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Grünspan

Die Wiederwahl von Michael Grüner zum Präsidenten der Landesbank ist ein Debakel. Es gibt im Raiffeisenkosmos nur Verlierer. Die Hintergründe eines Machtkampfes.
Auch wenn das Wetter gut wäre, sind die wenigen Zeilen auffällig.
Die Pressemitteilung mit dem Titel „Die Gremien der Raiffeisen Landesbank Südtirol AG wurden neu gewählt“ wurde am Mittwochvormittag verschickt:
 
„Der Verwaltungsrat der Raiffeisen Landesbank (RLB) hat nach den Neuwahlen der Gremien am 15.10.2018, anlässlich einer Sitzung vom 16.10.2018, den Präsidenten und Vizepräsidenten gewählt. 
Im Sinne der Kontinuität - auch unter Berücksichtigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Reform des Genossenschaftsbankwesens - wurden Michael Grüner einstimmig als Präsident und Hanspeter Felder einstimmig als Vizepräsident bestätigt und letzterer zum Vorsitzenden des Vollzugsausschusses bestellt. 
Als Aufsichtsräte wurden von der Vollversammlung Klaus Steckholzer (Präsident) und Hubert Berger bestätigt und Hildegard Oberleiter neu gewählt. 
Mit diesen Entscheidungen wurden die Weichen für die zukünftige Führung der Bank gestellt.“
 
Doch das Wetter ist miserabel. Denn im Raiffeisenhimmel hat es in den vergangenen zwei Tagen fürchterlich gekracht. Ein Gewitter, das sich seit Jahren und Monaten aufgestaut hat, hat sich jetzt entladen. Und es hat ordentlich geblitzt. Am Ende wurden nicht nur alle Beteiligten nass, sondern die Unwetterschäden werden noch lange sichtbar bleiben. „Man hat sich für die schlechteste aller Lösungen entschieden“, ärgert sich der Obmann einer Südtiroler Raiffeisenkasse.
Dass man in der Öffentlichkeit dennoch so tut, als sei nichts passiert, macht deutlich, welche Chuzpe man in der Raiffeisen Landesbank hat.
 

Der Präsident

 
Dabei dreht sich das Genossenschafts-Theater um einen Mann: Michael Grüner.
Hagere, großgewachsene Rechtsanwälte scheinen in Südtirol als Bankenpräsidenten prädestiniert zu sein. Der Bozner Anwalt mit Schnalser Wurzeln, Michael Grüner, ist dabei national eine Einmaligkeit. Denn er dürfte der dienstälteste Bankenpräsident Italiens sein. Seit genau 21 Jahren steht der heute 63jährige ununterbrochen als Präsident der der Raiffeisen Landesbank (RLB) vor.
Die Raiffeisen Landesbank AG wurde 1973 als Zentralinstitut der Raiffeisenkassen gegründet. Aktionäre sind 42 Raiffeisenkassen, die 99,677 Prozent des Gesellschaftskapitals halten. Den Rest der Aktien besitzen zwei Dutzend Obst-, Kelleierei, Sennerei und sonstige Genossenschaften. Seit 1997 ist Michael Grüner Präsident der Landesbank.
 
Unter Grüner und dem Generaldirektor Zenone Giacomuzzi baut die Landesbank ihre Stellung in der Südtiroler Raiffeisen-Welt kontinuierlich aus. Immer wieder kommt es dabei zu offenen und verdeckten Konflikten mit den einzelnen Raikas. Doch meistens sitzt die mächtige und finanzstarke Landesbank am längeren Hebel. 
 

