Politik | Koalition

„Es gibt nur eine Lösung“

Luis Durnwalder über die Koalition mit der Lega, seine Vorbehalte gegen die Grünen und die Frage, ob er zu jenen gehört die hoffen, dass Arno Kompatscher scheitert.
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Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Salto.bz: Herr Altlandeshauptmann Durnwalder, was würden Sie tun, wenn Sie jetzt in der Position von Arno Kompatscher oder Philipp Achammer wären?
 
Luis Durnwalder: Sie wissen, dass ich weder in der Position des Landeshauptmannes, noch des Parteiobmannes bin. Ich bin nicht einmal mehr aktiv in der Partei tätig. Sicher ich bin bei den Wahlversammlungen ein paar Mal hinausgegangen und habe für die SVP geworben. Aber ich habe keinerlei Funktion mehr, deshalb ist es besser wenn ich still bin....
 
In Wirklichkeit mischen Sie aber im Hintergrund immer noch ordentlich mit?
 
Nein, nicht unbedingt. Sicher: Wenn ich auch aus der aktiven Politik ausgestiegen bin, so bleibe ich ein zoon politikon. Ich bin ein politisch interessiertes Wesen und das lass ich mir sicher von niemandem nehmen. Auch wenn ich kein Amt mehr innehabe.
 
Also was täte Durnwalder in dieser Situation?
 

Meiner Meinung nach ist es nicht besonders schwer hier eine Lösung zu finden. Nach meiner Auffassung gibt es nur eine Lösung. Das ist meine Überzeugung. Aber natürlich werden das die zuständigen Parteigremien zu entscheiden haben.
 
Es gibt theoretische eine ganze Reihe von Optionen?
 
Natürlich gibt es rein mathematische mehrere Möglichkeiten. Zum Beispiel eine Koalition SVP-Team Köllensperger. Doch dazu muss von der Liste Köllensperger zuerst ein deutscher Gewählter zurücktreten und eine italienische Kandidatin nachrücken...
 
Was wenn Köllensperger genau das anbietet?
 
Dann kann man sicher darüber reden. Doch damit ist noch nichts getan. Denn wir brauchen zwei italienische Landesräte. 
Eine Koalition muss doch keine Liebesheirat sein. Es gibt auch die Zweckehe.
Anbieten würden sich auch der PD und die Grünen?
 
Der PD hat zu viel verloren. Ich glaube 50 Prozent der Stimmen. Dazu kommt, dass der PD eine gewisse Mitschuld an den Stimmenverlusten der SVP trägt. Denn die ganzen Affären um Boschi oder Puglisi haben der Partei alles andere als gut getan. Das war sicher für die SVP kein großer Vorteil...
 
Sie haben anscheinend vergessen, dass auch unter Ihnen das Geben und Nehmen mit dem PD bestens funktioniert hat?
 
Nein, das habe ich nicht vergessen. Wir haben bisher immer mit Mitte-Links koaliert und ich muss sagen, dass wir damit gut gefahren sind. Auch weil das immer Parteien waren, die zu uns gestanden sind. Deshalb wäre ich sofort dafür, wenn die Option möglich wäre. Aber leider reicht der PD allein nicht mehr aus. Wir wissen genau, wenn wir den PD nehmen, dann brauchen wir noch einen zweiten italienischen Koalitionspartner. Dazu kommt noch eine andere Überlegung. Auch wenn wir zwei italienische Landesräte haben, brauchen wir weitere zwei Stimmen um die absolute Mehrheit im Landtag zu haben....
Der PD trägt eine gewisse Mitschuld an den Stimmenverlusten der SVP 
Damit kommen die Südtiroler Grünen ins Spiel?
 
Bei den Grünen habe ich große Zweifel. Ich kenne den Vertreter der Grünen, der dann in die Landesregierung gehen würde, sehr gut. Ich haben ihn im Landtag viele Jahre lang erlebt und muss ehrlich sagen, dass er immer gegen uns war, wenn es um die Grundrechte der Autonomie oder um volkstumspolitische Dinge gegangen ist. Er war fast immer gegen uns.
 
