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Kurve nach unten
Dass gedruckte Zeitungen überall auf der Welt deutlich an Leserinnen und Lesern verlieren, ist eine längst bekannte Tatsache. Ebenso, dass die italienische Tageszeitungen in Sachen Auflagezahlen im vergangenen Jahrzehnt besondern gebeutelt wurden.
Der Niedergang des italienischen Tageszeitungsmarktes lässt sich anhand konkreter Zahlen nachvollziehen. Wobei die Zahlen auch Aussagekraft für den regionalen und den Südtiroler Zeitungsmarkt haben. Denn sie machen auch deutlich, wie viel Leserinnen und Leser Südtirols Zeitungsflaggschiffe eingebüßt haben und immer noch verlieren.
Die Traditionsblätter
Im Januar 1998 verkaufte der „Corriere della Sera“ täglich durchschnittlich 652.738 Exemplare. Dazu hatte das Mailänder Traditionsblatt 16.627 Abonnenten. 20 Jahre später im Jänner 2018 verkauft der Corriere nur noch 210.887 Zeitungen am Tag. Die Abonnenten gingen im selben Zeitraum auf 2.097 zurück. Neu im Angebot hingegen ist die digitale Version. 35.821 Stück werden hier täglich abgesetzt.
Dass der Niedergang aber noch nicht beendet ist, zeigen die neuesten Zahlen. Im Juni 2019 verkauft der Corriere täglich nur mehr 192.368 Zeitungen. Er hat 1.471 Abonnenten und 32.753 Leserinnen und Leser der digitalen Ausgabe. In 21 Jahren hat der Corriere damit gut 60 Prozent seiner Auflage verloren.
Diese Zahlen stammen von der „Ads – Accertamenti diffusione stampa“, einem spezialisierten Unternehmen, das seit drei Jahrzehnten die Verkaufzahlen der italienischen Zeitungen und Zeitschriften ermittelt. Dabei geht man nach einem transparenten, zweistufigen Modell vor, das nicht nur auf der geprüften Auflagen fußt, die die Verleger angeben, sondern das auch regelmäßige Auflagen- und Verkaufszahlenkontrollen von externen Revisionsfirmen vorsieht. (siehe untenstehenden Kasten).
Ähnlich dramatisch sieht es auch bei der „Repubblica“ aus. Im Jänner 2010 (es sind die ersten verfügbaren Zahlen) verkaufte die Repubblica tägliche 385.044 Exemplare und hatte 6.530 Abonnenten. Im Juni 2019 sind es nur mehr 149.248 Exemplare und 788 Abos. Dazu kommen 28.543 digitale Ausgaben.
Italiens bekannteste Wirtschaftszeitung „Il sole24ore“ verkaufte 1998 223.662 Exemplare und lieferte weitere 163.724 täglich an ebenso viele Abonnenten aus. 21 Jahre später, im Juni 2019, sind es 43.215 verkaufte Zeitungen, 19.935 Abonnenten und 34.236 digitale Ausgaben, die man im Durchschnitt täglich absetzt.
Selbst bei Italiens bekanntester Sportzeitung lässt sich dieser Einbruch der Auflage beobachten. Die „Gazzetta dello Sport“ verkauft im Jänner 1998 täglich 345.493 Exemplare und hatte 2.220 Abonnenten. Im Juni 2019 sind es noch 144.318 Zeitungen, 186 Abonnenten und 6.094 E-Paper.
Noch dramatischer zeigt sich der Auflagenschwund beim „Giornale“. Die Tageszeitung, die Paolo Berlusconi gehört, verkaufte Anfang 1998 noch 241.507 Exemplare täglich, bei 4.829 Abonnenten. Im Juni 2019 sind es 44.244 Zeitungen, 399 Abos und 1.230 digitale Ausgaben täglich. Auch der „Messaggero“ ist von 267.990 verkauften Zeitungen (Jänner 1998) auf 78.960 Exemplaren im Juni 2019 eingebrochen.
Selbst der Senkrechstarter am italienischen Zeitungsmarkt tut sich schwer. „Il fatto quotidiano“ verkaufte im Januar 2010 65.106 Exemplare täglich und hatte 8.888 Abonnenten. Im Juni 2019 sind es nur noch 27.959 Zeitungen und 580 Abos. Dafür verkauft der "Fatto" täglich 12.120 digitale Ausgaben.
Die Wochenzeitungen
Mit noch gewaltigeren Einbußen haben die italienischen Wochenzeitungen zu kämpfen. „Panorama“ verkaufte in den 1990-er Jahren wöchentlich mehr als eine halbe Million Hefte. Im Jänner 1998 waren es 256.216 Magazine, die man im freien Verkauf absetzte, und 237.591 Hefte, die man den Abonnenten zuschickte. Im April 2018 (letzte verfügbaren Daten) setzt man am Kiosk noch 27.689 Zeitungen ab, 62.771 Hefte gehen an die Abonnenten und 764 Ausgaben verkauft man wöchentlich digital. Der Trend nach unten geht inzwischen weiter.
Ein etwas weniger dramatisches Bild ergibt sich beim „L´Espresso“. Die Wochenzeitung setzte im Jänner 2010 155.808 Exemplare im freien Verkauf ab und verschickte 164.575 Hefte an die Abonnenten. Neuneinhalb Jahre später hat man den freien Verkauf sogar leicht steigern können. Im Juni 2019 setzt man wöchentlich 161.815 Hefte an. Das dürfte auch daran liegen, dass die Wochenzeitung inzwischen äußerst günstig im Paket mit der Repubblica verkauft wird. Dazu kommen 5.266 digitale Ausgaben. Den großen Einbruch erlebt der Espresso aber bei den Abonnenten. In knapp 10 Jahren hat man über 100.000 verloren. Im Juni 2019 werden noch 51.993 bezahlte Abonnements gezählt.
Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch bei der Südtiroler Wochenzeitung "FF" festmachen. Auch sie unterwirft sich der zertifizierten ADS-Auflagenkontrolle.
Im Jänner 2010 verkaute die FF wöchentlich 2.229 Hefte im Zeitungshandel und verschickte 8.551 bezahlte Abos. Im Juni 2019 verkauft die "FF" noch 1.067 Exemplare im freien Verkauf und hat 7.277 Abonnenten. Dazu kommen wöchentlich 113 verkaufte E-Paper. Damit ist der Rückgang der Verkaufszahlen bei der FF allerdings - verglichen mit jenem der überregionalen Medienerzeugnise - deutlich geringer.
Die Dolomiten
Auch bei der Tageszeitung Dolomiten sind die Einbußen weniger dramatisch ls im restlichen Staatsgebiet.
Der Grund dafür: Das Tagblatt der Südtiroler hat im Verhältnis weit mehr Abonnenten als Tagesverkäufe. Weil die Abos dem Verleger am Beginn des Jahres das Geld bringen, ist diese Form weit lukrativer als der Kioskverkauf. Schaut man sich das Verhältnis an, wird auch klar, warum die „Athesia AG“ so über die italienische Post mault und jetzt einen Zustelldienst für Zeitungen aufbaut, der den Ebnerverlag im Jahr rund vier Millionen Euro kosten wird.
Im Jänner 1998 verschickten die Dolomiten täglich 31.481 Zeitungen an ebensoviel Abonnenten. Dazu kamen 11.672 Exemplare, die man im Zeitungsverkauf absetzte.
Im Juni 2019 liegen die durchschnittlichen Verkaufszahlen bei 5.982 Kioskverkäufen und 30.791 Abos. Dazu kaufen 1.146 Personen täglich die digitale Dolomitenausgabe. Das Ebner-Flaggschiff hat damit rund die Hälfte seines freien Verkaufes eingebüßt.
Ausgenommen aus dieser Statistik ist die Freitag-Ausgabe mit dem Dolomiten-Magazin, die wegen des Fernsehprogramms noch einmal deutlich gefragter ist. Sie wird in der Ads-Datenbank gesondert angeführt. Demnach verkauften die Dolomiten plus Magazin im Jänner 2000 an jedem Freitag durchschnittlich 23.038 Exemplare im Zeitungshandel; 47.186 Zeitungen werden an die Abonnenten verschickt. Fast 20 Jahre später verkauft man am Kiosk nur mehr rund ein Drittel, während man die Abonnenten durchwegs halten konnte. Im Juni 2019 stehen 8.705 Freitagszeitungen im Zeitungsverlauf und 43.783 Abos zu Buche.
Der Sturzflug
Einen wahren Sturzflug hat hingegen der „Alto Adige“ in den vergangenen zwei Jahrzehnten hingelegt. Im Jänner 1998 verkaufte die italienische Bozner Tageszeitung in Südtirol und im Trentino (die Ausgabe wurde später in „Il Trentino“ umbenannt) durchschnittlich 30.599 Exemplare und verschickte die Zeitung an 6.008 Abonnenten. Im Juni 2019 sind es nur noch 7.947 verkaufte Zeitungen, 4.925 Abos und 1.246 digitale Ausgaben - den „Trentino“ mit eingerechnet.
Il Juli 2018 übernahm die Athesia auch den „L´ Adige“, die größte Tageszeitung im Trentino. Dort ist der Auflageneinbruch weit weniger dramatisch. So verkaufte der L´Adige im Jänner 1998 21.671 Zeitungen am Kiosk und per Abo am Tag. Im Juni 2019 sind es einschließlich der digitalen Ausgabe noch 18.871.
Trotz dieser Entwicklung haben die neuen Besitzer jetzt einen rigiden Sparkurs eingeschlagen. Zusammen mit der Journalistengewerkschaft haben Verleger und Redaktion mit 1. August einen Solidaritätsvertrag unterzeichnet, der klare Sparmaßnahmen vorsieht.
Obwohl Verleger Michl Ebner bisher eine Zusammenlegung der Redaktionen und eine Schließung des „Trentino“ ausgeschlossen hat, gehen die Zeichen in diese Richtung.
Obwohl Verleger Michl Ebner bisher eine Zusammenlegung der Redaktionen und eine Schließung des „Trentino“ ausgeschlossen hat, gehen die Zeichen in diese Richtung.
Die „Neue Südtiroler Tageszeitung“ unterwirft sich der ADS-Auflagenkontrolle nicht. Deshalb können hier auch keine verlässlichen Aussagen über ihre verkaufte Auflage gemacht werden. Branchenkennern zufolge dürfte sie aber über den Verkaufszahlen des "Alto Adige" liegen.
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Das Abo der NST habe ich vor
Das Abo der NST habe ich vor 10 Jahren abbestellt weil mir das Abo zu dieser Zeit zu teuer wurde.Die Dolomiten habe ich seit Jahrzehnten nur sporadisch gelesen, seit Jahren höchstens die 1. Seite wenn Sie irgendwo in einem Barraum liegt. Seit der Zeit des Smartphones greife ich auf Dieses zu wobei ich sowohl italienische als auch ausländische Seiten nutze.