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Der Schützen-Unterricht

An der Grund- und Mittelschule Tramin haben die Schützen am Montagvormittag die Kinder über „100 Jahre Kriegsende“ aufgeklärt. Eine problematische Aktion.
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Foto: SSB
Ulrike Hofer weicht keiner Frage aus. „Wir haben das im Vorfeld genau abgesprochen und geprüft“, sagt die Direktorin des Schulsprengels Tramins, „und die Vorgabe war, es darf nichts Politisches oder gar Wahlwerbung geben“. Die Vortragenden hätten sich daran auch gehalten.
Dennoch herrscht bei manchem in Tramin Unmut. „Es kann doch nicht sein, dass der Bezirksmajor des Schützenbundes in einer Grundschulklasse über das Kriegsende referiert“, sagt der Sprecher einer Elterngruppe aus dem Unterland, die sich an salto.bz gewandt hat.
Der Hintergrund ist eine Geschichte, die man als problematisch bezeichnen kann. Vor allem dann, wenn sie sich sechs Tage vor den Landtagswahlen abspielt.
 

Bezirksmajor als Lehrer

 
Eine Abordnung des Südtiroler Schützenbundes hat am vergangenen Montag im Veranstaltungsaal des Schulsprengels Tramin einen Film und ein Quiz mit dem Titel „100 Jahre Kriegsende“ vorgestellt.
Zwischen 8.55 Uhr und Unterrichtsende wurde den 9 Mittelschulklassen und den 4. und 5. Klassen der Grundschule während der Unterrichtszeit ein vom Schützenbund produzierter Kurzfilm zum Ersten Weltkrieg und zum Kriegsende gezeigt. Es handelt sich dabei um einen Film, der von Kindern für Kinder produziert wurde. Zudem stellte man das Quiz des Schützenbundes "1918 - 2018 Erster Weltkrieg“ vor.
 
„Wir haben uns alle Inhalte vorab angeschaut und geprüft“, sagt Direktorin Ulrike Hofer. Zudem hätten die Lehrpersonen den Stoff im Unterricht durchgemacht. Die Kinder seien so vorbereitet gewesen.
Die Direktorin kann deshalb die Bedenken nicht teilen. „Zu uns kommt ja auch die Musikkapelle, um die Instrumente vorzustellen“, argumentiert Hofer. Es ist ein Vergleich, der ordentlich hinkt.
 

Die Initiative

 
Die Initiative für die historische Schuloffensive geht dabei direkt vom Südtiroler Schützenbund aus. Der Kommandant des SSB-Bezirkes Unterland Peter Frank hat sich bereits im Sommer an mehrere Südtiroler Schulen gewandt.
Im Rundschreiben Franks, der auch der Landesleitung des Südtiroler Schützenbundes angehört, heißt es:
 

„Sehr geehrte/r Frau/Herr Direktor
 
im heurigen Gedenkjahr zum 100-jährigem Ende des Ersten Weltkrieges ist es uns als Schützenbezirk Süd-Tiroler Unterland ein besonderes Anliegen vor allem bei unseren Jugendlichen des Interesse an den Geschehnissen rund um Tirol während des „Großen Krieges“ zu wecken. Wir haben hierzu ein Projekt ins Leben gerufen, das wir ihnen gerne kurz vorstellen.
Unser Land Süd-Tirol hat eine bewegende Geschichte hinter sich, aber sicherlich auch eine interessante Zukunft vor sich. Wir als Schützenbezirk möchten zum gegebenen Anlass die Gelegenheit ergreifen den Schülern der 4. und 5, Klasse Grundschule/ Mittelschule einen erweiterten Einblick in die Geschehnisse rund um unsere Heimat während des Ersten Weltkrieges zu gewähren. Mit Hilfe von Quizfragen möchten wir die Schüler lediglich dazu anregen in der Geschichte ihrer Familien und ihres Umfeldes nachzuforschen.
Es ist uns in besonderes Anliegen vor allem bei unseren Jugendlichen das Interesse an den Geschehnissen rund um Tirol während des „Großen Krieges“ zu wecken.
Wir bitten die Schulleitung um eine halbe Stunde während der Lehrzeit im September, an der wir die Schüler z.B. in Aula zur Vorstellung des Quiz zum Gedenklahr „100 Jahre Kriegsende“ versammeln dürfen.“
 
Und weiter:
 
„Wir möchten mit unserem Projekt in keinster Weise in den Unterrichtsstoff eingreifen, natürlich ist und bleibt es Aufgabe der Schule unsere Geschichte und unsere Kultur mit Fachwissen und pädagogischem Können unseren Kindern weiterzuvermitteln“.
 
Bezirkskommandant Peter Frank gibt im E-Mail auch zu bedenken, dass den „Lehrern dadurch kein Mehraufwand entsteht“. Zudem: „Sollte jedoch der Wunsch bestehen, dieses Thema in den Lehrplan aufzunehmen, sind wir als Schützenbezirk sehr gerne bereit Ihnen unsere Unterstützung zuzusichern“.
 