Riccardo Dello Sbarba war aber zweieinhalb Jahre lang auch Präsident des Südtiroler Landtages und hat dabei sehr wohl gezeigt, dass er imstande ist über den eigenen Parteirand hinauszuschauen und eine institutionelle Rolle auszufüllen?
 
Sie wissen genau, dass man die Landtagspräsidentschaft bei uns nicht so wertet, wie etwas in Deutschland oder Österreich. Die Landtagspräsidentschaft ist ein repräsentatives Amt, aber keine Position, wo man großartige Entscheidungen fällen muss. Ich jedenfalls würde große Probleme sehen, wenn man Dello Sbarba in die Landesregierung nehmen würde.
 
Das Problem der SVP ist der mächtige Bauernbund und die Bauern in der SVP, die rot sehen, wenn sie auch nur grün hören?
 
Ich habe den Bauernbund nie gefragt, ob er rot oder grün sieht oder Waldgrün lieber hätte. Tatsache ist, dass jeder der auch nur einen volkstumspolitischen Funken in sich hat, nicht für die Grünen sein kann. Denn die Grünen haben bisher immer gegen uns gewettert. 
 
In Deutschland sind die Grünen dabei die zweitstärkste politische Kraft zu werden, in Österreich haben wir ein grünes Staatsoberhaupt und Sie malen hier den grünen Teufel an die Wand?
 
Man kann das nicht vergleichen. Unsere Grünen muss man wirklich als Neinsager-Partei einstufen. Das ist leider so. Deshalb würde ich unsere Politik nicht mehr verstehen, wenn man diese Entscheidung trifft. Verständlich wäre es, wenn es sonst Neuwahlen geben würde. Aber diese Gefahr besteht in Südtirol nicht.
Jeder der auch nur einen volkstumspolitischen Funken in sich hat, kann nicht für die Grünen sein.
Das heißt: Durnwalder ist für eine Koalition SVP-Lega?
 
Ich glaube, dass es keine andere Möglichkeit gibt. Deshalb wird man in diesen sauren Apfel beißen müssen. Schauen Sie, ich bin auch kein allzu großer Freund der Lega, weil sie mir zu Rechts ist. Zudem ist sie absolut nicht beständig. Sie wechselt immer wieder Programm und Richtung. Wenn ich Umberto Bossi hernehme, was damals die Lega vertreten hat oder auch Calderoli und viele andere. Damals hat sich die Lega wirklich als Partei der Autonomien und des Föderalismus geoutet. Als eine Bewegung, die irgendwie die Bodenständigkeit vertreten hat. Denken Sie nur an die Padania, die man machen wollte. Oder auch die Aussagen für das Südtiroler Selbstbestimmungsrecht...
 
Von diesen politischen Inhalten ist Salvinis Lega heute aber meilenweit entfernt?
 
Salvini schwappt derzeit eine Welle der Sympathie, der großen Hoffnungen entgegen. Kaum kommt aber das erste Hindernis wird es auch diese Welle erschlagen. Das ganze wird schnell wieder abflauen. Dazu kommt, dass die Lega Teil der italienischen Regierung ist. Im Trentino hat Mitte-Rechts 21 von 35 Mandaten geholt. Die Lega allein hat 13 Sitze im Landtag. Und wir müssen einfach mit Trient zusammenarbeiten. Wir haben eine Regionalregierung wo wir die Rotation der Präsidentschaft machen müssen. Das ganze kann kaum funktionieren, wenn wir in Südtirol eine andere Regierungsmehrheit wie im Trentino haben. Oder nehmen wir die Europaregion Tirol. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie das gehen soll, wenn wir zum Beispiel einen grünen Landeshauptmannstellvertreter haben.
 
Genau das ist in Tirol seit Jahren der Fall und bisher hat sich noch niemand daran großartig gestört?
 
Das ist eine völlig andere Situation. Wir sind eine sprachliche Minderheit und wir müssen deshalb auf Dinge achten, die es in Nordtirol gar nicht gibt. Etwa die Schule, den Proporz oder die Volkstumspolitik.
Ich glaube, dass es keine andere Möglichkeit gibt. Deshalb wird man in diesen sauren Apfel beißen müssen.
Sie können auch mit der Anti-EU-Haltung der Lega leben?
 
