Politik | SVP

„Das Problem ist die Urbanistik“

Er saß sowohl für die SVP wie auch für die Grünen im Landtag: Sepp Kusstatscher über eine Koalition mit der Lega, die Angst vor den Grünen und die SVP-Arbeitnehmer.
Sepp Kusstatscher
Foto: commons.wikimedia.org/Alexander Wallnöfer
Salto.bz: Herr Kusstatscher, Sie waren lange Zeit unter dem Edelweiß politisch tätig. Können Sie nachvollziehen, dass es 2018 innerhalb der SVP eine Mehrheit für eine Koalition mit der Lega und nicht mit den Grünen gibt?
 

Sepp Kusstatscher: Nein, das wird es nicht geben. Wenn man sich die politische Gesamtbilanz sowohl in Rom wie auch in Südtirol anschaut, dann wäre eines ganz klar: Autonomiepolitisch gab es nur Erfolge mit Mitte-Links-Parteien. Mit Mitte-Rechts hingegen ging nie etwas. Allein aus diesen Erfahrungen in den letzten Jahrzehnten heraus, dürfte die SVP meines Erachtens keinen Moment zweifeln, in welche Richtung sie gehen soll.
 
Die Stimmung in der SVP geht aber in Richtung Lega?
 
Auch ich denke, dass sich Arno Kompatscher, der im Grunde öko-sozial eingestellt ist, am Ende nicht durchsetzen wird. Dafür habe ich eine ganz einfache Erklärung. An der SVP-Spitze weiß man ganz genau, dass die Lega der weit pflegeleichtere Partner ist als die Grünen. Mit der Lega kann die SVP schalten und walten, wie sie will. Das ist meiner Meinung der Hauptgrund für die vehemente Ablehnung der Grünen. Vor allem im Bereich Urbanistik, Natur und Umweltschutz, aber auch im Sozialen, wären die Grünen eine Herausforderung und ein Partner auf Augenhöhe für die SVP. Die Lega hingegen ist ein Garant für die Lobbys, die - vor allem in der Urbanistik - weiterhin so hausen können, wie sie es in den vergangenen Jahren getan haben.
Die Lega ist ein Garant für die Lobbys, die - vor allem in der Urbanistik - weiterhin so hausen können, wie sie es in den vergangenen Jahren getan haben.
Riccardo Dello Sbarba hat bei der Urbanistikreform 2018 in der Gesetzgebungskommission einige Bestimmungen zu Fall gebracht, die der Bauernbund und andere SVP-Wirtschaftsverbände zum eigenen Vorteil zurechtgezimmert hatten. Ist das der Grund, warum man jetzt so vehement gegen seinen Einzug in die Landesregierung wettert?
 

Das liegt doch auf der Hand. Die SVP-Vertreter sind meistens völlig unvorbereitet mit Änderungsanträgen in die Gesetzgebungskommission gekommen, die ihnen vom Bauernbund oder von gewissen Immobilienmaklern vorbereitet wurden. Hier hat Riccardo Dello Sbarba eine Mammutarbeit geleistet und vieles von dem zunichte gemacht, was die Bauern- und Baulobby wollte. Die SVP-Vertreter haben so vor Augen geführt bekommen, was seriöse politische Oppositionsarbeit bedeutet. Aber auch welches Rückgrat Dello Sbarba hat. Genau deshalb will man ihn jetzt nicht in der Landesregierung haben. Das ist für mich der Hauptgrund. Den man natürlich nicht offen ausspricht.
 
Das Argument, dass die Lega mit vier Landtagsabgeordneten eindeutig die Mehrheit der Südtiroler Italiener vertritt?
 
Jetzt plötzlich führt man dieses Argument ins Feld. Aber erinnern Sie sich: Auch der MSI hatte früher einmal vier Landtagsabgeordnete. Auch damals war das die Mehrheit der Italiener. Aber niemandem in der SVP wäre es damals auch nur eingefallen so zu argumentieren.
Erinnern Sie sich: Auch der MSI hatte früher einmal vier Landtagsabgeordnete.
Die Gegenwehr der SVP-Arbeitnehmer gegen diesen eindeutigen Rechtsruck der SVP fällt sehr schmalbrüstig aus?
 
Ich würde sagen, die Einwände und Drohgebärden eines Renzler werden die Meisten in der SVP kaum berühren. Solange die Arbeitnehmer nicht wirklich ernsthaft über einen Austritt aus der SVP nachdenken, wird man sie in der SVP kaum beachten. Das war auch früher schon so. Erst als wir 1991/92 zusammen mit Hubert Frasnelli den Parteiaustritt der Arbeitnehmer wirklich thematisiert und eingeleitet haben, hat sich etwas bewegt. Leider haben wir damals eine Mehrheit knapp verfehlt. Es waren vor allem die Landesregierungsmitglieder Otto Sauer und Sabina Kasslatter-Mur, die nicht gehen wollten. Sonst wäre der Arbeitnehmerflügel damals geschlossen mit sechs Abgeordneten aus der SVP ausgetreten.
 
Was würden Sie den Südtiroler Grünen in dieser Situation raten?
 
Es ist eher unsympathisch, wenn man über die Medien politische Ratschläge erteilt. Aber ich mache eine einfache Überlegung: Man soll cool und standhaft bleiben. Denn ordentliche, seriöse, politische Arbeit wird immer belohnt. Wahrscheinlich noch mehr in der Opposition als in der Regierung.