Umwelt | Sextner Skipistenverbindung

„Schöne Welt, böse Leut“

Facebook-Seiten auf Stimmfang - Sexten ist gespaltener denn je, in sich, mit sich. Die Rodung am Wochenende des 10. August hatte einmal mehr verdeutlicht: Wer Macht hat, benützt sie.
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Foto: upi

Ironisch hätte Claus Gatterer wohl begonnen, hätte ihn seziert, einzeln, genau. Sanft, oder hart? Den Verlust der Zwischenmenschlichkeit, den „Verfall der Sitten“, wohl augenscheinlich in Gatterers Heimatdorf Sexten – und doch ein Exempel der Zeit, wieder mal. Statuiert dort, wo Fremdenverkehr und Natur aufeinanderprallen: „Schöne Welt, böse Leut.“

Von dieser Welt wollte sich, am 14. August, Landesrat Elmar Pichler Rolle ein Bild machen, nach dem Rechten sehen. Die Zusammenkunft mit dem Sextner Bürgermeister Fritz Egarter „sei lebhaft“ gewesen. Alles legal, sagt Egarter. Mit der Eintragung in den Bauleitplan und Skipistenfachplan hatte er die Baugenehmigung für die Verbindung Helm – Rotwand vor einer Woche ausgestellt. Ausgerüstet mit positiver Strategischer Umweltprüfung und UVP. Der Gatterer – würde er fragen? Wer sind sie, die Schwachen, die Ohnmächtigen? Habt ihr an sie gedacht, wen habt ihr eingebunden? Und Pichler Rolles Rüge ging denn auch nicht in die rechtliche Richtung, sondern er erinnerte: „Die am Wochenende erfolgten Waldschlägerungen hätten angesichts des behängenden Rekurses nicht durchgeführt werden sollen.“ Stillos, plump und ungeschickt, die Machart der Skilobby, verständlich die Empörung der Umweltschützer im Dorf, im Pustertal und darüber hinaus „eine derartige Vorgehensweise ist für eine sachliche Diskussion abträglich", sagt der Landesrat. Nach dem Rechten sieht auch die Staatsanwaltschaft, fühlt sich auf den Plan gerufen. Ein Ermittlungsverfahren wurde eröffnet, bislang ein leeres Strafregister, kein konkreter Tatverdacht, schreibt „Stol.it“ am 13. August. Bös sind die Leut ja nicht wirklich, aber auch nicht gut, oder?

Senfters Pro
Die Skipistenunterstützer bleiben aktiv, wollen sich ihr Recht nicht nehmen lassen, kurzerhand wurde eine Facebook-Seite ins Leben gerufen „Für eine Verbindung der beiden Skigebiete Helm und Rotwand in Sexten“. Helmuth Senfter etwa postet: „Leider wird die Verbindung der beiden Skigebiete in Sexten nur durch einzelne Leute aufgehalten/verhindert! Helft uns mit dieser Seite den Volkswillen durchzusetzen und einen sofortigen Bau zu fordern!“ Und weiter: „Auch die Bergbevölkerung hat ein Recht auf wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeit und ein Recht einen Beitrag an der Gesamtentwicklung unseres Landes leisten zu können.“ Helmuths Vater, Franz Senfter ist Präsident der Sextner Dolomiten-AG, Durnwalders Unterstützung ist ihm gewiss. Auch LVH-Präsident Gerd Lanz, selbst aus Toblach, eilt den Hochpustertaler Wirtschaftstreibenden zu Hilfe: „Unabhängig davon, wie eine Verwaltungsentscheidung ausfällt, muss irgendwann der Zeitpunkt kommen, an dem alle Beteiligten Rechtssicherheit haben." Die Liftverbindung sei wirtschaftlich sinnvoll, würde von der großen Mehrheit der Dorfbevölkerung unterstützt und schaffe Arbeitsplätze, schreibt der LVH in seiner Presseaussendung. Dagegen wehrt sich Hans Peter Stauder: "1997 stimmte in einer, vom Gemeinderat beschlossenen, offiziellen Volksbefragung die Mehrheit gegen den Start eines Schikarussells, wie wir es heute auf dem Tisch haben. Für das aktuelle Projekt hat die Bürgerliste Sexten mehrmals ein Referendum gefordert." Dieses hat es bis heute nicht gegegeben. Etwas erschaffen und etwas abschaffen, Verlierer gibt es immer, ohne Rücksicht auf Verluste. Man spricht nicht mehr, schreibt sich jedoch, über die Medien, über Facebook.

Franz Innerkofler, Wirt auf der der Klammbachalm in Sexten, ist sich gewiss: Trotz Baustopp bist 24. September sieht er sich schon in wenigen Monaten über die weißen Pisten wedeln. Auf der Pro-Skigebiet Seite schreibt er: „Es isch gonz interesant wer sich do ols inmischt ...obo durch se wearmo no mehra bekonnt wiemo schon san...und zi Weihnachtn fohrmo olle Ski... „ Er will „net nochgebn“, und stellt deutlich „i vospott die Grian fa Sextn, für des wos sie voursocht hom – de Wirtschoftsbremsa.“ 1.204 Likes sind es auf der Seite aktuell, geworben wird fleißig.

Naturkatastrophe
Die Gegenseite bleibt nicht untätig und hat denselben Schachzug gefahren: eine Facebook-Seite „Gegen die Verbindung Helm-Rotwand“, aktueller Stand 1.330 Likes, beide Seiten erstellt am 12. August. Günther schreibt etwa: „Leider trägt nicht nur die Natur die Konsequenzen dieser Katastrophe: Bis auf eine Forststraße sind alle Wanderwege im Gebiet Negerdorf blockiert, teils mehr als einen Meter hoch mit niedergeschlagenen Bäumen. Denkt denn niemand von euch Sextnern während der Hauptsaison an eure Wandergäste?“ Edith erinnert an einen großen Meister des Sextner Tals: „Claus Gatterer würde heute schreiben: 'Land, depperte Leute!“ Böse waren sie damals auch schon, diese Betonschädl der Klasse 1 A!“ Touristen melden sich ebenfalls zu Wort: „Ein Grund im Sommer nicht meht Sexten anzusteuern."  „Umweltzerstörung. " Ein Wirt aus Sexten entfernte negative Kommentare von der Facebook-Seite seines Hotels, „freie Meinungsäußerung sieht anders aus“, beklagt Jenny Lein, Administrator der Facebook Seite „Gegen die Verbindung Helm-Rotwand“.

Nicht versteinernden Hass wollte Gatterer, sondern Verständnis für die Lage der Schwächeren. Er meinte zwar die Achtung vor der anderen Sprachkultur, aber Achtung impliziert, wie auch immer, ein Reflektieren, ein Innehalten. Wo steht Sexten, wo Südtirol, wo Ich? Wer ist der böse Nachbar? Den Splitter im Auge des Anderen erkennen wir, den Balken im eigenen Auge nicht.