Allianz für die Kleinsten
Auch wenn die zuständige Landesrätin nicht müde wird, zu betonen, dass im ganzen Land schon vieles getan worden sei, um den Dienst auf bessere Beine zu stellen und sie zum Dialog “hundertprozentig bereit” sei – das Bild, das andere von der Kleinkinderbetreuung in Südtirol malen, ist ein weniger schönes.
Waltraud Deeg hat den Saal vorübergehend verlassen, als eine Mutter gesteht, dass sie sich als “Ausbeuterin” fühle, wenn sie ihren Sohn in die Kita bringt, weil dort “Billigstarbeitskräfte vor der eigenen Haustür” arbeiteten. Marlen Mittermair hat nach der Geburt ihres Sohnes beschlossen, wieder in den Beruf einzusteigen und berichtet von einem ständigen Mitarbeiterwechsel und die teilweise schwierige finanzielle Situation der Kleinkindbetreuerinnen und -betreuer. Stefanie Klammer, die neben Mittermair steht, ist eine dieser Betreuerinnen. Sie arbeitet seit elf Jahren in einer Kita in Vilpian und bestätigt: In Vollzeit beläuft sich das Nettogehalt auf rund 1.200 Euro. Das Einstiegsgehalt einer Kita-Angestellten liegt bei 1.074 Euro netto – “Renzi-Bonus” von 80 Euro inklusive. “Noch überwiegen bei mir die schönen Momente meiner Arbeit, aber viele Kolleginnen sind schweren Herzens gegangen.”
Zur finanziellen Lage summiert sich für viele Angestellte in der Kleinkinderbetreuung eine Mehrfachbelastung, die häufig nicht wahrgenommen, nicht wertgeschätzt und nicht entlohnt wird. So die Kernaussage an diesem Vormittag im Palais Widmann. Dort findet die von der Opposition im Landtag organisierte Anhörung zur Frage “Kleinkindbetreuung – Baustelle oder Vorzeigemodell?” statt. Eine Anhörung im Landtag hatte die Mehrheit im Mai abgelehnt.
Die am Montag aufgebrachten Schwierigkeiten und Herausforderungen sind nicht neu, werden aber erstmals den versammelten Oppositionsvertretern vor Augen geführt. Auch zahlreiche Eltern und Vertreter der Kleinkinderbetreuungsdienste und Institutionen sind gekommen: Vereinbarkeit von Familie und Beruf; die zum Teil prekären Arbeitsbedingungen jener, die Kleinkinder im Alter von 3 Monaten bis 3 Jahren betreuen; der Bürokratieaufwand für Gemeinden und Sozialgenossenschaften in diesem Bereich; die Verunsicherung vieler Eltern, ob sie einen Betreuungsplatz für ihr Kind erhalten.
“Uns geht es allen darum, den Familien eine echte Wahlfreiheit zu garantieren”, heißt es von den Oppositionellen. Einerseits eine funktionierende Kleinkinderbetreuung flächendeckend garantieren, andererseits Eltern, die sich dafür entscheiden, daheim bei ihrem Nachwuchs zu bleiben, zu unterstützen. Die Rahmenbedingungen dafür muss die Politik schaffen – und am Montag hat man ihr einiges an Inputs mitgegeben.
Einen Überblick über die aktuellen Herausforderungen für Eltern, Genossenschaften und das Personal in der Kinderbetreuung gab am Ende der zweieinhalbstündigen Anhörung Christa Ladurner (Allianz für Familie und Koordinatorin Fachstelle Familie im Forum Prävention).
“In einer Gesellschaft, die immer komplexer wird, mit immer mehr Alleinerziehenden, brüchigen sozialen Netzen, immer weniger Großeltern, die als Hilfe zur Verfügung stehen und steigender Berufstätigkeit der Frauen tun sich immer mehr Problemfelder auf”, meint Ladurner. Vielerorts gebe es kein sicheres Betreuungsangebot – “und das Problem wird für die Eltern durch die Anhebung des Kindergartenalters verschärft”. Die Kosten für die Kleinkinderbetreuung stellten viele Familien vor Probleme – “billig ist gute Kinderbetreuung nicht”. Außerdem sei die finanzielle Ausstattung der Genossenschaften, die Tagesmutter- oder Kita-Dienste anbieten, zu gering und “die dürftige Entlohnung des Personals in der privaten Kleinkinderbetreuung eine Zumutung”, so Ladurner. “Mit 1.200 Euro kommt niemand über die Runden – es gibt Angestellte, die samstags putzen gehen, um sich finanziell über Wasser zu halten.”
Ein landesweit verfügbares stabiles und bezahlbares Angebot; weniger Bürokratie und mehr Planungssicherheit für die Genossenschaften durch ein Finanzierungsmodell, das weg vom Stunden- hin zu einem Beitragsmodell gehe; Anpassung der Tarife an jene des Kindergartens, stellt Ladurner als neue Ansätze in der Kleinkinderbetreuung in den Raum.
Zumindest bei der Bezahlung gibt es Grund zur Zuversicht. ASGB-Chef Tony Tschenett berichtet von den laufenden Verhandlungen, um auf Landesebene einen territorialen Zusatzvertrag für Kleinkindbetreuer auf den Weg zu bringen. Man sei schon weiter gekommen, derzeit steht eine Lohnerhöhung von 100 Euro brutto im Monat im Raum – zusätzlich zu 80 Euro brutto monatlich und einer einmaligen Zahlung von 300 Euro brutto, die der nationale Kollektivvertrag mit den Sozialgenossenschaften vorsieht.
Zum Abschluss sind sich alle Beteiligten einig: Bei den Kleinsten darf nicht gespart werden. “Als Politiker haben wir heute einen Auftrag bekommen”, verabschiedet Maria Elisabeht Rieder die Anwesenden. Die Landtagsabgeordnete von Team Köllensperger hat die Anhörung maßgeblich vorangetrieben und organisiert. Man darf gespannt sein, wie die Diskussion mit der Mehrheit im Landtag ausfallen wird. Denn eines steht fest: Die Opposition hat sich des Themas und der Anliegen der Betroffenen angenommen und will es ins Hohe Haus bringen. Brennpunkte gibt es genügend, wie spätestens seit Montag Vormittag feststeht. Trotz der Beteuerungen der Landesrätin.
Ist das nicht extrem
Ist das nicht extrem deprimierend:
die wenigen Kinder, die wir noch haben, werden bereits im Babyalter ständig wechselnden Billigarbeiterinnen und Billigarbeitern überlassen.
Wo doch gerade in diesen ersten 3 Jahren die Grundlagen für eine gesunde soziale Entwicklung und Beziehungsfähigkeit der späteren Erwachsenen gebildet werden ... soll und muss! Etwas, das später NICHT MEHR nachgeholt werden kann.
Verhaltensforschung, Psychologie und Pädagogik wissen zusammen mit der Hirnforschung genau, was nötig ist, damit ein Mensch ein gesundes Urvertrauen entwickeln kann:
und hier liest man vom Feilschen um einige Cent pro Stunde Entlohnung mehr: ja sind denn in dieser Diskussion keine Mütter beteiligt? Keine Väter?