200.000 Euro Entschädigung

 
Michael Grüner ist seit Jahrzehnten eine Fixgröße im Südtiroler Bankensektor mit viel Macht, einem ausgeprägten Netzwerk und lukrativen Ämtern. Der RLB-Präsident ist nebenbei auch Vizepräsident der Investitionsbank Trentino-Südtirol und stellvertretender Aufsichtsratspräsident der Alpenbank AG.
Es sind Nebenjobs, die für den hauptberuflichen Anwalt mehr als nur lukrativ sind.
Erst am Montag hat die Aktionärsversammlung der RLB AG die Entschädigungen festgelegt. 40.000 Euro plus Sitzungsgelder bekommt im Jahr ein Verwaltungsrat. Der Präsident: 175.000 Euro plus Sitzungsgelder. Mit den Ämter beim Mediocredito und der Alpenbank kommt Michael Grüner so auf über 200.000 Euro Amtsentschädigung im Jahr.
Wenn man bedenkt, dass diese Entschädigungen mit kleineren Abstrichen seit rund zwei Jahrzehnten fließen, kommt eine schöne Summe zusammen. Das dürfte letztlich dann auch einer der Gründe sein, warum Michael Grüner alles tut, um seinen Sessel zu behalten.
 

Die Reform

 
Offen ausgebrochen ist der Konflikt rund um die Landesbank seit rund zwei Jahren. Der Grund: Die Reform des italienischen Genossenschaftsbanken-System. Nach EU-Vorgabe hat Italien ein Gesetz verabschiedet, das vorschreibt, dass sich die Genossenschaftsbanken zu Bankengruppen mit einem sogenannten „capogruppo“ zusammenschließen. Auch Südtirols Raiffeisenwelt ist direkt von dieser Reform betroffen. Lange versuchte man politisch in Rom eine Ausnahmebestimmung für Südtirol auszuhandeln, bevor klar wurde, dass es diese Ausnahme nicht geben wird.
Deshalb hat man in Südtirol - unter der Federführung von Michael Grüner - ein Modell entworfen. Die Raiffeisen Landesbank soll dabei dieser „capogruppo“ sein. Man hat das Statut ausgearbeitet und sich das Ganze von der Banca d´Italia absegnen lassen.
Das neue Modell verdreifacht aber die Macht der Landesbank. Die einzelnen Raikas sind nur mehr bessere RLB-Filialen, während die Landesbank in Zukunft alles bestimmen und kontrollieren wird. „Wir geben damit den Schlüssel zu unseren Kassen ab“, beschreibt es der Obmann einer Südtiroler Raika. Selbst der mächtige Raiffeisenverband wäre nur mehr eine Hilfsorganisation. Diese Entwicklung hat breiten Widerstand hervorgerufen.
Als die neue Regierung ankündigte, man werde diese Reform zurücknehmen, passierte etwas, was man Michael Grüner nicht verzeiht.
 
Während der Großteil der Raiffeisenkassen einen Lichtblick sahen und den Umbau stoppen wollen, forcierte der RLB-Präsident in Rom bei den Verbandsgremien den Umbau. Man ließ sich das  Statut der neuen Landesbank in Windeseile von den Aufsichtsbehörden genehmigen. Denn in Wirklichkeit hatte Grüners Seilschaft die lukrativen Posten im neuen Machtkoloss Landesbank bereits zum Großteil versprochen.
Als Michael Grüner im Frühsommer zusammen mit den anderen zwei Präsidenten der italienischen Genossenschaftsbanken dann in mehreren nationalen Zeitungen ganzseitige Inserate für die Reform schaltet und dabei mit dem Satz zitiert wird, „die Mehrheit der Südtiroler Raiffeisenkassen sei für die Reform“, war das Maß voll.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt war für viele Michael Grüner als Präsident der Landesbank nicht mehr tragbar.
 

