtschaft braucht es halt mal."
Diskussion...
Diese Diskussion ist bei den Südtiroler Grünen längst notwendig; damit nähern sie sich ihren Nordtiroler und Salzburger Kollegen programmatisch an und werden (endlich) zu einer modernen, liberalen und damit für weitere Schichten wählbare Partei. Es genügt eben nicht sich 'Gemeinwohlökonomie' und ähnlichen mit manch fragwürdigen Ideen geplagten Themenfeldern zu beschäftigen; es braucht eine echte und glaubwürdige Wirtschaftspolitik mit Antworten für Unternehmerinnen und Unternehmer die heute im Wind der Rezession stehen und mit vielfältigsten Problemen geschlagen sind. Der Offenbarungseid käme für die Grünen aber erst wenn man wie ihre Österreichischen Kollegen in einer Koalition mitregieren müßte(und es auch will) und damit auch Projekte wie Skigebietsverbindungen und -Erweiterungen sowie den BBT mittragen müßte. Sind sie dazu bereit?
In Opposition kann man leicht gegen alles sein; an der Regierung ist das ganz anders. Mal sehen wie der schmerzhafte Selbstfindungsprozess im Inneren ausgehen wird; denke daß gerade die Österreichischen Erfolge der Grünen den Südtiroler Kollegen zum Nachdenkprozess verholfen haben.