Politik | Manderwirtschoft

Und keiner schämt sich

Spontan hätte ich gern geschrieben, dass am Tschögglberg acht Tschöggl... Aber das schien mir dann doch ein wenig gewagt, und also ließ ich es bleiben.
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Foto: unbekannt

Ein Bekannter hat mich gestern gefragt, welche meiner Meinung nach die Gründe dafür sind, dass Frauen so ungern politisch aktiv werden (eine Behauptung, die übrigens auch einmal zu hinterfragen wäre), und zwar trotz der Tatsache, dass sie politisch sehr interessiert und teils sogar interessierter seien als Männer. Dabei, fällt mir gerade ein, ist es doch vielmehr so, dass es „die“ Männer sind, denen es schwerfällt, Frauen für die aktive Politik zu gewinnen, an welcher Stelle vielleicht ein maßgeblicher Grund für die offensichtlichen Missverhältnisse schon mal durchscheint (man denke nach). Aber egal, ich hatte jedenfalls keine Lust, diesem Bekannten kilometerlang die Gründe für dieses Paradoxon aufzulisten, es hätte eh nichts genutzt, und sowieso kein bisschen geholfen. Mancher Leute Weltbild ist gar zu festgebacken. Dann aber kam mir das Foto von der Eröffnung der Tschögglberger Wirtschaftsschau zu Hilfe.

Das Bild zeigt acht Männer, die sich vor einem roten Band in Position gebracht hatten, und alle acht wollten mit aufs Bild – so sehr wollten sie das, dass für die einzige Frau in der Szene kein Platz mehr war. Doch dazu später. Auch bemerkenswert: Der kleine Bub in heimischer Tracht am Rande der Szenerie, der zusah, und vermutlich gar einige „Lehren“ mitnehmen wird, in sein künftiges Männerleben.

Als erste Reaktion auf dieses unwahrscheinliche und anachronistische Foto von der Eröffnung der Wirtschaftsschau am Tschögglberg schoss mir der Gedanke in den Kopf, dass Wirtschaft in Südtirol wahrscheinlich immer noch als männliche Domäne verstanden wird, in der Frauen nichts verloren haben, weil sie nichts von ihr verstehen.

Denn tatsächlich haben solche Momentaufnahmen männlicher Seilschaften außerhalb der engen Südtiroler Welt, Wirtschaft hin oder her, schon beinahe Seltenheitswert, außer, zugegeben, in einigen wenigen Weltregionen, zu denen aber der junge Herr Landeshauptmann das von ihm regierte Land wohl hoffentlich nicht gezählt wissen will. Im großen Rest der zivilisierten und fortgeschrittenen Menschheit hat sich, wenn auch unter Mühen und teils großen Schmerzen, die Erkenntnis Bahn gebrochen, dass es auf der Welt nicht nur Männer, sondern auch Frauen gibt, und dass letzteren sowohl gesellschaftliche als auch politische Relevanz zukommt und zusteht, und dass sich also aufgeklärte, moderne und fortschrittliche Männer engagiert dafür einsetzen und dazu beitragen, dass so schnell wie nur möglich korrekte, also gleichgestellte Verhältnisse hergestellt werden, zum Wohle der Gesamtheit.

Dazu gehört unter anderem, dass die herrschenden und jedenfalls ohne Not oder andere Legitimation überrepräsentierten Männer darauf achten, dass Frauen, insbesondere bei öffentlichen und öffentlichkeitswirksamen Anlässen, in angemessener Zahl vertreten sind.

Außer in Südtirol, und damit ist's noch längst nicht genug. Denn gerade hatte sich meine Fassungslosigkeit angesichts dieser reinen Männergesellschaft auf dem Foto – dem, nebenbei bemerkt, spätestens eine seriöse Redaktion hätte Einhalt gebieten müssen -, einigermaßen gelegt, da sauste auch schon der nächste Schlag in meinen gendersensiblen Frauenmagen: In dem Foto standen nämlich mitnichten, wie es schien, nur Männer vor dem roten Band, sondern auch eine Frau - sie allerdings so gut versteckt, dass ich sie doch glatt übersehen hatte. Es handelte sich bei dieser Exotin im Männerpanorama übrigens nicht um eine Putzfrau, wie sie hin und wieder irrtümlicherweise in das eine oder andere Bild rutscht, weil niemand sie wahrnimmt, 

sondern um die Bürgermeisterin (von Mölten, am Tschögglberg), deren blonder Haarschopf zwischen bzw. hinter der jeweils linken bzw. rechten Schulter zweier Kollegen hervorlugte, und deren Arm wie ein Fremdkörper zwischen den beiden ins Bild ragte, und sich am roten Band festhielt.

Aber hallo, sagte meine Spucke, und blieb erst mal weg. So viel männliche Unverfrorenheit überstieg selbst meine Vorstellungskraft.

Doch will ich mich jetzt nicht weiter bei diesem symbolträchtigen „Zwischenfall“, der eher die Norm ist, aufhalten, es würde nicht wirklich weiterführen, und sowieso spricht das beschämende Bild ja für sich, und eine deutliche Sprache. Aber. Ich will die Gelegenheit nutzen, um den Spieß einmal kurz umzudrehen, und die Besetzung vor dem Band austauschen. Frau, man auch, stelle sich also vor: Acht Frauen aus allen hohen höchsten und weniger hohen Sparten der heimischen Politik, und ein Bürgermeister bei der Eröffnung der Tschögglberger oder einer beliebigen Südtiroler Wirtschafts_Schau: Hebe die Hand, wer sich vorstellen kann, dass der Mann so nach hinten weg gedrückt worden wäre, wie es die Bürgermeisterin wurde, hebe die Hand, wer nicht glaubt, dass die Frauen den Mann selbstverständlich in ihre Mitte genommen hätten, hebe die Hand, wer nicht überzeugt ist, dass – am allerwahrscheinlichsten – der Mann sich diese Mitte ganz selbstverständlich selbst genommen hätte, und sei er noch so klein, und seien die acht Frauen noch so groß.

Aber auch jene eingangs erwähnte Frage meines Bekannten nach den Gründen für die (angebliche) weibliche Unlust, sich den Herausforderungen (ha!) der Politik zu stellen, findet in diesem bändesprechenden Foto der acht bänderschneidenden Herren und der verdrängten Bürgermeisterin (s)eine Antwort.

Es liegt, entgegen der landläufigen Meinung, in erster Linie wohl eher nicht an den Frauen.

PS: Einzig der Alt-Landeshauptmann und hauptberufliche Patriarch Durnwalder, das sei der Korrektheit halber gesagt, deutet eine Öffnung seiner rechten Schulter zugunsten der Bürgermeisterin an, wenn auch vermutlich eher aus Gründen der alten Schule, denn aus solchen der anerkannten Notwendigkeit für die - endlich! - Gleichstellung der Geschlechter. Aber egal, immerhin besser alte Schule, als gar keine Schule.