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Foto: Euronews
Politik | Österreich

Kniefall und Huldigung

Judith Grohmann hat einen Heiligenroman geschrieben. Ihre neue Biographie von Sebastian Kurz löst in Österreich eine Welle des Hohns und der Verspottung aus.
Ob das Buch seinen Zweck erfüllt, ist fraglich. Denn die rechtzeitig zur Nationalratswahl erschienene "offizielle Biografie" des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz trieft geradezu vor Pathos und lässt es an massiver Beschönigung nicht fehlen. 
Das beginnt schon im ersten Satz, in dem Autorin Judith Grohmann ihre erste Begegnung mit Kurz schildert: 
 
„Zunächst erblickte ich nur eine Silhouette. "Ist er es wirklich ?", dachte ich mir. Ich sah lediglich einen Teil des Kopfes, doch der kam mir bekannt vor. Diese dunkelbraunen Haare, die streng nach hinten gekämmt waren, und die kleine, spitze Nase, die aus seinem Gesicht hervorbrachte... Er sah aus dem Fester und blickte gedankenversunken in die Ferne. Ob er uns wahrgenommen hatte, war fraglich. Das helle Sonnenlicht leuchtete in den Raum hinein, die Herbstsonne blendete sein Gesicht. Er war vertieft und in Gedanken versunken. Es war ein besonderer Augenblick für mich. Denn ich sah einen Politiker bei seiner täglichen Arbeit, versunken in Gedanken über die beste Strategie. Abseits von Kameras und Mikros. Für einen Journalisten ein besonderer Augenblick, kennt man Politiker meist nur von öffentlichen Auftritten. So etwas passiert wirklich nicht jeden Tag.“
 
 
Das Beschöningungsritual beginnt bereits beim Lebenslauf der Autorin, der 1966 in Wien geborenen Journalistin Judith Grohmann. Ihre Behauptung, sie habe in der Profil-Schlussredaktion gearbeit, wird vom Wochenmagazin dementiert: „Judith Grohmann dürfte zwar 1985 vorübergehend bei Profi tätig gewesen sein, mit Sicherheit aber nicht als Redakteurin, geschweige denn als Chefin vom Dienst. Ihr Name scheint in keinem Impressum auf. Der genannte Herausgeber Peter Michael Singens kann sich nicht an ihren Namen erinnern. Der Bitte der Chefredaktion um eine erklärende Stellungnahme kam Judith Grohmann bisher nicht nach.
 
Grohmann Beschreibung verliert sich in einer einzigen Huldigungszeremonie. Schon in seinen ersten Lebensjahren habe sich der kleine Sebastian als „Baby auf der Überholspur“ erwiesen:
 
„Er war in seiner Entwicklung anderen Kindern um Längen voraus. Während die meisten Babys mit 12 bis 18 Monaten das Laufen erlernen, konnte Sebastian Kurz bereits mit 10 Monaten gehen...Aber damit nicht genug: die ersten kompletten Sätze sprach der kleine Sebastian Kurz mit einem Jahr und stellte damit viele andere Kinder in den Schatten.“
 
Natürlich kommt auch die Mutter mit rührenden Schilderungen zu Wort : „Sebastian ist ein liebenswürdiger Schlingel.“ 
„Das ist ein falsch etikettierten Heimatroman, der Kurz den Heiligenstand heben soll.“
Gerhard Ruiss.
 
 
Der Standard verspottet das neue Buch als Vita des heiligen Sebastian, die Tageszeitung Die Welt bezeichnet die Autorin als „Aschenputtel auf dem Weg ins Schloss“. Kommentar der Wiener Tageszeitung Kurier: „Kurz ausführlich gebauchpinselt“.
Der Vorsitzende der österreichischen Autorenvereinigung, Gerhard Ruiss, wertete das im Münchner FinanzBuchVerlag erschienene Werk als „falsch etikettierten Heimatroman, der Kurz den Heiligenstand heben soll.“
Außer Zweifel steht, dass die Neuerscheinung offenbar die Phantasie der Österreicher beflügelt. Über das Buch ergießt sich im Netz eine endlose Flut spöttischer Kommentare, besonders auf twitter:
 
„Er sah mich an. In seinen Augen spiegelte sich die Österreich-Fahne, die zum ersten Mai sanft im patriotischen Wind wehte. „Hey, Baby“, sagte er, seine Stimme tiefer als der Traunsee. „Soll ich noch hochkommen...deine Balkanroute schließen?“ #50shadesofkurz
 
So lagen wir in seinem Bett, die Bettwäsche roch nach zarten Rosenblüten. Er beugte sich mit seinem starken Körper über meinen Körper und verlangte, dass ich ihm etwas Schmutziges sage. So dies sein Wille war, hauchte ich ihm zart ins Ohr: „Erbschaftsteuer“. #50shadesofkurz 
 
Ob sich das Buch bei der Wahl am kommenden Wochenende positiv auf den amtierenden und zukünftigen Bundeskanzler auswirkt, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass der liebeswürdige Schlingel auch diesmal die Nase vorn haben wird.