Sie werden sehen, dass man mit der Lega über alles reden kann. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass uns die Lega sofort einen Platz auf ihrer Liste für die Europawahlen geben würde und auch die Freiheit lässt dann im EU-Parlament in eine andere Fraktion zu gehen. 
 
Matteo Salvini hat in Europa das Ansehen von Victor Orban. Schon jetzt hat die Lega angekündigt, dass Salvini persönlich in Südtirol verhandeln wird. Kann es sich die SVP wirklich leisten mit ihm ein Koalitionsprogramm zu unterzeichnen?
 
Wenn wir eine Koalition machen, dann machen wir keine Koalition mit Rom, sondern mit unseren Lega-Vertretern. Ich bezweifle, dass Salvini dafür nach Bozen kommen wird. Er denke er wird Calderoli damit beauftragen und da sieht die Sache schon wieder ganz anders aus. Ich habe mit Calderoli lange und im Großen und Ganzen nicht schlecht zusammengearbeitet. Das heißt: Innerhalb der Lega gibt es schon Kräfte, die unsere Verhältnisse verstehen. 
 
Sie glauben also, dass die SVP ohne Probleme von Mitte-Links nach Mitte-Rechts schwenken kann?
 
Eine Koalition muss doch keine Liebesheirat sein. Es gibt auch die Zweckehe. Es wird so sein, dass die SVP klar sagt: Das und das verlangen wir. Es wird eine Vernunftehe auf Zeit werden. Dabei brauchen wir beide uns nicht umarmen oder lieben, sondern unter diesen Voraussetzungen können beide davon profitieren.
 
Es gibt noch eine andere Möglichkeit: Keine Koalition, sondern eine ethnische Vertretung?
 
Das hat es unter Silvius Magnago schon einmal gegeben. Damals gab es italienische Landesräte, die nur eine ethnische Präsenz hatten. Sie können in der Landesregierung zwar mitstimmen haben aber keinerlei Kompetenzen. Das ist für mich keine gangbare Lösung. Denn das wäre meiner Meinung nach nur die Angst Entscheidungen zu treffen. Davon würde ich vehement abraten.
 
Sie sehen nicht die Gefahr, dass mit einer Lega in der Landesregierung, ausländerfeindliche und rechte Politik in Südtirol noch hoffähiger wird?
 
Nein. Denn der Wähler hat bei dieser Wahl klar entschieden. Die deutschsprachige Rechte hat alles andere als einen Auftrieb bekommen. Aber auch die Lega wurde nicht wegen ihrer rechten Positionen gewählt, sondern weil sie einfach die Alternative zu den anderen italienischen Parteien war. Diese Stimmen bekam die Lega nicht aus ideologischen Gründen. Sondern die Wähler glauben, dass diese Partei etwas tun kann. Die Menschen wollen in dieser Phase im Grunde genommen starke Männer. Man sieht jetzt den Salvini, der so hemdsärmelig auftritt. Aber die Wähler werden sehen, dass die Realität am Ende eine andere ist. Wie gesagt: Diese Sympathiewelle für die Lega wird wieder abklingen.
Diese Sympathiewelle für die Lega wird wieder abklingen.
Es gibt Einige in der SVP, die Arno Kompatscher in eine Koalition mit der Lega drängen und hoffen, dass er dann auf die Schnauze fällt. Sie gehören auch dazu?
 
Nein. ich gehöre bestimmt nicht dazu. Ob es jemand glaubt oder nicht: Ich bin daran interessiert, dass unsere Situation gut weitergeht, dass wir die Problem im Land lösen können und dass wir halbwegs miteinander in Frieden auskommen. 
 
Es scheint einigen Zündstoff zwischen Ihnen und Ihrem Nachfolger zu geben?

Wenn es manchmal Reibereien gegeben hat, dann ist er nicht ganz unschuldig. Arno fehlt manchmal die Entscheidungsfreudigkeit und etwas auch das das Menschliche. Dazu der Kontakt mit dem Bürger. Es stimmt sicher, dass ich da mit meinen Sprechstunden übertrieben habe. Heute würde ich das auch nicht mehr tun. Aber zwischen meine Verhalten und dem was er tut, gibt es auch einen Mittelweg.