Der Paukenschlag

 
Als sich im Montag die Aktionäre der Landesbank AG zur Vollversammlung trafen, waren die Weichen gestellt. Mehrere Wochen lang hatte man die Abwahl des Langzeitpräsidenten vorbereitet. 
Aber auch die mächtige Gruppe um Michael Grüner reagierte so, wie man es seit über zwei Jahrzehnten gewohnt ist. Die amtierende RLB-Spitze wusste einen Teil der Kassen und ihrer Spitzenfunktionäre hinter sich.
Das neue Statut der Landesbank sieht einen 11köpfigen Verwaltungsrat vor. Drei Mitglieder müssen so genannte unabhängige Verwalter sein. Drei Mitglieder müssen Direktoren von Raikas sein. Damit bleiben noch fünf Plätze für die Obmänner.
Bei der Wahl am Montag traten ingesamt 14 Kandidaten an. Doch kurz vor Wahlbeginn kam es bereits zum ersten Paukenschlag.
 

Luglis Rückzug

 
Auf der Vollversammlung wurden von der amtierenden Führung drei Kandidaten als unabhängige Verwaltungsräte vorgeschlagen: die Ewo-Chefin Flora Kröss, der Neumarkter Walter Dallemulle und der Rektor der Uni Bozen Paolo Lugli. Doch auch die Grüner-Gegner präsentierten mit dem Gadertaler Massimo Andriolo einen unabhängigen Kandidaten.
Michael Grüner erklärte anfänglich, dass ein weiterer unabhängiger Kandidat bei der Wahl nicht zugelassen werden kann, weil die drei Namen bereits von der Bankenaufsicht abgesegnet worden waren. Doch die Anti-Grüner-Fraktion hatte ein Rechtsgutachten beim Raiffeisenverband eingeholt. Das Ergebnis: Die Vollversammlung kann autonom weitere Kandidaten vorschlagen.
 
Doch unmittelbar vor der Wahl meldete sich plötzlich der anwesende Paolo Lugli zu Wort. Weil das Rechtsamt der Universität Bedenken zur Vereinbarkeit dieses Bankenamts mit seiner Stellung als Rektor aufgeworfen habe, ziehe er seine Kandidatur zurück.
Der Rückzug kam so unerwartet, dass Luglis Namen auf dem Stimmzettel blieb und der Rektor bei der anschließenden Wahl gar einige Stimmen bekam.
 

Schallende Ohrfeige

 
Dann aber ging es an diesem Vormittag im Raiffeisenpavillon ans Eingemachte.
Da die drei unabhängigen Verwalter sowieso als gewählt gelten, galt es die restlichen acht Verwaltungsräte zu wählen. Michael Grüner hat dabei im Vorfeld und auf der Versammlung keinen Zweifel daran gelassen, dass er weitere drei Jahre lang der Landesbank als Präsident vorstehen will. Gerade mit der neuen Struktur am Zenit seiner Macht angelangt, will der Anwalt keinesfalls den Silberlöffel abgeben.
In der Vollversammlung gewählt wird der Verwaltungsrat nicht nach Stimmen, sondern nach Aktien. Das heißt, dass die Raika Bruneck mit 9,14 Prozent die meisten Stimmrechte hat. Gefolgt von der Raika Bozen mit 7,22 Prozent, Kastelruth (4,41%) und Lana (4,31%). Weil in Bruneck die Anführer der Anti-Grüner-Koalition sitzen, hatte man geplant an diesem Tag den Brunecker Raika-Obmann Hanspeter Felder zum neuen RLB-Präsidenten zu wählen.
Der Plan ging am Montag auch auf. Zehn Kandidaten traten um die acht verbliebenen Plätze im neuen Verwaltungsrat an. Der Obmann der Raika Überetsch Philipp Oberrauch und der Obmann der Raika Bozen Alexander Gasser blieben auf der Strecke.
Doch die eigentliche Überraschung war der Wahlausgang. Bis heute hütet man das genaue Wahlergebnis wie eine Staatsgeheimnis.
Nach Informationen von salto.bz schaffte Hanspeter Felder  ein plebiszitäres Ergebnis. Er bekam 98 Prozent der gesamten Aktienstimmrechte. Unternehmerin Flora Kröss schaffte 90 Prozent. Danach folgen der Direktor der Raika Passeier Jakob Franz Laimer (89%), der Direktor der Raika Taufers Ahrntal Manfred Wild (88%), der Obmann der Raika Terlan Josef Alber (62,5%) und der Direktor der Raika Kastelruth Stefan Tröbinger (62%)
 
