Politik | Landwirtschaft

„Betrug gegenüber der Allgemeinheit“

Der Vinschger Künstler Erich Kofler Fuchsberg kritisiert in einem Schreiben an die Landespolitik die von der Politik gewollte und geförderte Steuervermeidung in Südtirol.
Kofler Fuchsberg, Erich
Foto: Privat
Die Mail ging am vergangenen Freitag an Landeshauptmann Arno Kompatscher, seinen Stellvertreter Arnold Schuler, Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer und den Chef der SVP-Arbeitnehmer Helmuth Renzler.
Der Betreff des Schreibens „Landwirtschaft und Politik“. Der Absender: Erich Kofler Fuchsberg.
Der 62jährige Naturnses studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Wien hatte große Einzelausstellungen in der Galerie Museum Bozen (1985), im Museum für Moderne Kunst Wien, (1988), bei der Biennale Udine (1993) und in der Galerie Jochum in Feldkirch (1993).  1993 erhielt Kofler Fuchsberg den Preis der Tiroler Sparkasse beim Österreichischen Graphikwettbewerb und drei Jahre später den Preis der Diözese Innsbruck.
Erich Kofler Fuchsberg ist aber auch ein Mensch, der sich politisch engagiert und sich immer wieder kritisch zu aktuellen Themen öffentlich äußert. So war der Naturnser Künstler einer der energischsten Kritiker des Benko-Einkaufszentrums in Bozen oder er schrieb erst unlängst in der Wochenzeitung FF einen kritischen Leserbrief zum Bozner Museum für Moderne Kunst. „Ohne transparente Gebarung, ohne Bindung an Umgebung und Kulturkontext hat das Museion in Bozen keinen Sinn“, so sein Resümee.
Jetzt hat sich Erich Kofler Fuchsberg aber eines Themas angenommen, das für Südtirol eine besondere Sprengkraft besitzt: Bauern und Steuern.
 

Das Schreiben

 
In der Mail, die zur Kenntnis auch an die oppositionellen Landtagsabgeordneten Brigitte Foppa und Hanspeter Staffler (Grüne), Paul Köllensperger (Team Köllensperger) und Diego Nicoloni (M5S), sowie an die Verbraucherzentrale und die Gewerkschaft ASGB ging, schiebt Fuschsberg:
 
„Sehr geehrte Damen und Herren von der Südtiroler Volkspartei

Ende März 2019 wurden vom Ministero dell’ Economia e delle Finanze die Daten der 2017 erklärten Einkommen bekannt gegeben. Die Tageszeitung Alto Adige hat diese Daten, geordnet und zusammengefasst nach Durchschnitt der jeweiligen Südtiroler Gemeinden, am 30. März 2019 veröffentlicht. Die auffälligste Kuriosität dabei ist der Nachweis, dass die landesweit geringsten Einkommen nicht von den Berggemeinden erwirtschaftet werden, sondern von Ortschaften mitten im intensiven Obstanbau, so etwa in Naturns, Latsch, Schluderns, Schlanders, Glurns, Plaus, Prad oder Laas, wobei die geringste Leistung die Einwohner von Kastelbell-Tschars erbringen.
Wer diese Orte besucht, findet aber keinen Entwicklungsnotstand, sondern „gut aufgestellte Gemeinden“, man findet jede Menge gut und teuer gebaute Villen im „landwirtschaftlichen Grün“, Hotels der Luxusklassen, Agrarflächen auf neuestem Stand, monströse Magazine und Lagerhallen für das zu vermarktende Obst.
 
Während einigen Landesämtern wegen Geldmangels die Ressourcen immer weiter gekürzt werden, sieht sich ein Teil unserer Gesellschaft nicht verpflichtet, am Steueraufkommen beteiligt zu sein
Während einigen Landesämtern wegen Geldmangels die Ressourcen immer weiter gekürzt werden, sieht sich ein Teil unserer Gesellschaft nicht verpflichtet, am Steueraufkommen beteiligt zu sein!!? Hier handelt es sich in der Tat um eine legalisierte, von der Politik gewollte und geförderte Steuervermeidung, eigentlich um einen Betrug gegenüber der Allgemeinheit.
Die Landwirtschaft bedient sich oft und gerne aus der Haushaltskasse, die andere Berufsgruppen befüllen, ohne selbst den nötigen Beitrag geleistet zu haben. Bonifiziert sind nicht nur die Flächen, sondern auch die Rahmenbedingungen für die Agro-Industrie, durch Subventionsstrukturen, die legalisierte Landschaftszersiedlung und einer „de facto“ Steuerbefreiung. Das Ergebnis bildet sich ab in einer groben Selbstüberschätzung und einer kaum mehr zu überbietenden Arroganz." 


Dann setzt Erich Kofler Fuchsberg zu einer Grundsatzkritik an der Südtiroler Politik an:

„Im gesamten Feld der Agrarwirtschaft, zwischen Pestiziden und Privilegien scheint die Landesregierung den Faden vollkommen verloren zu haben und setzt die Handlungen und Maßnahmen nur mehr auf Zuruf der Lobby.
Wäre es nicht die erste Aufgabe einer fähigen Politik, Entwicklungen zu erkennen, in zukunftsfähige Produktionsmittel zu investieren und Steuergerechtigkeit zum Nutzen der gesamten Bevölkerung auf den Weg zu bringen?
Im gesamten Feld der Agrarwirtschaft, zwischen Pestiziden und Privilegien scheint die Landesregierung den Faden vollkommen verloren zu haben und setzt die Handlungen und Maßnahmen nur mehr auf Zuruf der Lobby.
Unsere Landesregierung und auch die Opposition sollten auf diese Fragen antworten, aber nicht mir, sondern der Bevölkerung, der sie verpflichtet sind.“
 
 
Der Mail beigefügt ist auch ein Postscriptum:

PS: Dieser Themenbereich greift sehr weit aus. Beispielhaft möchte ich nur an das Versuchszentrum Laimburg erinnern, das ausschließlich mit öffentlichen Geldern arbeitet, seine Leistungen jedoch punktgenau auf die Interessen der Agro-Industrie ausrichtet. Das gesamte Ausmaß dieser „Politik“ ist nicht nur bedauerlich, sondern inzwischen unerträglich geworden.“
 
Ob der Naturnser Künstler Antworten auf seine Fragen bekommt, wird sich zeigen.
Sicher ist: In der Zentrale des Südtiroler Bauernbundes wird man eine geharnischte Antwort vorbereiten.
Denn in Südtirol darf man alles kritisieren. Nur die Bauern nicht.