Gesellschaft | Schülerstreik

Nicht ernst gemeint?

Nach dem Klima-Streik erfahren die Schüler und ihre Anliegen von vielen Seiten Zuspruch. Ausgerechnet die jüngste Landtagsabgeordnete schert aus.
Schülerstreik 15. Februar
Foto: Seehauserfoto

Zwei Dinge hat der gestrige Tag eindrücklich bewiesen: Man muss kein Grüner sein, um für Klimaschutz zu sein. Und: Jung sein muss nicht unbedingt bedeuten, uneingeschränkt Verständnis für junge Menschen zu haben.

 

Eine schert aus

An die 3.000 Teilnehmer – der Großteil davon Schülerinnen und Schüler aus allen Landesteilen – marschieren am Freitag Vormittag durch Bozen. Nach dem Vorbild der Schülerstreiks, die seit Monaten freitags in zahlreichen Ländern stattfinden – und die Politik zu einem Umdenken in der Klimapolitik und raschen Handeln aufrufen.
Von allen Seiten ernten die jungen Menschen Anerkennung: Gewerkschaften, Verbände, Vereine und Organisationen zollen der Südtiroler Jugend für ihr Engagement Respekt. Und auch aus der Politik kommt Applaus – parteiübergreifend.

Politische Vertreter aller Couleurs mischen sich am Freitag unter die Menschenmenge, die sich am Landhausplatz zur Schlusskundgebung eingetroffen hat, nutzen die Gelegenheit, sich mit den jungen Menschen fotografieren zu lassen und anschließend in den sozialen Medien ihre Worte des Lobes kundzutun. So auch Jasmin Ladurner. Doch ausgerechnet sie, die jüngste Landtagsabgeordnete, tadelt ihre (fast) Gleichaltrigen. “Ein Tag Schule schwänzen rettet nicht unser Klima” – das ist die Botschaft, die die 25-jährige SVP-Abgeordnete an die Schüler heranträgt.

 

Selfie, dann Zeigefinger

Natürlich, der Aufmarsch in Bozen sei absolut richtig und wichtig, wie der Kampf “für den Klimawandel” (vermutlich war “gegen den Klimawandel” gemeint) insgesamt, schreibt Ladurner am Freitag Nachmittag auf Facebook. “Aber Hand auf’s Herz”, schwenkt sie sogleich um: “Wärt ihr auch nach Bozen, wenn die Demo an einem Samstag anstatt an einem Freitag stattgefunden hätte?”

Der Tonfall, in dem sich Ladurner, die selbst von sich sagt, “junge Politik” zu betreiben, an die jungen Menschen wendet, mutet altbacken an: “Kauft ihr mit Stoffbeuteln ein? Verzichtet ihr auf Cola, Red Bull und Dosenbier? Trennt ihr den Müll? Kauft ihr regional ein? Ich wünsche mir, dass nicht nur am heutigen Freitag für die Natur eingestanden wird. Sondern an jedem Tag. Durch EUREN täglichen Beitrag! Ihr fordert euer Recht auf eine intakte Natur ein. Dabei dürft ihr aber nicht das Recht auf Bildung vernachlässigen. Deshalb: Geht noch einmal an die Öffentlichkeit, seid laut und blockiert Straßen. An einem Samstag! Damit erzielt ihr bei weitem mehr Effekt und auch Glaubwürdigkeit (dass es für viele eben nicht nur ums Schule-Schwänzen geht)!”

 

“Wir nehmen euch ernst”

Wenn auch Jasmin Ladurner an den wahren Absichten der demonstrierenden Schülerschaft zu zweifeln scheint – die obersten politischen Entscheidungsträger des Landes nehmen die Anliegen jedenfalls ernst. Landeshauptmann Arno Kompatscher, Bildungs- und Jugendlandesrat Philipp Achammer und Giuliano Vettorato als Landesrat für Umwelt und die italienische Schule haben am Freitag das Gespräch mit den Jugendlichen am Landhausplatz gesucht – und sind sich einig: Die jungen Menschen haben ein beeindruckendes Zeichen gesetzt. Vettorato will sich persönlich mit Schülervertretern für eine Diskussionsrunde zu Klimathemen treffen. Kompatscher kündigt an, einen Klimaschutzbeauftragten ernennen zu wollen. Und Achammer ist beeindruckt: “Es stimmt mich hoffnungsvoll, wenn Schülerinnen und Schüler sich mit der Umwelt und dem Klima auseinandersetzen und sich für mehr Umweltbewusstsein und für Nachhaltigkeit einsetzen und dafür – friedlich und begeistert – auf die Straße gehen.”

Auch dass die Proteste gegen den Klimawandel einem Freitag stattfinden, scheint niemanden zu stören – im Gegenteil. “Wenn junge Menschen gegen solch unbestreitbare Fakten demonstrieren, zeugt das von Reife und kann nur unterstützt werden”, heißt es etwa von der ASGB-Jugend. Abgesehen davon reiht sich die Demonstration in Bozen in die europaweite Schüler-Protestwelle ein, die seit Monaten unter dem Motto “Fridays for Future” (auf deutsch: Freitage für die Zukunft) läuft. Ungeachtet der vereinzelten Kritik wollen die Südtiroler Schüler weitermachen.

 

Sie marschieren weiter – gemeinsam

Nach dem “überwältigenden Zuspruch”, den sie eigenen Angaben nach am Freitag erfahren haben, wenden sich die Landesbeiräte der deutschen und italienischen Schüler mit einer gemeinsamen Aussendung an die Öffentlichkeit – und demontieren dabei ein Stück weit auch die Vorwürfe von Jasmin Ladurner. “Fridays for Future ist mehr als Konsumkritik. Klar müssen wir alle darauf achten, nachhaltiger zu leben, aber die weltweiten Schulstreiks sind auch ein Ruf nach einem anderen Wirtschaftssystem: Weg von unendlichem Wachstum, der die Ressourcen unserer Erde zerstört”, heißt es in der Aussendung. Für die Schüler steht fest: Die Kundgebung vom Freitag war erst der Anfang. Wenn am 15. März zu weltweiten Schulstreiks aufgerufen wird, wollen auch die Südtiroler Jugendlichen wieder auf die Straße gehen. An einem Freitag – und gemeinsam.

Denn neben dem unüberhörbaren Appell nach Veränderung hat der Protest am gestrigen Freitag vor allem eines gezeigt: Klimaschutz kennt keine Grenzen, weder politische noch ethnische. “Neben dem unglaublich starken Zeichen für Klimaschutz war vor allem die Zusammenarbeit beeindruckend. Das war unser gemeinsames Projekt, deutsche sowie italienische Schülervertretungen und Schüler*innen, unabhängig von der Sprachgruppe haben diese Demo möglich gemacht”, freuen sich die Schülervertreter.