Der amtierende Präsident Michael Grüner wurde von den Aktionären erst an siebter Stelle gereiht. Er schaffte nur mehr magere 59 Prozent der Aktienstimmrechte. Weniger Stimmrechte erhielten nur noch die beiden Letztgewählten. Der Obmann der Raika Salurn Michele Tessadri und der Obmann der Raika Eisacktal Peter Winkler.
Das Ergebnis ist ein schallende Ohrfeige für Michael Grüner.
 

Präsident auf Abruf

 
Doch Michael Grüner wollte diese eindeutige Botschaft nicht zur Kenntnis nehmen. Das Amt scheint dem Anwalt zu wichtig zu sein, um freiwillig einen Schritt zurück zu machen. Deshalb forcierte der Langzeitpräsident seine Bemühungen in seinem Amt bestätigt zu werden.
Weil der Verwaltungsrat auf seiner konstituierenden Sitzung den Präsidenten wählt und jedes Mitglied eine Stimme hat, weiß Grüner, dass dort die Karten neu gemischt werden. Plötzlich sind die Riesenabstände und die Reihung bei der Wahl durch Aktionärsversammlung nichtig.
Michael Grüner setzt alles auf sein Netzwerk und er fordert bewusst eine Kampfabstimmung gegen Hanspeter Felder heraus.
Zu dieser sollte es dann am Dienstagabend kommen, als sich der Verwaltungsrat um 19 Uhr zur ersten Sitzung und zur Präsidentenwahl trifft. Die Wogen gehen dabei hoch. Es ist eine mehr als schwierige Situation. Jeder im Raum weiß, dass die Abstimmung äußerst knapp ausgehen wird. Im Klartext: Es würde ein 6 zu 5 Ergebnis - für wen auch immer - herauskommen.
 
Das heißt, einer oder eine im Verwaltungsrat würden zum Königsmacher oder - mörder werden. Niemand hatte am Ende aber den Mut, sich diese Verantwortung auf die Schultern zu laden. So handelt man am Ende einen Kompromiss aus.
Offiziell bleibt so, wie in der Presseausendung beschrieben, alles beim Alten. Michael Grüner wird als Präsident und Hanspeter Felder wiederbestätigt. Doch die Wirklichkeit sieht deutlich anders aus.
Michael Grüner bleibt bis zum Mai 2020 Präsident und dann übernimmt Hanspeter Felder für die restlichen eineinhalb Jahre das Amt. Man verkaufte am Ende diesen Beschluss dann als einstimmig.
Es ist für viele am Tag danach aber die schlechteste Lösung. „Wir haben jetzt einen Präsidenten auf Abruf“, sagt einer aus dem RLB-Verwaltungsrat. Und stellt dann eine Frage, die sich viele stellen: „Was glauben Sie welche Autorität ein solcher Präsident in- und außerhalb der Raiffeisen-Gruppe noch hat?
Michael Grüner hat vorgemacht, wie erfolgreich man an seinem Sessel kleben kann. Den Südtiroler Raiffeisen-Kassen hat er damit aber sicher keinen Dienst erwiesen.
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Martin B. Do., 18.10.2018 - 19:16

Wenn auch nur in Teilen zutreffend, wäre die hier dargestellte Situation (von der EU über Rom nach Bozen) ein Grund das Genossenschaftswesen bei den Banken für tot zu erklären. Der unterstützende Gedanke der Ortsbank für die eigenen Mitglieder wird ausradiert und die Bank immer mehr nach Vorbild einer zentralen gewinnorientierten Bank orientiert. Dann noch die Machtkonzentration und Sesselkleberei dazu und die meisten übriggebliebenen Pro-Argumente für das einfache Mitglied entschwinden. Traurig.

Do., 18.10.2018 - 19:16 Permalink