Das Schreiben ist an mehrere Unterlandler Schulen gegangen. Die Frage ist: Wieviele habe sich für den patriotischen Nachhilfeunterricht begeistern können.
 

Das Quiz

 
Wie der Geschichtsunterricht der strammen Mander dabei ausschaut, wird am Quiz deutlich, das man in Tramin den Schülern vorgestellt hat.
Der Schützenbund hat ein Quiz erarbeitet mit 23 Fragen zum Ersten Weltkrieg, das man auch Online ausfüllen kann. Zur Auswahl stehen dabei bei jeder Frage drei mögliche Antworten. Unterstützt wird diese Aktion auch vom Kulturamt des Landes.
In welche Richtung das historische Ratespiel geht, wird deutlich, wenn man sich die Fragen und Antworten genauer anschaut.
 
Das Geschichtsbild der Schützen besteht im Fragenkatalog nur aus Österreich, Tirol und den Standschützen.
Eine Auswahl der Fragen:
 
  • Welchem Bündnis gehörte Österreich-Ungarn und damit Tirol bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs an?
  • Welche militärische Einheit des Deutschen Kaiserreichs unterstützte die Tiroler Standschützen besonders am Anfang an der Gebirgsfront?
  • Wo liegt Galizien, wo Österreich-Ungarn 324.000 Tote und Verwundete sowie 130.000 Gefangene verlor?
  • Welche Kopfbedeckung trugen die österreichischen Soldaten 1915?
  • Welches ist das einzige Gebiet im heutigen Staat Österreich, das im Ersten Weltkrieg von Kriegshandlungen betroffen war?
  • Wie viel wog ein durchschnittlicher österreichischer Soldat zu Kriegsende?
 
Fragen zu den italienischen Opfern gibt es selbstverständlich keine. Dafür gibt es eine andere Konstante: Die Überhöhung Österreichs und eine bewusste Herabsetzung Italiens.
Etwa in der Frage „Warum spielt der Col di Lana in der Geschichte eine so wichtige Rolle?“: Die richtige Antwort: „Weil sein Gipfel von den Italienern weggesprengt wurde.
Oder: „Wieso kamen am letzten Tag des Ersten Weltkriegs noch 380.000 österreichische Soldaten in italienische Kriegsgefangenschaft?“ Die richtige Antwort:
Weil sie durch ein Missverständnis glaubten, dass der Krieg bereits aus war.
 
Im Quiz werden aber auch sehr geschickt politisch-patriotische Botschaften transportiert. Etwa in den Fragen:
 
  • Wann kamen Südtirol und das Trentino offiziell zu Italien?
  • Wie viele Jahre gehörte Südtirol ungefähr zu Österreich?
  • Was bedeutet Annexion genau?
Oder in der Frage „Warum setzten bei Kriegsende die Tiroler große Hoffnungen auf den US-Präsidenten Wilson und sein 14-Punkte-Programm?“ Die richtige Antwort: „Er war für die Selbstbestimmung.
 
Aber politisch ist die Schützengeschichte anscheinend nicht.
 

Der Termin

 
Wir haben diese Aktion im Leitungsteam besprochen“, sagt Direktorin Ulrike Hofer „und dann dem Kollegium vorgelegt“. Nach Informationen von salto.bz waren nicht alle Lehrer begeistert. Nicht nur der Inhalt, sondern auch der Zeitpunkt der Aktion stieß einigen bitter auf.
Wir mussten das jetzt machen“, rechtfertigt Direktorin Hofer die Tatsache, dass der besondere Geschichtsunterricht ausgerechnet sechs Tage vor den Landtagswahlen erfolgt ist, „weil es zum Quiz eine Preisauslosung gibt."
Das Schützenquiz läuft vom 25. Februar bis zum 4. November 2018. Auch dieses Datum dürfte kein Zufall sein. Danach werden unter den Teilnehmern, die zwischen 100 und 60 Prozent der Fragen richtig beantwortet haben, drei Preise ausgelost.
Auch hier lautet das Motto, dem Land Tirol die Treue.
 
 
  • 1. Preis – verlängertes Wochenende (Freitag bis Sonntag) in Innsbruck für vier Personen mit Übernachtung in einem vier Sterne Hotel und Eintrittskarten fürs Tiroler Landesmuseum und den Innsbrucker Alpenzoo;
  • 2. Preis – geführte Skiroute durch die Kriegsschauplätze des 1. Weltkriegs und der atemberaubenden Kulisse der Dolomiten, mit einer Übernachtung auf einer Berghütte für vier Personen;
  • 3. Preis – VIP Karten für das Alpenflairfestival in Natz für vier Personen.
Auch ein FreiWild Konzert ist wahrscheinlich für die Traminer Schüler pädagogisch besonders wertvoll. Vor allem im VIP-Zelt.
 

Alle Fotos stammen aus dem Quiz des Südtiroler Schützenbundes.