Roberto Calderoli hat Mühe, in die Zeitungen zu kommen. Die Glanzzeiten, da die rüden Lega-Recken in Pontida vor Tausenden jubelnder Anhänger kräftig vom Leder ziehen konnten, sind vorüber. Die Partei steht am Abgrund, das enttäuschte Fußvolk wendet sich ab. Doch in Treviglio bei Bergamo lief der bullige Ex-Minister auf einem Parteifest im Grilldunst gebratener salsicce noch einmal zur Hochform auf. Als Angriffsziel wählte er Integrationsministerin Cécile Kyenge, die ihm in dreifacher Hinsicht für einen Tiefschlag geeignet schien: sie ist schwarz, Frau und Immigrantin. Die kongolesische Ärztin erinnere ihn an einen Orang-Utan, donnerte Calderoli. Die infame Verleumdung ist Ausdruck der Hilflosigkeit: eine Partei, deren großspurige politische Ziele von der Sezession bis zum federalismo fiscale kläglich gescheitert sind, sieht in rüder Ausländerfeindlichkeit ihre letzte Chance.
Peinliche Auftritte
Calderoli gehört zur Riege der politischen Versager, die Italien in zwei Jahrzehnten an den Rand des Abgrunds geführt haben. Die Liste seiner peinlichen Entgleisungen ist lang. 2006 mußte er als Minister zurücktreten, nachdem er sich im Fernsehen in einem T-Shirt mit islamfeindlichen Karikaturen präsentiert hatte. Beim anschließenden Angriff empörter Muslime auf das italienische Konsulat in Bengasi kamen elf Menschen ums Leben. Für Empörung sorgte auch seine Feststellung, die "Homo-Kultur habe Padanien zu einem Tummelplatz von culattoni" gemacht. Als Heilmittel für Pädophile empfahl er eine Schere, Italiens WM-Sieg über Frankreich führte er 2006 auf den Umstand zurück, daß die Franzosen ein "Team von Negern, Muslimen und Kommunisten" ins Feld geschickt hätten. Seinen absoluten Gehorsam gegenüber dem langjährigen Lega.Chef Umberto Bossi kleidete der 55-jährige Bergamaske in bildhafte Worte: "Wenn er mir befiehlt, von der Brücke zu springen, dann springe ich." Calderoli ist Autor des ruinösen Wahlrechts, das Italiens Parlament lähmt und das er selbst als "porcata" wertete. Nach seinen zahlreichen Entgleisungen mußte die Villa des Ex-Ministers bis vor kurzem von acht Polizeibeamten bewacht werden - auf Staatskosten.
Politisches Schlachtfeld
Calderolis Weigerung, als stellvertretender Senatspräsident zurückzutreten, setzt Cécile Kyenge Souveränität und ein beispielhaftes Verständnis ihrer institutionellen Rolle entgegen. Trotz täglicher Attacken und Beschimpfungen geht sie jeder Polemik aus dem Weg. In keinem anderen EU-Land ist die Verleumdung so zum Mittel der Politik verkommen wie in Italien. Ihr unerreichter Meister ist Beppe Grillo, der sich rühmt, über 80 Gerichtsverfahren am Hals zu haben. Sein Blog ist ein Tummelplatz von Hitzköpfen, die politischen Gegnern und internen Dissidenten unverhohlen drohen: "Wir wissen, wo du wohnst und welche Schulen deine Kinder besuchen. Du kommst nicht ungeschoren davon". "Du bist es nicht wert, angespuckt zu werden", mußte sich die Senatorin Adele Gambara sagen lassen. Die ausgetretene Senatorin Paola De Pin erstattete gegen einen Parteikollegen Anzeige wegen massiver Drohungen. Die Politik ist zum Schlachtfeld verkommen - ein Klima, in dem der Fall Kyenge zur Belastungsprobe für die Regierung wird , nachdem die Lega Lettas Rücktrittsforderung an Calderoli abgelehnt hat.
Weltweiter Schaden
Die ohnedies schwache Regierung schafft es im täglichen Pulverdampf nicht, aus den Turbulenzen zu kommen. Entgleisung wie jene Calderolis bringen das Land weltweit in ungünstige Schlagzeilen. Auch die Abschiebung von Alma Schalabajewa nach Kasachstan ist ein willkommener Vorwand für innenpolitische Abrechnungen. Matteo Renzi stellt der Regierung täglich die Rute ins Fenster. Im Partito Democratico bekriegen sich in Erwartung des entscheidenden Parteitags verfeindete Fraktionen, deren Töne kaum vermuten lassen, daß sie Mitglieder derselben Partei sind. Der gusto dell'insulto ist zum Alltagsprodukt verkommen - wohl kaum zum Vorteil der Politik.